Kilian Weibel unterrichtet seit zwei Jahrzehnten. Sein Beruf habe sich verändert, sagt er. Und werde von vielen unterschätzt.
Sein Gesicht ist braungebrannt, sein Handschlag kräftig, das Lachen breit. Die rote Skilehrer-Uniform sitzt, als wäre sie eigens für ihn angefertigt worden. In seinen Skischuhen geht er wie andere in ihren Turnschuhen. Darf man vorstellen: Kilian Weibel, einer der bekanntesten Skilehrer der Schweiz.
Weibel arbeitet sein halbes Leben als Skilehrer. Er ist 37 Jahre alt und unterrichtet seit 19 Jahren auf den Skipisten von Engelberg. In diesen Wochen hat er besonders viel zu tun: In den Sportferien im Februar ist Hochsaison.
Im Internet hat Kilian Weibel Hunderttausende Fans. Sie schauen ihm auf Instagram zu, wie er Saltos im Tiefschnee macht, steile Pisten hinuntercarvt, mit überkreuzten Ski kurzschwingt. In Youtube-Videos gibt er Tipps, wie der perfekte Carving-Schwung gelingt. Und das alles in einem Englisch, das stark nach Innerschweiz klingt.
Weibel stammt aus Nidwalden, er ist ein uriger Typ, ein Büezer auf Ski – und ein Influencer. Er ist der wohl berühmteste Skilehrer der Schweiz. Manche sagen, er sei auch der beste.
30 Tage Unterricht ohne Pause
Mit eineinhalb Jahren stand Kilian Weibel das erste Mal auf den Ski. Es ist ein Alter, in dem andere Kinder laufen lernen. Die Grosseltern führten die Skischule in Wirzweli im Kanton Nidwalden, der Vater ist bis heute Skilehrer in Engelberg. Als Jugendlicher wollte Kilian Weibel der schnellste Skifahrer der Schweiz werden. Er fuhr Rennen im Nachwuchs, trat gegen den späteren Olympiasieger Carlo Janka an. Nach zwei Knieverletzungen entschied er sich gegen eine Karriere als Skirennfahrer.
Damals war Kilian Wenger 19 Jahre alt und nahm sich vor, der beste Skilehrer der Schweiz zu werden.
Auf Instagram sieht Kilian Weibels Beruf nach Sonne, Spass und Heiterkeit aus. Doch Skilehrer zu sein, bedeutet auch: harte Arbeit.
Der Alltag der Skilehrer sei nicht einfach «locker-lässig», sagt Weibel. Man trage jeden Tag die Verantwortung für die Gäste. In der Hochsaison arbeiteten viele Skilehrerinnen und Skilehrer dreissig Tage am Stück. Junge, die neu in den Beruf kämen, würden die Arbeitsbelastung unterschätzen. Nach einigen Wochen wüssten sie es besser.
Weibel ist im Führungsteam der Skischule Engelberg. Er ist technischer Leiter und dafür verantwortlich, dass im Tagesbetrieb alles rundläuft. Er vermittelt die Gäste an die Skilehrer, dauernd klingelt sein Telefon. Er geht immer ran.
Für Swiss Snowsports, den Dachverband der Schweizer Skischulen, bildet Weibel Skilehrerinnen und Skilehrer aus der ganzen Schweiz aus. Und er fährt bei der Elitegruppe der Formationsfahrer der Schweizer Skischulen mit: bei den Besten der Besten.
Die Skischulen haben sich professionalisiert
Kilian Weibel hat den Wandel in den Skischulen miterlebt. Alles sei professioneller geworden, sagt er. Früher sei man mit den Gästen nach der Lektion etwas trinken gegangen, sei lange sitzengeblieben. Heute könne man sich das nicht mehr erlauben. «Unsere Leute sind nach der letzten Pistenkontrolle im Tal.»
Weibel ist Skilehrer mit eidgenössischem Fachausweis, er hat die mehrstufige Ausbildung von Swiss Snowsports absolviert. Die Ausbildung zum Skilehrer ist anspruchsvoll und teuer. Sie dauert mindestens zwei Jahre und kostet 10 000 Franken.
Die meisten Skilehrerinnen und Skilehrer sind weniger gut ausgebildet. Von den 8000 aktiven Skilehrern an den 149 lizenzierten Schweizer Skischulen haben 3000 den eidgenössischen Fachausweis. Die Skilehrer der privaten Skischulen haben alternative Ausbildungsmodelle.
Kilian Weibel kann sehr schön vom Skilehrersein erzählen. Zwischendurch verliert er sich in Fachausdrücken, die in der Skilehrer-Szene gängig sind. Er sagt dann Sätze wie: «Vielen Skifahrern fehlt die Progression des Schwungaufbaus.»
Oder: «Sie vernachlässigen die biomechanischen Kräfte.»
Das Skifahren ist für Kilian Weibel mehr als ein Hobby. Es ist eine Berufung, eine sehr persönliche Wissenschaft.
2019 hat Kilian Weibel begonnen, sein Können im Internet zu vermarkten. Sein erstes Carving-Video wurde auf Instagram 107 000-mal angeklickt. Einige seiner Follower wollen bei Weibel, ihrem Ski-Idol, Unterricht buchen. Er erhalte rund fünfzig Anfragen pro Winter auf Instagram und über seine Website. Der Preis für zweieinhalb Stunden Privatunterricht: 265 Franken. Weibels Warteliste: lang.
Der Beruf des Skilehrers erfordert heute mehr skitechnisches Verständnis als früher, mehr Fachwissen. Die Kunden und Kundinnen wissen mehr als früher, sie schauen sich Youtube-Videos an, bevor sie eine Stunde buchen. Sie sind interessiert als Details. Weibel muss mehr erklären als früher.
Und der Beruf wandelt sich weiter: Die Winter werden immer wärmer. Die Schweizer Skilehrerinnen und Skilehrer vermitteln ihren Gästen mit dem Skifahren eine Schweizer Tradition, deren Existenzgrundlage – wortwörtlich – wegzuschmelzen droht.
Der Schneemangel macht kreativ
Fragt man Kilian Weibel nach der Zukunft des Wintersports, fällt seine Antwort nachdenklich und gleichzeitig bestimmt aus. Als wolle er sich selbst beruhigen: Die Situation sei schwierig.
Man suche neue Lösungen. Die Skischule Engelberg habe sich zu einem Ganzjahresunternehmen entwickelt. Im Sommer biete man Mountainbike-Unterricht an, und wenn im Winter der Schnee ausbliebe, könne man den Seilpark öffnen. Weibel, der beste Skilehrer der Schweiz, wäre dann ein Mitarbeiter im Seilpark.
Kilian Weibel ist sich sicher, dass die Touristen auch in fünfzig Jahren noch Skifahren möchten. Vielleicht werde die Skisaison dann kürzer sein. «Aber Schnee wird es noch geben, da bin ich mir ganz sicher.»
Vieles hat sich in den Skischulen verändert, aber einiges ist noch so, wie es immer war: Prestige ist der Lohn der Skilehrer. Davon hat Kilian Weibel viel. Er fährt ausserordentlich gut Ski, wird dafür im Internet und auf der Skipiste bewundert. Er steht in der Hierarchie seiner Skischule weit oben, hat eine gewisse Macht und nimmt sich, so erzählen es andere Skilehrer, gewisse Freiheiten heraus. Bei vielen gilt Kilian Weibel als König der Skischule Engelberg.
Der Beruf des Skilehrers sei auch heute noch ein Privileg, sagt Weibel. Man arbeite in den Bergen, dort, wo andere ihre Ferien und ihre Freizeit verbringen würden.
Dann erzählt er die Geschichte von einer neunzigjährigen Frau, die bei ihm Skiunterricht buchte. Ihr Ziel war es, die Laub-Abfahrt, eine der bekanntesten Freeride-Routen in Engelberg, einmal im Leben zu fahren. Sie hätten es gemütlich genommen, seien im Tiefschnee Schwung für Schwung gefahren. Nach einer Stunde kamen sie im Tal an. Die Frau habe vor Freude geweint.