Die neue amerikanische Regierung wendet sich gegen Bereiche der Wissenschaft, die sie als ideologisiert ansieht. Schäden durch die Massnahmen nimmt sie in Kauf.
Viele Wissenschafter in den USA sind verunsichert, manche verzweifelt. Seit der Amtseinführung von Donald Trump hat seine Regierung mit zahlreichen Dekreten in den Wissenschaftsbetrieb eingegriffen. Tausende von Mitarbeitern wurden entlassen, Neueinstellungen sistiert, Hunderte Forschungsprojekte gestoppt, die Finanzierung von Universitäten eingeschränkt, Stipendien pausiert. An vielen Orten des Landes haben sich Wissenschafter zu Demonstrationen versammelt.
Gegenwärtig ist es schwer, einen Überblick über die Vielzahl an Massnahmen zu erhalten, die Grundzüge des Reformprogramms liegen noch gar nicht vor. Entsprechend unkoordiniert laufen die gegenwärtigen Massnahmen ab. Was aber bereits deutlich ist: Alle wesentlichen Bereiche der staatlichen Forschungsförderung sind betroffen – zum Beispiel die nationale Gesundheitsbehörde, die Forschung zu Krebs und anderen Krankheiten finanziert. Auch die nationale Forschungsbehörde, die landesweit Projekte unterstützt, und die Universitäten stehen im Fokus.
Einige der Beschlüsse richten sich gezielt gegen umstrittene Forschungsgebiete wie die Genderforschung. Andere sollen nach Angaben der Regierung die Wissenschaft effizienter machen. Ob die Massnahmen zweckmässig sind, ist allerdings fraglich. Fachleute befürchten in vielen Fällen irreparable Schäden.
Die Regierung stoppt unerwünschte Forschung
Schon seit Jahren kämpfen die Republikaner gegen «Wokeness». Trump hat gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit sämtliche staatlichen Programme zur Förderung von Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) eingestellt. Wörter wie «inklusiv» oder «transgender» werden aus offiziellen Dokumenten gestrichen. In Fotoarchiven werden Bilder gelöscht, die mit solchen Begriffen kategorisiert worden sind.
Dieser Eifer trifft auch die medizinische Forschung. Wie das Wissenschaftsmagazin «Nature» berichtet, hat die Regierung zahlreiche bereits laufende Studien gestoppt. Dazu gehören Studien, die den Einfluss von Rassismus auf die Gesundheit untersuchen, oder solche zum Effekt von Testosteron auf weibliche Mäuse.
Yesterday, @NIH cancelled seven grants for transgender experiments on animals including:
– $532K to “use a mouse model to investigate the effects of cross-sex testosterone treatment”
– $33K to test “feminizing hormone therapy in the male rat”— Department of Government Efficiency (@DOGE) March 5, 2025
Dass es solche Weichenstellungen in der Forschung geben würde, war zu erwarten. «Jede neue Regierung verschiebt Prioritäten», sagt Kei Koizumi. Er war für Joe Biden als führender Regierungsberater zum Thema Wissenschaft tätig. Trumps Regierung gehe allerdings mit ungewöhnlicher Härte vor, sagt Koizumi. Normalerweise lasse man bestehende Forschungsprojekte weiterlaufen.
Die Klimaforschung ist ein weiteres Gebiet, das die Gunst verloren hat. Ende Februar hat die Regierung bei der Wetter- und Klimabehörde Noaa Hunderte Mitarbeiter entlassen. Laut CBS News sollen in den nächsten Monaten mehr als 1000 weitere Stellen gestrichen werden, insgesamt hätte die Behörde dann ganze 20 Prozent ihrer Mitarbeiter verloren.
Begründet wird der Stellenabbau damit, dass die Noaa Klima-Alarmismus verbreite. Die meisten Klimaforscher wehren sich gegen diese Vorwürfe. Sie betonen, die Noaa erhebe einzigartige Messdaten, die für die Wetterprognose und die Klimaforschung sehr wertvoll seien. Die Dienstleistungen der Behörde und die Erhebung der Daten seien jetzt in Gefahr.
Politik für Impfskeptiker
Neben den Lieblingsthemen der progressiven Linken wendet sich die Regierung auch gegen die Forschung an Viren und Impfstoffen. Wie die «Washington Post» berichtet, hat das Gesundheitsministerium eine ganze Reihe von Studien eingestellt, die die Gründe hinter der immer weiter verbreiteten Impfmüdigkeit untersuchen. Unter dem impfskeptischen Gesundheitsminister Robert F. Kennedy war diese Entwicklung zu erwarten.
Seit ihrem Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben die USA ausserdem aufgehört, Informationen über zirkulierende Grippeviren mit dem Rest der Welt zu teilen. Das schränkt Forscher darin ein, die jährliche Grippeimpfung bestmöglich auf die aktuellen Virusvarianten abzustimmen. Und Komitees, die zu Impffragen beraten sollten, fanden ihre Treffen zuletzt auf unbestimmte Zeit vertagt.
Diese Anti-Impf-Agenda wirkt auf viele Beobachter aus der Wissenschaft besonders stossend. Denn in den USA gibt es gegenwärtig einen starken Ausbruch von Vogelgrippe in Milchkühen, und im Süden des Landes hat ein Masern-Ausbruch bereits zwei Tote gefordert.
Doge setzt die Kettensäge an
Noch weit mehr Schaden als die erwähnten Massnahmen könnten Beschlüsse der US-Regierung anrichten, die gar nicht primär auf die Wissenschaft abzielen.
So hat die Regierung Trump getreu seiner Maxime «America First» die Aktivitäten der Entwicklungsbehörde USAID grösstenteils eingestellt. Neben zahlreichen anderen Tätigkeiten fördert USAID viele Forschungsprojekte im Gesundheitsbereich. Studien zur HIV-Prävention, die Entwicklung einer Malaria-Impfung, aber auch landwirtschaftliche Forschung wurden nun plötzlich eingestampft.
Noch mehr Schaden in der Wissenschaft richtet Elon Musks Behörde für mehr Effizienz in der Verwaltung an – das Department of Government Efficiency (Doge). Sie geht mit grossem Eifer gegen angeblich unnötige Ausgaben vor und hat bei vielen Forschungsbehörden radikale Kürzungen angeordnet.
Doch die Steigerung von Effizienz ist laut Anthony Mills nur eine vorgeschobene Motivation. Mills ist Direktor des Center for Technology, Science and Energy in der konservativen Denkfabrik American Enterprise Institute in Washington und hat sich eingehend mit den Regierungsplänen der Republikaner befasst.
«Ich glaube nicht, dass das primäre Ziel die Kostensenkung ist», sagt er. «Es geht um Bestrafung und politische Kontrolle von Institutionen, die als ideologisch korrumpiert wahrgenommen werden.» Das gilt zum Beispiel für die Universitäten, die ein perfektes Ziel für das gegen die «Eliten» gerichtete tiefe Misstrauen vieler Trump-Befürworter sind.
Trump sieht in Universitäten viel linke Ideologie
Besonders deutlich zeigt das der Fall der renommierten Columbia University in New York. Auf ihrem Campus fanden in der Folge des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 viele antiisraelische Proteste statt. Jetzt hat die Regierung Trump der Universität 400 Millionen Dollar an staatlicher Unterstützung gestrichen, weil sie ihre jüdischen Studenten zu wenig geschützt habe. Die Gesamtausgaben im Jahr 2024 betrugen 6,6 Milliarden Dollar.
Die Regierung nutzt die gestrichenen staatlichen Gelder nun als Druckmittel. Wenn die Universität sie zurückhaben wolle, müsse sie sich den Forderungen der Regierung beugen. Dazu gehört, dass sich die Abteilung für Nahost-, Südasien- und Afrikastudien fünf Jahre lang nicht selbst verwalten darf. Die Führung der Universität räumte inzwischen Fehler ein und kündigte eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Bundesbehörden an.
Das Misstrauen richtet sich aber ebenso gegen nationale Behörden. In einem Bericht schrieb der republikanische Senator Ted Cruz im Oktober, die nationale Forschungsbehörde NSF gebe ein Viertel ihres Budgets aus für «linksideologische Kreuzzüge, getarnt als ‹wissenschaftliche Forschung›». Nun wurden Ende Februar an einem einzigen Morgen 10 Prozent der Mitarbeiter des NSF entlassen. Wie das Magazin «Wired» berichtet, soll bei Verträgen einiger Mitarbeiter sogar nachträglich die Probezeit auf zwei Jahre verlängert worden sein – nur um die entsprechenden Mitarbeiter dann unkompliziert entlassen zu können.
Die Regierung limitiert die Geldmittel auf Umwegen
Ein ähnlich schlechtes Bild scheint Trump von der nationalen Gesundheitsbehörde NIH zu haben. Denn seine Regierung versucht derzeit mit allen Mitteln zu verhindern, dass die Behörde das ihr zugesprochene Budget auch tatsächlich an Forschungsprojekte verteilt.
Per Executive Order hatte Trump schon Ende Januar die Gelder der NIH eingefroren. Als ein Gericht die Anordnung als unrechtmässig aushebelte, fand die Regierung kurzerhand ein legales Schlupfloch. Sie verbietet der Gesundheitsbehörde derzeit, ihren Kalender zu veröffentlichen. Darin kündigt der NIH offiziell an, wann die Treffen stattfinden, bei denen über die Vergabe von Geldern diskutiert wird. Ohne eine offizielle Ankündigung mindestens zwei Wochen vorher dürfen solche Treffen nicht stattfinden. Kein Kalender bedeutet also keine Treffen. Keine Treffen bedeuten keine Mittel für die Wissenschafter.
Das NIH gehört zu den grössten Geldgebern für medizinische Forschung weltweit. Die Gesundheitsbehörde hat zum Beispiel die Entwicklung von 354 der insgesamt 356 zwischen 2010 und 2019 in den USA neu zugelassenen Medikamenten finanziell unterstützt.
Die Regierung will die Gelder der Behörde auch noch mit einem zweiten Trick einschränken, ohne ihr offizielles Budget anzutasten. Dazu schraubt sie am Verhältnis zwischen sogenannten «direkten» und «indirekten» Kosten.
Unter die indirekten Kosten von Forschungsinstituten gehören die Kosten für die Gebäude und Labore, den Strom, die Abfallversorgung und die Verwaltung. Kurz: alles, was es braucht, um den wissenschaftlichen Betrieb überhaupt zu ermöglichen. Diese indirekten Kosten betragen gewöhnlich etwa ein Viertel bis ein Drittel der direkten Kosten. Bei Universitäten, die besonders aufwendige Forschung betreiben, können es auch 60 Prozent und mehr sein.
Doch laut konservativen Kräften finanzieren diese Zahlungen eine «linke Agenda». So steht es im sogenannten «Project 2025», einem von konservativen Gruppen entworfenen Dokument mit Vorschlägen für die Regierungsführung unter Trump. Der Anteil indirekter Kosten solle auf maximal 15 Prozent reduziert werden. Eine Empfehlung, der die Regierung nun gefolgt ist. Voraussichtlich können so jedes Jahr 4 Milliarden Dollar eingespart werden. Gelder, die den Wissenschaftern letztlich fehlen.
Can you believe that universities with tens of billions in endowments were siphoning off 60% of research award money for “overhead”?
What a ripoff! https://t.co/RRTIMKTVYN
— Elon Musk (@elonmusk) February 8, 2025
Das Vertrauen zwischen Forschern und Staat ist beschädigt
Es gibt durchaus Widerstand gegen die aggressiven Kürzungen der Regierung. Einige der Beschlüsse werden derzeit vor Gericht angefochten, andere wurden bereits aufgehalten oder pausiert. Ein Teil der entlassenen Wissenschafter durfte bereits nach wenigen Tagen wieder zu ihrem Job zurückkehren.
Für die langfristigen Auswirkungen auf die Wissenschaft wird ausserdem entscheidend sein, welches Budget den Forschungsbehörden in Zukunft zur Verfügung steht. Diese Entscheidung fällt jedoch nicht die Regierung, sondern der Kongress. In der Vergangenheit haben dort Politiker beider Parteien insbesondere die medizinische Forschung unterstützt. So hat der Kongress etwa während Trumps erster Amtszeit die von der Regierung vorgeschlagenen Kürzungen in der Wissenschaft abgelehnt.
Dennoch hat die amerikanische Wissenschaft bereits Schaden genommen. Eine grosse Frage sei jetzt, ob diese Schäden irreparabel seien, sagt Mills. Werden die Forschungsinstitutionen in der Lage sein, sich anzupassen? Und kann verlorenes Vertrauen wieder aufgebaut werden?
Ausserhalb der USA fragt man sich zunehmend, ob das Land im Wissenschaftsbereich weiterhin ein zuverlässiger Partner ist. «Wäre ich ein europäischer Forscher, würde ich mir die Zusammenarbeit mit US-Forschern zweimal überlegen», sagt der Politikberater Koizumi. «Denn es ist jederzeit möglich, dass die Unterstützung mitten im Projekt abgezogen wird.»
Manche europäische Universitäten versuchen die Gunst der Stunde zu nutzen und bieten amerikanischen Forschern an, nach Europa zu wechseln. Ob diese Angebote auf Anklang stossen werden, dürfte entscheidend vom weiteren Verlauf des ruppigen Kürzungskurses abhängen, den die Regierung Trump verfolgt.
Mitarbeit: Michael Brendler.