Körperliche Strapazen und psychische Folter: Das ist der Barkley Marathon. Der Lauf ist Kult – nicht zuletzt wegen eines Mannes, der das Rennen erbarmungslos auf X kommentiert.
Elon Musk hat seinen Ruf bekanntlich ruiniert. Bei vielen seiner einstigen Kunden gilt: Tesla verkauft, X gelöscht, schon ist das eigene Gewissen beruhigt. Seit Musk im Oktober 2022 die Plattform Twitter übernahm und in X umbenannte, haben sich Heerscharen von Nutzerinnen und Nutzern verabschiedet.
Keith Dunn, ein 65 Jahre alter Amerikaner, ist geblieben. Auf X wird er während ein paar Tagen pro Jahr zum Social-Media-Star. Dunn, ein kleiner Mann mit dunkler Brille und leicht violett getöntem Haar, ist das Sprachrohr des Barkley-Marathons, des brutalsten Ultralaufs der Welt.
Der Barkley findet in der Wildnis von Tennessee statt. Wer als Finisher gelten will, muss fünf Runden à 20 Meilen absolvieren, das sind 160 Kilometer. Pro Runde haben die Läuferinnen und Läufer zwölf Stunden Zeit, wer zu spät kommt, scheidet aus.
After multiple failed attempts, the conch was blown at 10:37. The 2025 Barkley Marathons begins in one hour. #BM100. pic.twitter.com/oFAdsCgSir
— Keith (@keithdunn) March 18, 2025
«Die Läufer sollten ihren Frieden mit Gott machen»
99 Prozent der Teilnehmenden scheitern. Es gibt keine vorgegebene Strecke, keine ausgebauten Wege. Das Rennen hat keine Website und schon gar keinen Live-Ticker. Und das ländliche Tennessee ist im März als Destination wenig reizvoll. Hier kommt Dunn ins Spiel. Auf X kommentiert er den Barkley mit kurzen, spöttischen Nachrichten: «Noch eine Minute bis zum Start. Die Läufer sollten ihren Frieden mit Gott machen.»
Der Barkley ist Kult. Das liegt auch daran, dass der Lauf nebst körperlichen Strapazen auch psychische Folter bedeutet. Der Zeitpunkt des Startes ist zum Beispiel geheim. Irgendwann bläst ein Organisator in eine Muschel, das ist das Signal, dass noch eine Stunde bis zum Beginn bleibt.
In der Wildnis müssen die Teilnehmer dreizehn Punkte anlaufen. Zur Orientierung sind eine Wanderkarte und ein Kompass erlaubt. Dieses Jahr tun sich die Läufer schwer, irren durch den Wald. Dunn sieht das anders: «Dies ist die am besten markierte Strecke aller Zeiten. Wie viel einfacher kann es noch werden?»
«Das Menschenopfer lebt noch»
Acht Stunden nach dem Start rapportiert Dunn, der erste Läufer habe aufgegeben. «Er hat sich dem Trompeter gestellt.» Wer am Barkley aufgibt, für den ertönt Taps. Das Trompetensignal entstammt der Trauerzeremonie für gefallene amerikanische Soldaten.
«Das Menschenopfer lebt und ist zurück im Camp», schreibt Dunn. Die Organisatoren vergeben die Startnummer 1 jeweils an die Person, die sie für am schwächsten im Feld der vierzig Teilnehmenden halten, und nennen sie Menschenopfer. Ein Nackenschlag kurz vor dem Start.
Es kommt am Barkley vor, dass sich Läufer verirren. Auch in diesem Jahr. Dunn nimmt es gelassen: «Wir haben erfahren, dass jemand den Highway 62 entlangrennt.» Diese Strasse ist über 10 Kilometer von der Strecke entfernt.
Seit dem ersten Tweet sind über dreissig Stunden vergangen. Dunn: «80 km/h Wind. Wo auch immer sie sind, es wird heftig. Das ist der Barkley.» Und dann, wenig später: «Der Barkley-Marathon 2025 ist vorbei. Es gibt keine Finisher.» Niemand hat mehr als drei Runden geschafft.
Dunn hat Tag und Nacht getwittert, 91 Nachrichten abgesetzt, 25 000 Follower gewonnen. Nun verschwindet er wieder in der Versenkung des Internets – bis zum nächsten Barkley.
The human sacrifice lives! And has returned to camp. #BM100
— Keith (@keithdunn) March 19, 2025