Die USA belegen Liechtenstein überraschend mit noch höheren Strafzöllen als die Schweiz. Erbprinz Alois sagt im Gespräch, was das für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern heisst – und warum Kleinstaaten möglichst unabhängig bleiben müssen.
Durchlaucht, die USA belegen Liechtenstein mit Zöllen von 37 Prozent – sie sind noch höher als jene für die Schweiz. Das hat niemand erwartet.
Dass auch Liechtenstein von der Einführung neuer Zölle betroffen sein würde, war zu erwarten, überraschend ist die Höhe.
Das Verhältnis von Liechtenstein zu den USA war immer eng, auch in der ersten Amtszeit von Donald Trump. Was ist nun passiert?
Das Verhältnis von Liechtenstein und den USA ist auch weiterhin eng und an den ausgezeichneten bilateralen Beziehungen unserer beiden Länder hat sich grundsätzlich nichts geändert. Die Einführung von Zöllen ist eine handelstechnische Massnahme der USA, die alle Staaten trifft. Wir werden unseren Austausch mit Washington weiterhin intensiv pflegen, nicht zuletzt, um konstruktive Lösungen in dieser schwierigen Situation zu finden.
Dabei ist Liechtenstein in den USA ein bedeutender Investor. Liechtensteinische Unternehmen beschäftigen dort 7000 Arbeitskräfte – Ihr Land hat 40 000 Einwohner. Sie haben hier das beste Verhältnis weltweit.
Das ist richtig. Dass unsere Handelsbeziehungen immer auch Investitionen in die amerikanische Wirtschaft ausgelöst und Arbeitsplätze geschaffen haben, wurde aber vermutlich bei dem global angelegten Vorgehen nicht berücksichtigt.
Trumps Zollpolitik zeigt, dass Liechtenstein als Finanzplatz und Exportland stark exponiert ist.
Deshalb arbeiten wir immer auch intensiv an unseren bilateralen Beziehungen. International zeigt sich ohnehin wieder eine Tendenz zum Bilateralismus. Wir investieren in die Cybersicherheit und setzen auf eine konsequente Sanktionspolitik, damit Liechtenstein nicht für Umgehungsgeschäfte genutzt wird. Für unsere Exportindustrie ist entscheidend, dass der Zugang zu den Märkten offenbleibt, auch wenn sich jetzt die Rahmenbedingungen drastisch verändern werden.
Das Fürstenhaus ist auch selbst in den USA investiert. Was ändert sich hier?
Unser Engagement in den USA bleibt unverändert. Wir haben Beteiligungen im Finanz- und Landwirtschaftssektor. Wir betreiben zwar keine eigenen landwirtschaftlichen Betriebe, aber wir sind im Saatgutgeschäft mit Reis aktiv.
Sie haben die Regierungsgeschäfte vor zwanzig Jahren übernommen. Seither hat sich die Welt fundamental gewandelt. Wie schützt man einen Kleinstaat in solchen Zeiten?
Am besten, indem man eine nachvollziehbare Aussenpolitik verfolgt und mit möglichst vielen Staaten gute Beziehungen pflegt.
Auch mit Autokratien?
Grundsätzlich versuchen wir auch mit Staaten gute Beziehungen zu pflegen, die nicht in unser Wertesystem passen. Gerade kleine Staaten können vermitteln, wenn sie nicht bestimmten Lagern zugeordnet werden. Dies ändert nichts an der Unentbehrlichkeit unserer eigenen Werte und Prinzipien, und wenn gegen das Völkerrecht verstossen wird, benennen wir das klar.
Haben Sie manchmal den Eindruck, dass Liechtenstein nicht ernst genommen wird?
Nein, diesen Eindruck habe ich nicht. Als Kleinstaat kann Liechtenstein bilateral zwar nicht viel Gewicht in die Waagschale werfen, im multilateralen Kontext sieht es aber anders aus. Deshalb ist es für uns entscheidend, dass sich alle an international anerkannte Regeln halten und der Grundsatz der souveränen Gleichheit weiterhin gilt. Aus dem gleichen Grund sind wir auch in internationalen Organisationen sehr aktiv und spielen eine eigenständige Rolle, die auch positiv wahrgenommen wird. Wir wollen damit unsere Souveränität nicht nur formell absichern, sondern auch, indem wir uns auch als aktives Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft zeigen und einbringen. In der Uno haben wir beispielsweise mit der Veto-Initiative ein Instrument angestossen, das ständige Sicherheitsratsmitglieder zu mehr Rechenschaft verpflichtet. Das hat uns internationale Anerkennung verschafft.
Der Leiter der liechtensteinischen Uno-Mission in Genf, Frank Büchel, glaubt, kleinere Länder hätten es künftig schwerer, keine Position zu beziehen.
Wir haben schon in der Vergangenheit durchaus Stellung genommen und uns um eine Positionierung bemüht, wenn sich das Anliegen mit den Grundsätzen unserer Aussenpolitik deckte und mit gleichgesinnten Staaten koordiniert werden konnte. So haben wir beispielsweise im Europarat das Schadensregister für die Ukraine mit aufgebaut und haben in den Verhandlungen zur Schaffung eines Sondertribunals eine sehr aktive Rolle gespielt. Diese Politik werden wir auch künftig verfolgen.
Ist Liechtenstein ein Gegenbeweis zur These, nur grosse Staatengebilde hätten eine Zukunft?
Kleinstaaten können erfolgreich sein, wenn sie gut organisiert sind. Aber sie haben winzige Heimmärkte. Deshalb sind sie auf offene Märkte angewiesen. Staaten mit grossen Heimmärkten haben manchmal Mühe zu sehen, dass Freihandel kein Nullsummenspiel ist. In Liechtenstein muss ich das niemandem erklären. Wenn unsere Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen nur in Liechtenstein verkaufen könnten, wären wir bald wieder ein verarmter Bergbauernstaat.
Mit wenigen international tätigen Firmen haben Sie auch ein gewisses Klumpenrisiko.
Als Kleinstaat kann man nur eine hochentwickelte Volkswirtschaft betreiben, wenn man ein paar wenige Produkte und Dienstleistungen anbietet, die auf dem Weltmarkt mithalten können. Deshalb ist es nicht überraschend, dass wir weltweit die höchste Quote haben, was Investitionen in Innovationen angeht. 6,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts werden in Liechtenstein für Forschung und Entwicklung ausgegeben.
Aber diese Innovationskraft ist ohne die internationalen Beziehungen nicht viel wert.
Ja, kleine Staaten waren schon immer gezwungen, verhältnismässig offen zu sein. Wir hatten aber auch Glück: Wir sind von freundlichen Nachbarn umgeben, die selbst hochentwickelt sind. So kann man sich effizienter organisieren und eng zusammenarbeiten. Für 40 000 Einwohner ist es nicht sinnvoll, ein Spital oder eine Universität mit einem kompletten Angebot zu betreiben. Es ist besser, man bezahlt den Nachbarn dafür, zumal sie selbst dann ihre Infrastruktur besser auslasten können. Es ist auch nicht sinnvoll, an der Universität alle denkbaren Fächer anzubieten. Da machen wir es wie die kleinen Schweizer Kantone und zahlen den Uni-Kantonen für unsere Studenten einen Beitrag.
Die Schweiz hat ein neues Abkommen mit der EU ausgehandelt. Liechtenstein ist durch den Zollvertrag mit der Schweiz direkt betroffen. Wie positionieren Sie sich?
Der gegenwärtige Vorschlag bietet die Möglichkeit, auf dem jetzigen Weg weiterzugehen. Ich schliesse aber nicht aus, dass auch eine Alternative für uns funktionieren würde. Diese liegt allerdings nicht auf dem Tisch. Die Frage ist, wie gross dann der Spielraum ist, um auf uns Rücksicht nehmen zu können.
Angenommen, die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU verschlechtern sich: Wäre der EU-Beitritt für Liechtenstein eine Option?
So wie die EU jetzt organisiert ist, wäre eine Mitgliedschaft für uns als Kleinstaat mit 40 000 Einwohnern eine Herausforderung. Für uns ist die Lösung mit EWR und Zollvertrag massgeschneidert.
Sie übernehmen aber schon jetzt über den EWR viele EU-Regeln, die nicht auf Sie zugeschnitten sind.
Das stimmt. Der EWR ist tatsächlich vor allem für grössere Staaten geschaffen. Und viele Regularien sind von der EU vorgegeben. Wir übernehmen nicht alles mit Begeisterung. Aber auch über den Zollvertrag mit der Schweiz müssen wir Regeln übernehmen, die nicht auf uns zugeschnitten sind. Darum ist es wichtig, dass die Kleinen mitreden. Je effizienter die Regeln, desto besser auch für die grossen Staaten. Insgesamt profitieren wir aber stark vom EWR.
Der Brexit hat dem EWR geschadet.
Wir haben das sehr bedauert. Alle hätten profitiert, wenn Grossbritannien geblieben wäre. Wir haben neue Verträge mit Grossbritannien abgeschlossen, aber das ist nicht dasselbe.
Eine Studie von Zukunft.li fordert unter anderem deshalb mehr Einsatz für die Standortattraktivität, um global wettbewerbsfähig zu bleiben.
Unser Standort ist attraktiv, das Interesse der Investoren ist ungebrochen. Unser Hauptproblem ist der ausgetrocknete Arbeitsmarkt. Ausserdem arbeiten wir an noch mehr Freihandelsabkommen und Doppelbesteuerungsabkommen. Man kann einen Standort aber auch verbessern, indem man die Organisation der Verwaltung überdenkt. In welchen Bereichen haben wir zu viel Personal? Können wir es besser einsetzen? Können wir gezielter regulieren? Wir müssen die Verwaltung stärker digitalisieren, damit die Prozesse effizienter werden. Und wir müssen in Bildung und Forschung investieren, insbesondere hinsichtlich der Entwicklung mit der künstlichen Intelligenz.
Liechtenstein ist die einzige Monarchie Europas, in der das Volk den Fürsten absetzen kann. Ist das Land heute eine Monarchie mit demokratischen Elementen oder eine Republik mit einer geduldeten Monarchie?
Wir sind eine repräsentative Demokratie mit einem starken monarchischen und einem starken direkt-demokratischen Element. Diese Kombination ist weltweit einzigartig. Das monarchische Element sichert dem Land eine langfristige Ausrichtung der Politik. Es steht über der Politik und den Parteien und kann zwischen diesen vermitteln. Die Monarchie ist auch identitätsstiftend. Die direkte Demokratie wiederum sorgt für eine grosse Bürgernähe, ein Modell, das man auch aus der Schweiz kennt. In Liechtenstein gilt diese Rechenschaftspflicht nicht nur für die gewählten Vertreter. Auch der Monarch muss das Vertrauen der Bevölkerung wahren. Tut er das nicht, droht nicht nur seine Absetzung, sondern letztlich das Ende der Monarchie.
Sie müssen also selbst für die Legitimation der Monarchie sorgen?
Ja. Würde ich regelmässig gegen die Interessen des Volkes handeln oder mich ständig überall einmischen, hätte ich bald ein Problem. Deshalb haben wir diese Aufgabenteilung: Die Regierung ist für das Tagesgeschäft zuständig, das Fürstenhaus bringt sich bei strategischen Themen ein.
Ist diese Staatsform noch zeitgemäss?
Ja. Diese Frage haben wir bei der letzten Verfassungsrevision 2003, die in einer Volksabstimmung mit über zwei Dritteln angenommen wurde, diskutiert. Ich sehe keinen Bedarf für eine Änderung.
Das Fürstenhaus Liechtenstein ist eine der politisch aktivsten Monarchien in Europa. Gibt es keine Überlegungen zu einem sanften Rückzug?
Es gibt Monarchien, die politisch aktiver sind als Liechtenstein, etwa Monaco. In anderen Ländern agiert der Monarch eher hinter den Kulissen. In Belgien war der König kürzlich wieder mit der Regierungsbildung beschäftigt. Ich konzentriere mich darauf, in meinen Ansprachen gewisse Anstösse zu geben, zum Beispiel zur demografischen Entwicklung, insbesondere betreffend die Pensions- und Gesundheitsvorsorge.
Macht die Monarchie den Staat effizienter?
Ja, wenn dies der persönlichen Haltung des Monarchen entspricht. Mein Grossvater Franz Josef II. und mein Vater Hans-Adam II. haben regelmässig hinterfragt, was Staatsaufgaben sein sollen. Auch ich thematisiere dies in Ansprachen oder Interviews immer wieder, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der technologischen Entwicklung. Ausserdem besteht in der Bevölkerung ein Bewusstsein für den effizienten Staat. Wir pflegen da eine ähnliche Mentalität wie in der Schweiz: Bevor Geld ausgegeben wird, muss es der Staat zuerst einnehmen. Diese Haltung beugt Bürokratie vor.
Task-Force mit begrenzten Möglichkeiten
art. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein ist der älteste Sohn von Fürst Hans-Adam II. und Thronfolger. Seit 2004 nimmt er als Stellvertreter seines Vaters die Aufgaben des Staatsoberhauptes des Fürstentums Liechtenstein wahr. Seit dem Zollvertrag von 1923 bilden Liechtenstein und die Schweiz ein einheitliches Zollgebiet. Umso überraschender war, dass die USA dem Kleinstaat mit noch höheren Zöllen als der Schweiz drohen. Die liechtensteinische Regierung hat eine Task-Force eingesetzt, um mögliche Handlungsoptionen zu prüfen. Gross ist der Spielraum aufgrund des Zollvertrags allerdings nicht. Die Regierung will sich deshalb eng mit der Schweiz absprechen. Die USA sind Liechtensteins wichtigster aussereuropäischer Wirtschaftspartner. Die liechtensteinischen Direktinvestitionen in den USA belaufen sich gemäss offiziellen Berechnungen auf 1,4 Milliarden Franken und damit auf das 3,5-Fache der Investitionen von amerikanischen Firmen in Liechtenstein.