Noch ist es zu früh, um von einem Durchbruch zu reden: Doch bei einem Treffen hat der italienische Innenminister Gesprächsbereitschaft in einer alten Streitfrage signalisiert.
Zwei Jahre ist es inzwischen her, seit Italien die Rückübernahme von sogenannten Dublin-Fällen aus der Schweiz und aus anderen europäischen Staaten suspendiert hatte. Das Dublin-Abkommen regelt, welcher Staat für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständig ist. Danach ist jeder Staat verpflichtet, Personen zurückzunehmen, die auf seinem Gebiet bereits ein Asylgesuch gestellt hat. Doch im Dezember 2022 kündigte Italien an, wegen der grossen Zahl der ankommenden Flüchtlinge keine solchen Dublin-Fälle zurückzunehmen.
Während zwei Jahren hatten das Justiz- und Polizeidepartement sowie das Aussendepartement vergeblich versucht, Italien zu einem Umdenken zu bewegen. Die Bemühungen verliefen im Sande – bis offenbar am Dienstag. Anlässlich eines Arbeitstreffens mit Bundesrat Beat Jans in Chiasso kündigte der italienische Minister Matteo Piantedosi vor den Medien an, zu Gesprächen über die Wiederaufnahme von Dublin-Überstellungen bereit zu sein. Das teilte das EJPD nach dem Treffen in einer Medienmitteilung mit.
Bemerkenswerte Ankündigung
Seit Dezember 2022 ist die Zuständigkeit als Folge des Rückübernahmestopps für insgesamt 1219 Personen, die in Italien ein Gesuch gestellt haben, auf die Schweiz übergegangen. Das erklärte das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Anfrage. Die Zuständigkeit wechselt in der Regel nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten. Bei wie vielen Asylbewerbern diese Frist noch nicht abgelaufen ist, konnte das SEM nicht sagen. Nur solche Personen müsste Italien nach einer allfälligen Aufhebung der Stopps wieder zurücknehmen.
Dennoch ist die Ankündigung bemerkenswert: Seit Monaten war das Dublin-System in der Krise und kam in ganz Europa kaum mehr aus den Schlagzeilen, jedoch scheint sich nun ein Schritt in Richtung Normalisierung abzuzeichnen. Piantedosi habe die Gesprächsbereitschaft mit dem Rückgang der Asylzahlen in Italien sowie mit dem EU-Migrations- und Asylpakt begründet, schreibt das EJPD in einer Medienmitteilung. Der EU-Pakt soll 2026 umgesetzt werden, mit dem Ziel, die EU-Aussengrenzen besser zu sichern und die Länder an den EU-Aussengrenzen zu entlasten.
Weniger Migranten kommen nach Italien
Die Nachricht zeigt, wie stark die Lage im Asylbereich auch in der Schweiz von der migrationspolitischen Entwicklung in ganz Europa abhängig ist. So ist der Rückgang der Asylzahlen in Italien nicht zuletzt auf Abkommen des Landes mit Tunesien und Libyen zurückzuführen, welche zur Eindämmung der irregulären Migration aus den nordafrikanischen Staaten beitragen sollen. Dies hat bereits zu einer spürbaren Entlastung geführt: Heute erreichen viel weniger Migranten die italienische Küste. Das wirkt sich im Übrigen auch auf die Schweizer Asylzahlen aus.
Gleichzeitig wird Italien vom EU-Migrations- und Asylpakt nur profitieren können, wenn es seine Verpflichtungen selbst ebenfalls wahrnimmt. Der EU-Pakt führt erstmals einen verbindlichen Solidaritätsmechanismus ein, mit dem sich die EU-Mitgliedstaaten gegenseitig unterstützen. Damit sollen Staaten, die unter besonderem Migrationsdruck stehen – wie die Länder an den EU-Aussengrenzen – entlastet werden. Die EU erwartet von den betreffenden Staaten allerdings Kooperationsbereitschaft.
Überraschend ist, dass Italien bereits mehr als ein Jahr vor der geplanten Umsetzung des neuen Migrations- und Asylpaktes nun erstmals Einlenken signalisiert. Noch ist es zu früh, um von einem Durchbruch zu sprechen. Piantedosi hat vorerst nur die Bereitschaft zu weiteren Gesprächen über dieses Thema in Aussicht gestellt. Diese sollen im kommenden Jahr in Rom stattfinden, wie das EJPD schreibt. Doch für Jans ist schon dies ein kleiner Erfolg in seinem wichtigsten Dossier.