Die kostenlosen Entsorgungscoupons sind Geschichte. Die Abfallgebühren sinken deshalb aber nicht – eher im Gegenteil.
Seit einer Woche ist klar: Die kostenlosen Entsorgungscoupons der Stadt Zürich für Sperrmüll sind Geschichte. Mit den Coupons habe man den meisten Haushalten etwas geschenkt, was gar nicht gefragt gewesen sei, so argumentierte Simone Brander, SP-Stadträtin und oberste Chefin von Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ), im September im Zürcher Gemeinderat.
Bis anhin verschenkte die Stadt Zürich jedes Jahr rund eine Million Entsorgungscoupons: Alle 250 000 Haushalte bekamen vier Stück. Diese berechtigten dazu, je 100 Kilogramm Sperrmüll zu entsorgen. Zusammen hatten diese Coupons einen Nennwert von 21 Millionen Franken. Eingelöst wurden pro Jahr aber nur Coupons im Wert von 2 Millionen Franken.
Wenn es die Coupons nicht mehr gibt, könnte ERZ diese 2 Millionen einsparen und als Mehreinnahmen verbuchen. Es ist aber nicht damit zu rechnen, dass diese Mehreinnahmen an die Bevölkerung in Form von tieferen Abfallgebühren weitergegeben werden.
Im Gegenteil, es steht bereits heute fest: Irgendwann werden Abfallsäcke und Entsorgungen für Zürcherinnen und Zürcher wieder teurer. Unklar ist allein noch der Zeitpunkt des Aufschlags.
Mehreinnahmen dämpfen allfällige Verteuerung
Voraussetzung für die Rechnung mit den 2 Millionen Mehreinnahmen sei, dass die Entsorgungen überhaupt «auf gleichem Niveau» blieben wie bis anhin. Dies schreibt ERZ auf Anfrage der NZZ.
Denkbar ist demnach auch, dass sich die Bevölkerung wegen der fehlenden Coupons verstärkt für «Weiterverwendung, Reparatur oder Upcycling ihrer Artikel» entscheidet. Damit würden die Mehreinnahmen tiefer ausfallen oder gar vollständig wegfallen. Es ist also nicht damit zu rechnen, dass plötzlich mehr Geld da ist.
Zudem betont ERZ, dass der Gesamterlös im Bereich Abfall bei ERZ rund 100 Millionen Franken pro Jahr betrage. 2 Millionen machten da also ohnehin nur einen geringen Unterschied.
Die nächste Prüfung der Gebühren steht 2026 an. Doch auch wenn es tatsächlich zu Mehreinnahmen kommt, werden die Grundgebühren kaum sinken. Sie würden laut ERZ nur weniger stark steigen als geplant. Die Grundgebühren müssten «weniger angehoben werden» als mit dem Couponsystem.
Das klingt ganz danach, dass Abfall und Entsorgung ohnehin teurer werden. Tatsächlich gehen die heutigen Gebühren auf die Totalrevision der städtischen Abfallverordnung von 2022 zurück. Damals wechselten die Züri-Säcke auch ihre Farbe. Die strahlend weissen verschwanden und wichen den heutigen in kräftigem Züri-Blau.
Statt 1 Franken 70 beträgt die Abfallgebühr pro 35-Liter-Sack seither nur noch 1 Franken 30. Zudem wurden die Grundgebühren für Private gesenkt. Unternehmen mit mehr als 250 Vollzeitstellen zahlen gar keine Grundgebühr mehr.
Die Gebühren seien damals so tief angesetzt worden, «dass sie den Finanzbedarf nicht decken», schreibt ERZ. Das Ziel der Preissenkung habe bloss darin bestanden, die Reserven von ERZ zu reduzieren. Sobald dieses Ziel in Sichtweite ist, dürften die Gebühren also wieder steigen – so weit, dass sie zumindest die Kosten des Entsorgungswesens zu decken vermögen.
Die Einnahmen aus den verschwindenden Coupons dämpfen also bloss die ohnehin bevorstehende Verteuerung – und auch das nur in geringfügigem Ausmass.
Seit 2013 ein emotionales Thema
Der Kostensenkung von 2023 war eine jahrelange Debatte über die Abfallgebühren in der Stadt Zürich vorangegangen. Diese wurde so emotional geführt, dass parteipolitische Grenzen für einmal an Bedeutung verloren. Am Ende setzte sich eine seltene Allianz der linken AL und der bürgerlichen FDP durch.
Vertreter dieser beiden Parteien hatten schon 2013 festgestellt, dass Entsorgung und Recycling Zürich auf Reserven von damals 133,9 Millionen Franken sass. Das bedeutete in den Augen der Parlamentarier nichts anderes, als dass die Zürcherinnen und Zürcher zu viel fürs Recycling zahlten. Und diesen Missstand schickten sie sich zu korrigieren an.
Dieses Vorhaben erwies sich als eine langwierige Angelegenheit. Zunächst wurde aus dem Vorschlag nämlich nichts. Auch nach einem zweiten Anlauf 2016 blieben die Abfallgebühren, wie sie waren.
Vielleicht bleiben die Coupons ja doch
Erst 2021 fanden die Gemeinderäte Andreas Kirstein (AL) und Albert Leiser (FDP) eine politische Mehrheit für ein Ansuchen, das sie erstmals 2017 formuliert hatten und das mehrere Male vertagt worden war. In der Zwischenzeit waren die Reserven von ERZ auf 255 Millionen Franken angewachsen.
Das Resultat von Kirsteins und Leisers Beharrlichkeit, die Umstellung zur Jahreswende 2022/23, war also eine Art Meilenstein der Zürcher Entsorgungspolitik.
Doch abgeschlossen ist das Thema damit noch längst nicht.
Denn im Stadtparlament sind noch nicht alle über die Abschaffung der Entsorgungscoupons hinweg. Während der Weisungsdebatte in der zuständigen Kommission könnte es also weitere Versuche geben, die Coupons zumindest vorübergehend wieder einzuführen. Ob das gelingt und was dies für die künftigen Abfallgrundgebühren bedeuten würde, vermag noch niemand zu sagen.