Der Fackelwurf und die Ausschreitungen in Winterthur fallen in eine Zeit der kollektiven Ratlosigkeit.
Der Schweizer Fussball produziert in grosser Regelmässigkeit unschöne Szenen. Vergangenen Sonntag war es abermals so weit. Im Cup-Halbfinal zwischen dem FC Winterthur und Servette Genf stürmten teilweise vermummte Anhänger beider Mannschaften das Spielfeld.
Zwei Genfer Chaoten warfen über 2000 Grad heisse Seenotfackeln in Richtung Tribüne, ein Geschoss traf Zuschauer. Es ist nur Glück zu verdanken, dass die Getroffenen nicht verletzt wurden. Auch beim Winterthurer Bahnhof wüteten die militanten Genfer Ultras. Sie zündeten Pyros und griffen Einsatzkräfte der Polizei an.
Was tun gegen solche Exzesse im Fussball, gegen das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Politik, Polizei und Krawallbrüdern, das sich in lähmender Regelmässigkeit wiederholt?
Die jüngsten Vorkommnisse fallen in eine Zeit der kollektiven Ratlosigkeit. Denn die Politik steht im Kampf gegen Fangewalt vor einem Scherbenhaufen.
Die Kantone und Städte hatten jüngst eine härtere Gangart angekündigt. Die Fussballliga aber wollte von gemeinsamen Sanktionen gegen Hooliganismus bald nichts mehr wissen. Das Kaskadenmodell, das abgestufte Massnahmen vorsah, wurde von den Fussballvereinen boykottiert. Der Massnahmenkatalog reichte von geschlossenen Stadion-Sektoren bis hin zu Geisterspielen als Ultima Ratio.
Tatsächlich haben derlei Kollektivstrafen einen gewichtigen Haken: Sie treffen nicht nur die Gewalttäter, sondern auch alle anderen Fans. Im schlimmsten Fall führen die Kollektivstrafen dazu, dass sich die harmlosen Fans mit den gewaltbereiten Ultras solidarisieren.
Das Kaskadenmodell war in der Realität zudem nur schwer durchsetzbar. Die Störefriede kauften sich einfach Tickets für andere Sektoren. Doch so machtlos sich die Behörden erwiesen, so verantwortungslos handelte die Liga mit ihrem Ausstieg aus dem Modell.
Denn das Signal war verheerend: Die Liga und die Klubs kuschen vor dem Druck der gewaltbereiten Fans.
Natürlich gibt es keine einfachen Lösungen, das zeigen die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren zur Genüge: Ausschreitungen werden nie ganz zum Verschwinden gebracht werden, ein Allheilmittel gibt es nicht.
Doch mangelt es nicht an Instrumenten, um die Gewalt einzudämmen. Je konsequenter Straftäter verfolgt und bestraft werden, desto besser für die Sicherheit aller. Gerade im Fall der Fackelwerfer von Winterthur stehen die Chancen nicht schlecht, dass dies gelingt. Die heutigen Stadien sind nahezu lückenlos videoüberwacht. So wurde vergangenen Monat ein ehemaliger Ultra des FC Zürich verurteilt, der im Jahr 2021 Fackeln in die Zuschauerränge geworfen hatte.
In den vergangenen Jahren hat sich das Geschehen zusehends weg von den Stadien verlagert. Darum braucht es Spezialisten bei den Strafverfolgern, die sich mit der Szene auskennen, – etwas wenn es darum geht, von geplanten Aktionen zu erfahren. Hier ist die Politik gefordert, es braucht mehr Ressourcen für die konsequente Verfolgung der Täter.
Dringend muss nun auch über personalisierte Tickets diskutiert werden. Damit liessen sich gezielt jene Wüteriche vom Stadion fernhalten, die für Gewalttaten verantwortlich sind. Es ist unverständlich, dass die Klubs sich gegen persönliche Eintrittskarten wehren. Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass es ihnen nur um die Ticketeinnahmen und weniger um die Sicherheit geht.
Doch Repression allein reicht nicht aus. Ohne Fanarbeit und den Austausch mit den Fankurven ist im Fussball nichts zu gewinnen. Vor allem das Band mit jenen Kreisen, die sich grundsätzlich friedlich verhalten, gilt es zu stärken. Zur Prävention gehören auch Schulbesuche von Klubs und deren Spielern, die für die Jugend oftmals einen Vorbildcharakter innehaben.
Der FC Winterthur hat nach dem Spiel erste Stadionverbote ausgesprochen. Das ist ein erster Schritt. Weitere müssen folgen.