Der Sieg von Donald Trump und den Republikanern bringt die Finanzmärkte in Bewegung. Jim Bianco, Chefstratege von Bianco Research, denkt, dass der Machtwechsel in Washington der US-Wirtschaft einen kräftigen Schub geben wird. Damit nimmt aber auch das Risiko von Inflation erneut zu, was für Investoren zur Herausforderung wird.
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Die Zeichen stehen auf Veränderung. Donald Trump hat die US-Präsidentschaftswahlen überraschend klar gewonnen, und die Republikaner haben gute Chancen, ab nächstem Jahr den Kongress vollständig zu kontrollieren. Die Finanzmärkte stellen sich auf einen politischen Umbruch hinsichtlich Steuern, Regulierung, Immigration und Handel ein.
Eine Schlüsselrolle spielt, was nach dem Machtwechsel in Washington mit der Inflation und mit den Zinsen passieren wird. Die US-Notenbank hat das Zielband für den Leitzins an der Sitzung von letzter Woche erwartungsgemäss um einen Viertelprozentpunkt auf 4,5 bis 4,75% gesenkt. Doch in welchem Umfang die Geldpolitik weiter gelockert wird, ist unklar.
Die Leitbörsen in den USA reagieren auf die Nachrichten euphorisch: Der S&P 500 ist am letzten Freitag erstmals auf über 6000 geklettert. Derweil nimmt die Nervosität am Bondmarkt zu. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen ist seit Mitte September rasant angestiegen und hat letzte Woche zweitweise auf über 4,4% notiert. Das weckt ungute Erinnerungen an die Turbulenzen der Jahre 2022/23.
«Der Aufwärtstrend bei den Renditen, der im September begann, ist weitgehend intakt», sagt Jim Bianco, Chef und Gründer des Anlageberaters Bianco Research. «Sobald die Euphorie an der Börse nachlässt, wird sich der Fokus zurück auf den Bondmarkt verlagern, und Investoren werden erkennen, dass wir 2025 auf ein Inflationsproblem und immer höhere Zinsen zusteuern», warnt er.
Im Interview äussert sich der Marktstratege aus Chicago zum Ausblick für die amerikanische Wirtschaft während Trumps zweiter Amtszeit, zum Risiko eines erneuten Aufflackerns der Inflation, zu den Konsequenzen für die Finanzmärkte und dazu, wie sich Investoren darauf vorbereiten können.
Herr Bianco, die US-Wahlen haben in praktisch allen Anlageklassen markante Bewegungen ausgelöst, von Aktien über Anleihen und Währungen bis hin zu Rohstoffen und Kryptowährungen. Wie werden sich die Märkte in den nächsten Wochen und Monaten verhalten?
Beginnen wir mit dem grossen Bild; dort, wo wir vor der Wahlnacht standen. Am 18. September begann das Fed die Zinsen zu senken, was eine überraschende Reaktion auslöste: Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen stieg in den folgenden sieben Wochen um fast 80 Basispunkte. Das ist der stärkste Anstieg nach Beginn eines Zinssenkungszyklus, den wir je gesehen haben. Zugleich schossen die marktbasierten Inflationserwartungen nach oben, und die Konjunkturdaten fielen wesentlich stärker aus als von Ökonomen erwartet. All das deutet darauf hin, dass die amerikanische Wirtschaft nicht auf eine sanfte Landung zusteuert, sondern einfach durchstartet.
Das heisst, das Fed muss aufpassen, dass es die Kontrolle über die Inflation nicht erneut verliert?
Ja, es könnte mit weiteren Zinssenkungen sogar noch einen schlimmeren Fehler machen als nach der Pandemie, als es die Inflation als «vorübergehend» bezeichnete und völlig unterschätzte. Das Fed hat diesen Zyklus mit einer Zinssenkung um gleich 50 Basispunkte lanciert. Das war ein klares Signal, dass es die Geldpolitik beträchtlich lockern will. Austan Goolsbee, der Präsident der Fed-Distriktnotenbank Chicago, bestätigte dies kurz darauf mit der Aussage, dass die Zinsen um Hunderte von Basispunkten gesenkt werden müssten, um ein geldpolitisches neutrales Niveau zu erreichen. Der Markt dachte sich also wohl schon vor den US-Wahlen, dass all diese Zinssenkungen angesichts der robusten Wirtschaftslage gar nicht notwendig seien – und wenn das Fed trotzdem so vorgehen würde, seien Sorgen vor erneuter Inflation angebracht, da die Wirtschaft zu stark stimuliert werden könnte.
Dann kam das überraschend deutliche Wahlresultat, das die Märkte regelrecht elektrisiert hat.
Die Überraschung ist nicht Trumps Sieg, denn damit haben viele gerechnet. Der echte Schocker ist der Erdrutschsieg der Republikaner. Trump hat sich dieses Mal sogar landesweit die Mehrheit der Wählerstimmen gesichert, der Senat ist unter republikanischer Kontrolle und das Repräsentantenhaus vermutlich auch. Alles in allem ist das ein klares Mandat für eine politische Veränderung.
Was bedeutet das aus wirtschaftlicher Sicht?
Trump ist nicht wirklich an einer Kürzung der Staatsausgaben interessiert, genauso wenig wie sein Vize J.D. Vance. Es geht ihnen vor allem darum, die Steuern zu senken, und das klingt nach einem anhaltend hohen Budgetdefizit. Ich glaube, das ist der Grund, weshalb der Bondmarkt unmittelbar nach der Wahl so empfindlich reagiert hat: Die Wirtschaft wächst bereits robust, das Fed signalisiert erhebliche Zinssenkungen, und mit Steuerkürzungen und Deregulierung wird jetzt noch einen draufgesetzt.
Anders als am Bondmarkt hat das Wahlergebnis am Aktienmarkt eine kräftige Rally ausgelöst. Das erinnert stark an Trumps ersten Wahlsieg vor acht Jahren. Inwiefern enthält das «Drehbuch» von 2016 Anhaltspunkte für die weitere Kursentwicklung an den Börsen?
Alle blicken jetzt natürlich auf 2016 zurück. Die einzige Gemeinsamkeit mit 2016 besteht aber im Prinzip darin, dass Trump gewonnen hat. Darüber hinaus gibt es wichtige Unterschiede: Damals hob das Fed die Zinsen an, jetzt senkt es sie; die Bewertungen am Aktienmarkt waren viel niedriger als heute, und die Zinsen ebenfalls; der Zielsatz der Fed lag immer noch weit unter 1%, und die Anleiherenditen waren viel niedriger; der Ölpreis lag 2016 zwischen 20 bis 30 $ pro Fass, jetzt bewegt er sich im Bereich von 70 bis 80 $. Inflation war nicht einmal ein Wort, das wir in Betracht zogen, wogegen Inflation dieses Mal der Hauptgrund war, warum die Leute Trump für eine zweite Amtszeit wählten.
Trumps Wirtschaftspolitik gilt als förderlich für das Wirtschaftswachstum. Es ist aber schwer zu sagen, was er tatsächlich vorhat, speziell hinsichtlich Zölle. Wie werden die Märkte mit dieser Unabwägbarkeit umgehen?
Über die Zölle wird hitzig diskutiert, wobei die Meinungen etwa 50:50 geteilt sind. Wenn Trump Aussagen macht wie «Zölle sind das schönste Wort im Wörterbuch», klingt das für mich nach einem Schachzug. Es ist ein Druckmittel für Verhandlungen, das er teilweise schon in seiner ersten Amtszeit eingesetzt hat. Die Überlegung ist wie folgt: Zuerst werden scharfe Zölle auf Importe aus China, auf mexikanische Autos und auf andere Einfuhren angedroht, dann wird über einen Deal verhandelt, und am Schluss werden keine Zölle erlassen. Ich teile diese Ansicht. Sein unberechenbares Verhalten ist Strategie, denn die Regel Nummer eins bei jeder Verhandlung ist die Bereitschaft, den Tisch zu verlassen. So wissen die anderen, dass man es ernst meint.
Und was denkt die andere Hälfte in dieser Debatte?
Dass Trump es todernst meint; dass er fest entschlossen ist, Zölle zu erheben, und zwar nicht nur als Verhandlungstaktik, sondern quasi als Selbstzweck, weil er Zölle mag. Ich kann diese Argumentation nachvollziehen, und sie ist möglicherweise nicht falsch. Es besteht kein Zweifel daran, dass Zölle inflationär wirken und den Preis importierter Waren verteuern. In diesem Fall wäre das ein weiterer Grund für steigende Renditen am Bondmarkt.
Trump behauptet auch, dass er illegale Einwanderer massenweise inhaftieren und abschieben will. Wie würde sich das auf die US-Wirtschaft auswirken?
Um dies zu beantworten, gehe ich von folgenden Annahmen aus: Sobald Trump vereidigt ist, wird er die Grenzen schliessen. Die illegale Einwanderung wird sich dadurch wesentlich verringern, möglicherweise gegen null oder sogar auf null. Ich glaube auch, dass er schnell mit Abschiebungen beginnen wird. Die Behörden werden aber nicht einfach zum nächstgelegenen Hotel gehen und alle Zimmermädchen und Gärtner zusammentreiben und sie wegschicken. Diese Menschen gehen einer festen Arbeit nach, sie können sich selbst versorgen. Die Ausschaffungen werden sich deshalb zuerst auf Kriminelle und Arbeitslose konzentrieren. Unter diesen Annahmen wird die US-Wirtschaft nicht zwangsläufig gebremst. Zumindest auf kurze Sicht, also in den nächsten ein bis zwei Jahren, dürfte der Effekt neutral bis leicht positiv sein.
Mit dem Machtwechsel in Washington kommen ebenfalls personelle Fragen zur US-Notenbank auf. Fed-Chef Jerome Powell hat deutlich gemacht, dass er nicht zurücktreten wird, auch wenn Trump ihn dazu auffordert. Was bedeutet Trumps Rückkehr für das Fed?
Powell wusste schon lange, dass er am Ende seiner Amtszeit im Mai 2026 so oder so nicht wieder ernannt werden würde. Es ist klar, dass Trump ihn nicht wieder ernennen wird, und wenn Kamala Harris gewonnen hätte, hätte sie wahrscheinlich die ehemalige Fed-Gouverneurin Lael Brainard oder jemand anderen ernannt, aber nicht Powell. Es ist daher offensichtlich, dass Powell in achtzehn Monaten seinen Job los ist. Trump hat schon früher damit gedroht, ihn zu feuern, und ich denke, er wird das jetzt wieder tun. Ich glaube aber nicht, dass er wirklich versuchen wird, Powell seines Amtes zu entheben. Gemäss Medienberichten sagen das auch Quellen, die Trump nahestehen.
Trump dürfte vom Fed eine ausgesprochen lockere Geldpolitik fordern. Wie wird er sich demnach gegenüber Powell verhalten?
Trump hat eine Menge zu tun, sobald er wieder im Weissen Haus ist. Er hat zahlreiche Prioritäten, auf die er sich konzentrieren muss, und will sich kaum unnötige Komplikationen mit einem langwierigen Rechtsstreit über seine Befugnis zur Entlassung von Powell aufbürden. Andererseits glaube ich, dass es ihm gefallen wird, Powell als eine Art Prügelknaben zu benutzen, und dass er ihn ständig zu kritisieren und beschimpfen wird.
Eine andere wichtige Frage für die Märkte ist, was mit dem Haushaltsdefizit passiert.
Wenn ich mich mit Kunden treffe, dreht sich die erste oder zweite Frage immer um das gleiche Thema: das Budgetdefizit, die Staatsschulden und die steigenden Zinskosten. Und die Antwort ist eindeutig: Das derzeitige Niveau ist untragbar.
Wann wird das zu einem Problem?
Weder Trump noch Harris haben sich im Wahlkampf zu diesem Thema geäussert, und niemand hat sie dazu aufgefordert. Washington wird das Problem daher nicht lösen. Es gibt nur eine Möglichkeit, und dafür gibt es einen Ausdruck: den «Liz-Truss-Moment», eine Revolte am Bondmarkt wie vor zwei Jahren in Grossbritannien. Das heisst, die Zinsen müssen zuerst auf ein schmerzhaft hohes Niveau steigen und möglicherweise etwas in der Wirtschaft oder im Finanzsystem kaputt machen. Wann das passiert, weiss ich nicht. Es könnte bereits in zwei Monaten soweit sein, oder erst in fünfzehn Jahren. Aber das ist der einzige Mechanismus, dieses Problem zu lösen.
Während des Wahlkampfes sagte Trump, er werde Tesla-Chef Elon Musk mit einer Kommission beauftragen, um den Staatsapparat effizienter zu machen und Ausgaben zu senken. Was kann man sich davon erwarten?
Ich bin alt genug, um mich an die Grace-Kommission zu erinnern, die Anfang der Achtzigerjahre von Ronald Reagan eingesetzt wurde, um die Staatsausgaben zu senken. Ich erinnere mich auch an den Effort von Vizepräsident Al Gore in den Neunzigerjahren, der im Auftrag von Bill Clinton Verschwendung, Betrug und Missbrauch in der Regierung bekämpfen sollte. Für jemanden wie Elon Musk ist es leicht, zu behaupten, dass er Hunderte von Milliarden Dollar einsparen könne, wenn dieses und jenes abschafft oder anders gemacht werde. Die Krux ist aber nicht, Bereiche zu identifizieren, in denen Ausgaben gekürzt und Prozesse rationalisiert werden können. Die echte Schwierigkeit besteht darin, die Bürokratie zur Mitarbeit zu bewegen. Das ist bisher noch nie gelungen, weshalb ich auch dieses Mal nicht daran glaube.
Was denken Sie, wie es an den Märkten nun konkret weitergeht?
Gemäss dem Terminhandel rechnen die Märkte mit etwa drei weiteren Zinssenkungen der US-Notenbank. Und wenn es im Dezember zu einem Zinsschritt kommt, wofür die Chancen auf mehr als 50% beziffert werden, weiss ich nicht, ob Investoren bereit für die Erkenntnis sind, dass der Zinssenkungszyklus des Fed Ende Jahr bereits weitgehend abgeschlossen sein könnte, wenn nicht sogar vollständig.
Was heisst das für Aktien?
Die US-Börsen haben gerade eine der grössten Kursavancen im Zug von Präsidentschaftswahlen erlebt: Der S&P 500 ist seit Dienstag annähernd 5% gestiegen. Für den Moment denke ich, dass der Aktienmarkt weiter von Rekordhoch zu Rekordhoch preschen wird, und Bitcoin wird diesem Trend folgen. Zugleich dürften sich die Risikoprämien auf Unternehmensanleihen weiter verengen. Das Einzige, was diese Rally stoppen wird, ist ein Anstieg der Zinsen auf ein schmerzhaft hohes Niveau, womit alles zum Stillstand kommt.
Bei welchem Niveau wird diese Schmerzgrenze erreicht sein?
Genau hier. Wir sind bereits an einem kritischen Punkt angelangt, wie die jüngsten Entwicklungen an den Märkten nahelegen. Bis Montag, dem Tag vor der Wahl, schien die Rally an der Börse bereits ins Stocken zu geraten, als die Rendite 10-jähriger Treasuries 4,25% überstieg. Der anschliessende Adrenalinschub, angeheizt durch Erwartungen hinsichtlich von Deregulierung und Steuerkürzungen, hat die fundamentalen Bedenken über die steigenden Zinsen dann überdeckt. Der Aufwärtstrend bei den Renditen, der im September begann, ist aber weitgehend intakt. Sobald die Euphorie nachlässt, wird sich der Fokus zurück auf den Bondmarkt verlagern, und Investoren werden erkennen, dass wir 2025 auf ein Inflationsproblem und immer höhere Zinsen zusteuern.
Was raten Sie Anlegern vor diesem Hintergrund?
Als Investor sollte man sich fragen, was man vom heutigen Tag an vom Aktienmarkt erwarten kann. Natürlich kann die Performance kurzfristig stark variieren, aber historisch betrachtet kann man langfristig mit durchschnittlich 6 bis 8% Rendite pro Jahr rechnen. Angesichts der derzeitigen Bewertungen scheint dies eine vernünftige Annahme. Doch nun lohnt sich auch ein Blick auf den Bondmarkt, wo zehnjährige Treasuries rund 4,3% Rendite zahlen. Berücksichtigt man ebenso Unternehmensanleihen und andere festverzinsliche Wertpapiere, liegt der Durchschnittswert für Bonds bei nahezu 5%. Das ist ziemlich konkurrenzfähig.
Sie sagen, dass Anleihen zunehmend gegenüber Aktien bevorzugt werden könnten?
Ja, vor allem, wenn man all die Risiken von Aktien berücksichtigt. Anleihen bieten nun eine echte Alternative. Je höher die Renditen steigen, desto stärker wird der Wettbewerb um Anlagegelder zunehmen, womit mehr und mehr Mittel von Aktien in Anleihen fliessen. 2024 haben die Mittelzuflüsse in börsengehandelte Anleihenfonds bereits einen Jahresrekord erreicht, und bis Ende Dezember verbleiben noch sieben Wochen. Ich weiss, US-Aktien sind dieses Jahr bisher satte 26% gestiegen, nachdem sie schon letztes Jahr über 20% zugelegt haben. Aber die Grundsatzfrage ist, ob man glaubt, dass es nächstes Jahr nochmals gut 20% sein werden, und im übernächsten Jahr und im Jahr darauf. Aus einer langfristigen Perspektive à la Warren Buffett klingen 6 bis 8% realistischer – und damit wird der Bondmarkt zu einer überzeugenden, weniger volatilen Alternative.
Vor etwas mehr als einem Jahr haben Sie den Bianco Research Fixed Income Total Return Index lanciert. Wie versuchen Sie, den Markt zu übertreffen?
Wir wollen uns die attraktiven Renditen, die der Bondmarkt bietet, sichern und uns gegen starke Kursrückgänge wappnen. Deshalb sind wir bei der Duration etwas untergewichtet. Das bedeutet, dass wir weniger anfällig für steigende Renditen sind. Wir sind übergewichtet in Hypotheken und untergewichtet in Unternehmensanleihen. Ausserdem setzen wir auf einen festeren Dollar, weil er eine sehr hohe Korrelation mit den US-Zinsen aufweist: Steigen die Zinsen, steigt auch der Dollar und umgekehrt. Weiter halten wir inflationsgeschützte US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren, da es sich ebenfalls um Anlagen mit geringer Duration handelt. Anders gesagt: Es ist an der Zeit, sich für die wichtigsten Themen am Anleihemarkt zu positionieren: für steigende Renditen und für einen stärkeren Dollar, weil alles nach den Wahlen auf höhere Inflation hindeutet.
Was empfehlen Sie Investoren, die an der Börse nach Anlagemöglichkeiten suchen?
Die grosse Herausforderung ist, dass so gut wie nichts günstig ist. Die Wahlen haben die Rotation hin zu Small-Cap-Aktien, Industriewerten und traditionellen Unternehmen der Old Economy beschleunigt. Sie basiert auf der Erwartung, dass viele dieser Unternehmen von Steuersenkungen und Deregulierung profitieren werden, speziell kleinere Industrieunternehmen. In manchen Fällen, wie beispielsweise bei Stahlkonzernen, könnten die Zölle sogar einen zusätzlichen Impuls geben. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, womit solche Aktien zusätzlich an Momentum gewinnen könnten. Aber wie gesagt, aus einer Value-Perspektive ist derzeit fast nichts wirklich günstig.
Und was ist mit Rohstoffen?
Hier gibt es eine bemerkenswerte Konstellation: Gold ist dieses Jahr um rund 35% gestiegen, und der S&P 500 hat wie gesagt rund 26% zugelegt. Wie oft, denken Sie, ist es historisch vorgekommen, dass US-Aktien und Gold im selben Jahr um 25% oder mehr gestiegen sind? Die Antwort ist noch nie. Dies wird das erste Mal sein.
Was bedeutet das aus einer umfassenderen Perspektive?
Ich denke, dieses aussergewöhnliche Phänomen hat mit dem gleichen Grund zu tun: Die Konjunktur wird kräftig angekurbelt, und für den Aktienmarkt bedeutet das, die Menschen werden viel Geld in der Tasche haben, sie werden Waren und Dienste kaufen, und das wiederum wird das Gewinnwachstum der Unternehmen begünstigen, was Investoren zum Kauf von Aktien bewegt. Gold sieht im Prinzip das Gleiche, aber aus einem anderen Blickwinkel: Das Fed senkt die Zinsen, was angesichts der robusten Konjunktur zu einem Inflationsproblem, steigenden Renditen und zu Spannungen im Finanzsystem führen wird, was letztlich für Edelmetalle spricht.
Empfiehlt es sich demnach, auf einen weiteren Anstieg von Gold zu wetten?
Wie gesagt, erreichen die Renditen am Bondmarkt allmählich ein Niveau, bei dem es schmerzvoll wird. Die Volatilität an den Refinanzierungsmärkten steigt bereits, was sich beispielsweis bei den Sätzen auf besichertes Tagesgeld beobachten lässt. Noch besteht kein unmittelbarer Anlass zu Panik, doch diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass es in Zukunft Turbulenzen geben könnte. Zwar nicht heute, auch nicht morgen, aber es ist ein weiterer Grund, eine sichere Anlage wie Gold zu halten – und deshalb glaube ich, dass der Goldpreis weiter steigen wird.
Jim Bianco