Im Schatten eines Handelskriegs mit China kämpft Trump mit allen Mitteln gegen einen noch grösseren Erzfeind: die traditionellen US-Medienhäuser. Jetzt greift er zur ultimativen Waffe.
Die Regierung Trump publizierte Ende April eine Liste mit dem aussagekräftigen Titel «Trash Public Radio Reporting». Sie enthält die aus Sicht des Weissen Hauses abgeschmacktesten Berichterstattungen aller Zeiten des öffentlichen Radio-Netzwerkes NPR (National Public Radio). Erster Platz in der Parade des «Radio-Schunds»: ein Bericht zum Valentinstag 2024. Im Zentrum standen «Cayenne und Manny», zwei verliebte Ameisenbären im Zoo der amerikanischen Hauptstadt. Die beiden sind schwul. Gleichgeschlechtliche Liebe, so der Subtext des Beitrags, ist in der Tierwelt Normalität.
Die elf Minuten Sendezeit sind sicher kein Paradebeispiel für den Qualitätsjournalismus, der NPR international bekannt gemacht hat. Vielmehr ist es vermutlich der Versuch einer Reporterin, einen jährlich wiederkehrenden Anlass auf originelle Weise zu bestreiten. Allerdings lieferte sie Trump dabei unwissentlich die Zündschnur, mit der er nun das ihm verhasste öffentliche Rundfunk- und TV-Netzwerk der USA in die Luft zu sprengen gedenkt.
Konservative Meinungen unterdrückt?
Beiträge wie jenen über Cayenne und Manny bezeichnet die Trump-Regierung in einem Communiqué vom 1. Mai 2025 als «radikale, woke Propaganda, die als News getarnt wurde». Trump ergänzte von seinem Schreibtisch im Oval Office aus: «Die öffentlichen Medien verbreiten eine sehr voreingenommene Sichtweise, und es wäre mir eine Ehre, ihnen ein Ende zu setzen.» Dann unterzeichnete er vor laufenden Kameras eine Durchführungsverordnung, um dem öffentlich-nationalen Radiosender NPR und seinem Partner-TV-Sender PBS die staatlichen Gelder zu entziehen.
Auf der erwähnten Trash-Liste aufgeführt ist unter anderem eine Dokumentarserie über eine mögliche Wiedergutmachung für Nachfahren von Sklaven und die Weigerung von NPR, über die Kontroverse um Hunter Bidens Laptop zu berichten. Die öffentlichen Radiosender, so Trumps Überzeugung, würden konservative Werthaltungen und Meinungen bewusst unterdrücken.
«Sesamstrasse» in Gefahr
Dagegen wehrt sich Katherine Maher, CEO des öffentlichen Rundfunks NPR. «Laut Umfragen ist NPR eine der Medienorganisationen, denen die höchste Glaubwürdigkeit zugeschrieben wird», sagt Maher, die vergangene Woche an einem Symposium in St. Gallen zu Gast war. Im Vergleich zum Finanzierungsmodell der öffentlichrechtlichen Medien in Europa sei der Anteil an staatlicher Finanzierung von NPR allerdings verschwindend klein. 300 Millionen Dollar an Zuschüssen erhielten sie pro Jahr. «Auf jeden Dollar, den wir von der amerikanischen Regierung erhalten, kommen sieben Dollar aus Spenden und Kooperationen mit privaten Unternehmen.» Riskant sei Trumps Ankündigung trotzdem, vor allem für die lokale Berichterstattung und Bildungsprogramme für Kinder wie etwa die «Sesamstrasse» auf dem TV-Sender PBS, die direkt vom Staat finanziert würden.
Trump ist nicht der erste amerikanische Präsident, der versucht, die öffentlichen Medien in den USA anzugreifen und ihnen die finanzielle Unterstützung zu verweigern. Jeder republikanische Präsident mit Ausnahme von Gerald Ford hat laut dem amerikanischen Podcast «On the media» (der ebenfalls Teil des öffentlichen Rundfunks ist) versucht, NPR und PBS die Unterstützung zu entziehen. Diese Vorhaben sind jeweils am Widerstand des Publikums von lokalen TV- und Radiostationen gescheitert, die zum öffentlichen Netzwerk gehören.
Doch Präsident Trump ist ausdauernder und ernsthafter bei der Sache als seine Vorgänger. Und in seinem Visier sind nicht nur die öffentlichen Sender, sondern alle Medien der USA, die nicht nach seinem Geschmack berichten. «Fake News», «Staatsfeind Nummer 1»: Mit diesen Schlagworten sprach Trump schon im ersten Wahlkampf 2015 über etablierte Medien wie CNN oder die «New York Times». Zwar hatte er schon vor seiner politischen Karriere als Geschäftsmann Medienhäuser mit Verleumdungsklagen überzogen, doch erst ab 2015 schien Trump für den Kampf gegen die «Legacy Media», wie man in den USA die traditionellen Medienunternehmen nennt, Feuer zu fangen: Neunzehn Klagen gegen die Berichterstattung von Medien lösten Donald Trump oder mit ihm assoziierte Organisationen seither aus.
Um nur zwei der wichtigsten Beispiele zu nennen: Trumps 10-Milliarden-Dollar-Klage im Oktober 2024 gegen den privaten TV-Sender CBS, der angeblich ein Interview mit der Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris in irreführender Weise zusammengeschnitten hatte, so dass ihre Antwort die demokratische Seite besser habe dastehen lassen. In einem anderen Beispiel einer Klage wandte sich Trump gegen CNN, weil der Nachrichtensender seine Behauptung von der «gestohlenen Wahl» 2020 als «grosse Lüge» bezeichnet hatte. Das zuständige Gericht wies die Klage zurück. Im Falle des angeblich manipulierten Harris-Interviews publizierte der private Sender CBS freiwillig das ganze Transkript des Gesprächs, um zu belegen, dass der Sinn von Harris’ Aussagen nicht nachträglich verfremdet wurde. Doch davon liessen sich Trumps Anwälte nicht beeindrucken. Die Klage ist immer noch hängig.
Von den restlichen Beschwerden endeten einige in einem aussergerichtlichen Vergleich, andere sind von Gerichten mit Verweis auf die Rede- und Meinungsfreiheit abgewiesen worden. Wieder andere sind wie der CBS-Fall noch nicht entschieden.
Amerikanische Medienrechtsexperten sind indes der Meinung, Trumps Ziel sei nicht, die Klagen zu gewinnen, sondern Journalistinnen und Journalisten einzuschüchtern und deren Glaubwürdigkeit öffentlich zu untergraben.
Gegen das «Zensur-Kartell»
Allerdings hat Trump neben der Prozessflut gegen die Medien und dem Erlass von Durchführungsverordnungen noch eine ultimative Waffe im präsidentiellen Arsenal: die ihm zugewandte TV-Regulationsbehörde Federal Communications Commission (FCC). Die FCC ist unter anderem Urheberin des Schimpfwörterverbots. Dieses schreibt unter anderem vor, dass auf amerikanischen Sendern zum Beispiel jedes «F-Wort» von einem Pfeifton kaschiert wird.
FCC-Vorsitzender ist der Trump-getreue Republikaner Brendon Carr, der schon von Präsident Biden eingesetzt wurde. Carr kündigte neulich an, das «Zensur-Kartell» der TV-Sender «endlich zu zerstören». Das muss Trump in Bezug auf seine Feindschaft gegenüber dem privaten Sender CBS ganz besonders freuen. «CBS ist ausser Kontrolle», sagte Trump vor einigen Monaten als Reaktion auf das Harrison-Interview, «für ihr illegales Verhalten sollten sie ihre Lizenz verlieren.» Die CBS-Eigentümerin, die momentan einen Verkauf des Senders prüft, der von der Trump-Regierung bewilligt werden muss, reagierte bereits auf den Druck. Sie wies den Moderator der landesweit populären Nachrichtensendung «60 Minutes» Bill Owens an, jegliche kritische Berichterstattung über Trump vorher von seiner Vorgesetzten prüfen zu lassen. Owens kündigte daraufhin seine Stelle, begleitet von medialen Protesten.
Es stimmt schon: Journalistinnen und Journalisten lassen sich nicht gerne sagen, worüber und wie sie zu berichten haben. Das mediale Geheul bei jedem Verdacht auf Einflussnahme geht jeweils durch Mark und Bein. So auch im Februar, als der neue Besitzer der «Washington Post», Jeff Bezos, vom Meinungsressort seiner Zeitung verlangte, doch bitte nicht nur aus linksliberaler Warte gegen «freie Märkte» und «persönliche Freiheiten» anzuschreiben. Bezos wolle die mehrheitlich liberal geprägte Zeitung auf Trump-Kurs trimmen, lautete die Befürchtung. Falls dies tatsächlich die Idee des Milliardärs war, muss sein Vorhaben als gescheitert gelten: Jedenfalls kritisieren seither mehrere «Washington Post»-Autoren Trumps Politik in Debattenbeiträgen, vor allem ihr Urteil über die neue Tarifpolitik fiel vernichtend aus.
Inzwischen ist auch bekannt: Nicht jedes Süppchen, das unter Trumps Aktionismus hochkocht, wird genauso heiss gegessen. Unklar ist, ob die amerikanische Regierung überhaupt befugt ist, den öffentlichen Sendern die Mittel ganz zu entziehen. Denn die rechtliche Grundlage für deren Finanzierung kennt einige Schutzmechanismen gegen politische Einflussnahme. Doch auch dieses Dossier wird, wie so viele andere politische Angelegenheiten, dereinst von einem amerikanischen Gericht entschieden.
Mitarbeit: Barnaby Skinner