Die beliebte amerikanische Comedy-Show «Saturday Night Live» läuft im US-Wahlkampf zu Hochform auf. Kamala Harris’ Heiterkeit und die «Dad-Energie» von Tim Walz machen es den Komikern leicht. Die Parodierten reagieren souverän.
Auftritt von Kamala Harris (Maya Rudolph) an einer Wahlkampf-Veranstaltung. Die Vizepräsidentin klatscht in die Hände, lacht ihr strahlendstes Lachen. «Sieh an, sieh an, wer von der Kokospalme fiel», sagt sie unter Applaus. «Eure Spasstante ist zurück.»
Nach kämpferischen Worten an die Adresse von Donald Trump bittet sie «Coach Walz» (Jim Gaffigan) auf die Bühne. Grinsend und seine Arme zur Begrüssung schwenkend, gesellt sich dieser zu ihr. Er scheint fast zu platzen und erklärt: «Ich habe diese Kumpel-Dad-Energie!»
Als Kamala ihn als «running mate» angefragt habe, habe er sofort zugesagt, sagt Walz. Weil er früher Lehrer war, könne er das Geld gut gebrauchen. Das demokratische Dream-Team ist so gut drauf, dass Harris einen Solo-Tanz hinlegt.
Dann kommt ihr in den Sinn, wem sie zu verdanken hat, dass ihre Kurve steil nach oben zeigt. «Wegen dieses Mannes sind wir hier», sagt Harris, und Joe Biden (Dana Carvey) trippelt ins Bild. «Das ist richtig», sagt dieser mit zusammengekniffenen Augen und starrem Gesicht: «Viele Leute vergessen, dass ich Präsident bin – einschliesslich mir.»
Ein Sprungbrett für Talente
Das Rennen um das höchste Amt der Welt und damit um die beste parodistische Darstellung der Präsidentschaftskandidaten ist eröffnet: Ende September startete die 50. Staffel der populären amerikanischen Comedy-Show «Saturday Night Live» («SNL»). Die Sendung wird seit 1975 Samstagnacht auf NBC ausgestrahlt. Den Saisonauftakt sahen sich diesmal 5,3 Millionen Zuschauer an.
«SNL» ist ein Sprungbrett für Schauspieler, Komiker und Musiker, ein Auftritt in der TV-Show hat Karrieren befördert. Stars wie Bill Murray, Ben Stiller, Billy Crystal, Freddie Mercury, Tina Fey oder Eddie Murphy wurden dank ihr bekannt. Auch wer es nicht mehr nötig hat, beehrt die Comedy-Show. So führte schon Taylor Swift durch die 90 Minuten. Politiker von John McCain bis Bernie Sanders waren zu Gast.
Die Medien rätseln jeweils weit im Voraus, wer welchen Politiker verkörpern werde. Denn die politischen Sketche gehören zum Besten von «SNL». Steve Martin, obwohl auch dank «SNL» gross geworden, sagte diesmal für die Rolle von Tim Walz ab: Er traue es sich nicht zu. Jim Gaffigan übernahm und gibt einen Vizepräsidentschaftskandidaten, der sich mit seiner Hemdsärmligkeit beim Volk anbiedert. Maya Rudolph brilliert als Kamala Harris. Die Schauspielerin kennt man aus Filmen wie «Bridesmaids» oder den Serien «Loot» und «The Good Place».
Die 52-Jährige hat ihr Original gut studiert. Dabei dürfte ihr vor allem die TV-Debatte zwischen Harris und Donald Trump als Anschauung geholfen haben, in der Harris auch dank ihrer Körpersprache punktete.
Rudolph zieht erstaunt die Augenbraue hoch, legt die Hand unters Kinn, hält mahnend den Zeigefinger in die Luft. Die Schauspielerin tut das, was gute Parodie ausmacht: Sie wählt ein paar auffällige, gut wiedererkennbare Eigenheiten der imitierten Person und setzt sie unter ein Vergrösserungsglas. Dabei geht es weniger um absolute Genauigkeit als vielmehr darum, aus der Imitation etwas Eigenes zu machen. Rudolph lässt Harris lustiger aussehen, als diese in Wirklichkeit ist.
Donald Trump hat sich abgenutzt
Und plötzlich eignen sich die Demokraten besser zum Parodieren. Das liegt auch daran, dass Donald Trump als Figur an Originalität eingebüsst hat. Vieles an ihm ist bereits in Realität komisch. Wenn also James Austin Johnson als Trump «so sad» sagt und die Lippen schürzt, wirkt das abgenutzt. Auch gibt er Trump zu polternd und zu wenig geschmeidig, was dieser durchaus ist.
Anderes passt. «Wohin gehen all die Leute?», fragt Trump an seiner Rally im «SNL»-Studio, als immer mehr Leute sich hinter ihm aus ihren Sitzen erheben. Er wisse schon, sie wollten das Stadion verlassen: Aber er habe vorsorglich die Türen abschliessen lassen.
Im Wahlkampf vor acht Jahren parodierte noch Alec Baldwin Trump. Blonde Perücke, XXL-Anzug. Baldwin konnte Trump nicht ausstehen. Er habe keine Lust, sich in diesen einzufühlen, sagte der Schauspieler. Doch vielleicht war seine Parodie gerade deshalb so gut, weil er gewisse Charakterzüge mit Trump teilt. Den Narzissmus, ein grosses Ego.
Die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Trump schimpfte zu Beginn nach jeder Sendung auf Twitter, wie schlecht Baldwins Darbietung sei und wie total einseitig die «SNL»-Parodie. Er erreichte damit, was er kaum beabsichtigte: Er machte die Sendung noch beliebter. Trump kann nicht über sich lachen.
Doch eigentlich sollte sich ein Politiker, der eine Parodie erhält, geehrt fühlen. Vor kurzem trat Kamala Harris in einer Talkrunde bei ABC auf. Als die Sprache auf «SNL» kam, sagte die Moderatorin richtig: «Nachahmung ist die grösste Form der Schmeichelei.» Was Harris denn von ihrer Doppelgängerin Maya Rudolph halte? Sie finde sie grossartig, sagte Harris. Als man ihr einen Ausschnitt zeigte, lachte sie.
Kein politisches Lager wird geschont
Wenn Trump «SNL» als einseitig bezeichnet, liegt er jedenfalls falsch. Zwar ist politische Comedy noch immer meist links zu verorten. Hollywood steht den Demokraten näher, auch erreicht die Sendung eher ein progressives Publikum. Aber die Parodie schont niemanden, egal, welcher Partei er angehört. Trumps Gegnerin Hillary Clinton wurde damals von Kate McKinnon als Hysterikerin dargestellt.
Das gilt für Doug Emhoff ebenso, Kamala Harris’ Mann, der in der jetzigen Staffel von Andy Samberg gespielt wird. In Realität sind viele Frauen begeistert von Emhoff, weil er Harris so selbstlos unterstützt. In «SNL» wird der «Second Gentlemensch» – eine Anspielung auf sein Jüdischsein – als Groupie seiner Frau parodiert. «Dougie» freut sich darauf, den Christbaum im Weissen Haus zu schmücken, wie es bisher die Aufgabe der Präsidentengattinnen war. Auch Emhoff lobt seinen Imitator.
«SNL» bietet also selten harte politische Satire, die die Grenzen des Sagbaren austestet. Die Show übt spielerisch Kritik an Politik, durchaus mit beissendem Spott. So soll sie auch schon die Präsidentschaftswahlen beeinflusst haben. Manche vermuteten, George W. Bush habe im Jahr 2000 gewonnen, weil Will Ferrell George W. Bush sympathischer verkörpert habe als der Komiker Darrell Hammond den Demokraten Al Gore. Doch damit wird die Wirkung von «SNL» überschätzt.
Dank der Sendung sieht man höchstens, wie sonderlich die Politiker auch in diesem Wahlkampf sind, und kommt zum Schluss: Das Rennen ist offen.
«Saturday Night Live» ist jeweils eine Woche später auf ProSieben FUN zu sehen.