So kam es in Finnland und Dänemark zum Sieg der jungen Frauen.
In Frankreich triumphierte die extreme Rechte, in Deutschland die AfD. Und im Norden? Das Gegenteil. Statt nach rechts rücken die nordischen Staaten nach links. Die grosse Siegerin der Europawahl in Finnland heisst Li Andersson, 37 Jahre alt, Vorsitzende der Linksallianz. Mit ihrem Resultat bescherte sie ihrer Partei einen historischen Erfolg. In Dänemark erreichte Kira Marie Peter-Hansen – 26, Sozialistische Volkspartei – das beste Resultat. Und auch in Schweden konnte die Linke zulegen.
Drei Gründe, weshalb Nordeuropa anders gewählt hat:
1. Der Li-Effekt
In Finnland hat das niemand kommen sehen – wohl am wenigsten Li Andersson selbst. 247 604 Finninnen und Finnen – 13,5 Prozent aller finnischen Wählenden – gaben Andersson bei den Europawahlen ihre Stimme und bescherten der Linksallianz damit zwei weitere Sitze im Europaparlament. Neu wird die Partei zwei Vertreterinnen und einen Vertreter nach Brüssel schicken; sie ist damit die zweitstärkste Partei hinter den Konservativen.
Als Sanna Marin ging, ist Li Andersson geblieben. Nachdem der linke Block die Parlamentswahlen 2023 verloren hatte, kehrte die ehemalige Ministerpräsidentin Marin der finnischen Politik den Rücken und zeigt sich seither gerne mit der Elite der Weltpolitik an verschiedenen Anlässen. Li Andersson, die in Marins Regierung als Bildungsministerin geamtet hatte, kehrte zurück ins Parlament, um das zu tun, was sie die letzten Jahre immer getan hat: gegen den Klimawandel zu kämpfen und sich für einen starken Sozialstaat einzusetzen. Harte politische Arbeit statt Cüpli-Sozialismus: Das hat sie unter den linken Wählerinnen und Wählern glaubwürdig gemacht.
Im Frühling kandidierte Andersson – die sich offen als Marxistin bezeichnet und ihre Partei von harten Nato-Gegnern ins Lager der Befürworter geführt hat – als Präsidentin. Ihre Kampagne war von Anfang an chancenlos. Hatte Marin die linke Wählerschaft bei den Parlamentswahlen hinter sich geschart, war es bei den Präsidentschaftswahlen der grüne Kandidat Pekka Haavisto. Im Gegensatz zu diesen beiden Urnengängen wählten die Finninnen und Finnen bei den Europawahlen nicht strategisch. Diesmal ging es nicht um den linken Block, sondern um die Person, und hier konnte Andersson mit ihrer Persönlichkeit punkten.
2. Die Sache mit dem Klima
Während die Wahl in anderen europäischen Ländern von Themen wie Migration und Sicherheit dominiert wurde, beschäftigte in Nordeuropa noch etwas anderes: die Klimakrise.
Kira Marie Peter-Hansen von der links-grünen Sozialistischen Volkspartei hat in Dänemark mit 178 438 das beste Resultat erreicht und ihre Partei zur stärksten Kraft des Landes gemacht. Peter-Hansen amtete in der letzten Legislatur als stellvertretende Vorsitzende der Fraktion der Grünen und der Freien Europäischen Allianz. In ihrem Wahlkampf rief sie dazu auf, die EU-Wahl zur Klimawahl zu machen. Mit Erfolg: Auch die rot-grüne Einheitsliste konnte ihren Sitz behalten.
In Schweden kam die Grüne Partei mit einem Wähleranteil von 13,8 Prozent auf drei Sitze, und die Linkspartei, die sich im Wahlkampf ebenfalls auf den Klimawandel fokussiert hat, gewann einen zweiten Sitz dazu. Im Gegensatz etwa zu Deutschland, wo viele junge Wählerinnen und Wähler statt der Grünen neu die AfD wählten, ist die Klimabewegung im Norden immer noch vergleichsweise stark.
3. Das Problem der Populisten
Für die rechtsnationale Finnenpartei wurde die Europawahl zum Debakel. Sie verlor einen ihrer zwei Sitze und fiel bei den Wähleranteilen hinter die Linksallianz zurück. Bei den nationalen Parlamentswahlen vor einem Jahr gehörte die Partei noch zu den grossen Wahlsiegern. Seither ist sie Teil der Regierung, und genau das könnte ihr zum Verhängnis geworden sein. Verantwortung ist für viele Populisten Gift. In der Regierung muss die Finnenpartei Kompromisse schmieden und die Entscheide mittragen, statt sie von aussen zu kritisieren. Bereits die letzten nationalen Umfragen brachten ihr schlechte Ergebnisse ein.
Auch in Schweden brachte die Europawahl für die Rechtsnationalen eine Trendwende. Die Schwedendemokraten konnten zwar einen Sitz zulegen. Bei den Wähleranteilen verloren sie gegenüber 2019 2,1 Prozentpunkte und fielen vom zweiten auf den vierten Rang zurück.
Auch wenn sie nicht Teil der Regierung sind, bestimmen die Schwedendemokraten die Politik im Land entscheidend mit, denn die bürgerliche Koalition kommt nur dank ihrer Unterstützung auf die nötige parlamentarische Mehrheit. In den letzten Monaten sorgte die Partei weniger mit politischen Inhalten als mit Skandalen für Schlagzeilen – letztmals im Mai, als bekanntwurde, dass sie eine Trollfabrik eingesetzt hat, um Fehlinformationen zu verbreiten.








