Geopolitische Spannungen in Asien wirkten sich auf Europa aus – und umgekehrt, sagt der europäische Vertreter in Canberra. Europa könne durchaus einen Beitrag zur regionalen Sicherheit leisten, auch militärisch.
Herr Visentin, bevor Sie Botschafter in Australien wurden, waren Sie der Sondergesandte der EU für den Indopazifik. Warum braucht die EU einen solchen Posten?
Die EU hat 2021 eine Strategie für den Indopazifik verabschiedet, also eine strukturierte Politik für die gesamte Region. Der Sondergesandte mit Botschafterrang hat die Aufgabe, diese Politik unseren Ansprechpartnern in der Region gegenüber zu erklären und zu vertreten.
Worum geht es in der EU-Strategie zum Indopazifik?
Sie ist sehr breit und umfasst Themen wie den Klimawandel, Meerespolitik, nachhaltigen Wohlstand oder menschliche Sicherheit – zum Beispiel bei Naturkatastrophen. Ein Novum für die EU ist, dass die Strategie auch ein Kapitel zu militärischer Sicherheit und Verteidigung beinhaltet.
Zur Person
Gabriele Visentin – EU-Botschafter
Der Botschafter Gabriele Visentin vertritt seit 2022 die EU in Australien. Zuvor hatte der Italiener verschiedene Posten im Europäischen Auswärtigen Dienst inne, unter anderem als Sondergesandter für den Indopazifik.
Warum sind Entwicklungen im Indopazifik überhaupt wichtig für Bürgerinnen und Bürger der EU?
40 Prozent des EU-Aussenhandels entfallen auf den indopazifischen Raum, unser Wohlstand hängt also stark von dieser Region ab. Geopolitische Spannungen in Asien wirken sich auf Europa aus – und umgekehrt. Was passiert, wenn der Handel mit Asien unterbrochen wird, haben wir gesehen, als 2021 ein riesiges Containerschiff während sechs Tagen den Suezkanal blockierte. Und wir sehen es jetzt mit den Angriffen der Huthi auf die Schifffahrt im Roten Meer. Darum hat die EU dort die Mission Aspides gestartet.
Wenn man vom Indopazifik spricht, geht es unweigerlich auch um China. Peking sieht sogar den Begriff «Indopazifik» als gegen sich gerichtet.
Unsere Indopazifikstrategie ist nicht gegen irgendjemanden gerichtet. Es geht uns nicht um Konfrontation, sondern um Kooperation.
Aber wenn es um China geht, sind sich die Mitglieder der EU ja nicht immer einig.
Als EU haben wir einen klaren Ansatz, wie wir mit China umgehen. China ist für uns ein Partner in Bereichen, in denen wir gemeinsame Interessen haben. Der Kampf gegen den Klimawandel zum Beispiel ist ohne Peking nicht möglich. China ist ein wirtschaftlicher Wettbewerber. Wir stellen uns diesem Wettbewerb, solange sich Peking an die Regeln hält. Letztlich – und das ist wohl der schwierigste Aspekt – ist China ein systemischer Rivale der EU. Bei Fragen wie Menschenrechten, Demokratie oder dem Respekt für die Uno-Charta gibt es keine Kompromisse.
China versucht zum Beispiel das Recht auf freie Schifffahrt, das im internationalen Seerecht verankert ist, im Südchinesischen Meer einzuschränken.
Das ist die systemische Rivalität, von der ich gesprochen habe.
Wie können Sie China dazu bringen, diese Regeln zu respektieren?
Wir bringen diese Themen immer wieder zur Sprache, auch bei Treffen auf höchster Ebene. Wir müssen mit den chinesischen Behörden sehr offen und direkt über die problematischen Themen sprechen. Dazu gehört ebenso die Einhaltung des Völkerrechts wie der Respekt vor Menschenrechten.
Einzelne EU-Länder schicken ab und zu auch militärische Schiffe und Flugzeuge in die Region. Was bringt das?
Gegenwärtig nehmen französische, deutsche, spanische und italienische Flugzeuge am multinationalen Manöver «Pitch Black» im Norden Australiens teil. Die Italiener haben dazu sogar einen Flugzeugträger geschickt. Es freut mich besonders, dass die Mitgliedstaaten ihre Teilnahme an «Pitch Black» als europäische Präsenz sehen. Das ist also ein konkretes Beispiel für die Umsetzung der EU-Strategie für den Indopazifik im Bereich Sicherheit und Verteidigung.
Kritiker sagen, dass die Europäer monatelange Vorbereitungen brauchen, nur um ein paar Flugzeuge in den Indopazifik verlegen zu können.
Natürlich braucht eine solche Übung eine lange Vorlaufzeit. Mit der Teilnahme hier in Australien sammeln die beteiligten Luftwaffen Erfahrung darin, Flugzeuge über weite Distanzen zu verlegen. Und sie unterstützen sich gegenseitig: So kann ein Tankflugzeug eines Landes auch Kampfjets eines anderen betanken. Europäische Länder könnten innerhalb von drei Tagen Flugzeuge in den Indopazifik verlegen, wenn es zu einer Krise kommt. Das haben mir verschiedene Militärangehörige der an der Übung beteiligten europäischen Luftwaffen gesagt.
Wir treffen uns hier in Perth an der Indian Ocean Defense and Security Conference, und da geht es vor allem um Aukus, den trilateralen Verbund zwischen Australien, Grossbritannien und den USA. Welche Rolle kann die EU da spielen?
Aukus hat zwei Säulen. Zum einen soll Australien atomgetriebene U-Boote erhalten. Das läuft nur unter den drei Aukus-Partnern, die EU ist nicht involviert. In der zweiten Säule geht es darum, gemeinsam zukunftsweisende militärische Technologien zu entwickeln. Da ist Aukus offen für weitere Partner. Die europäische Industrie kann eine wichtige Rolle spielen. Es gibt eine geopolitische Komponente, wenn gleichgesinnte Länder gemeinsam an Rüstungstechnologien der Zukunft arbeiten. Es zeigt, wie demokratische Länder zusammenrücken, um gemeinsam die geopolitischen Spannungen anzugehen.
Australien baut seine Streitkräfte stark aus, insbesondere die Marine. Eröffnet das Möglichkeiten für europäische Rüstungsfirmen?
Ja, bei der künftigen Mehrzweckfregatte sind zwei europäische Modelle im Rennen, ein deutsches und ein spanisches. Weil es noch länger dauert, bis die Aukus-U-Boote verfügbar sind, muss die Lebenszeit der bisherigen Collins-Klasse verlängert werden. Diese dieselelektrisch angetriebenen Boote basieren auf einem Design von Saab. Die schwedische Firma hat bereits den Auftrag erhalten, diese U-Boote länger nutzbar zu machen.







