Die USA gehen bei der Neugestaltung der europäischen Sicherheit in die Offensive – und ignorieren die Forderungen der Europäer. Diese wollen sich nicht mehr alles gefallen lassen.
Manchmal sagt die Körperhaltung mehr als Worte: Der Kopf gesenkt, die Arme verschränkt, der Blick starr – so wurden EU-Aussenminister und ihre Mitarbeiter am Sonntagmorgen fotografiert, als sie sich am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz versammelt hatten. Besser hätten sie die derzeitige Stimmungslage nicht ausdrücken können: Was sie in den vergangenen Tagen von verschiedenen Mitgliedern der amerikanischen Regierung vernommen haben, hat in den europäischen Hauptstädten und der EU-Zentrale für eine Mischung aus Schock, Empörung und Ratlosigkeit gesorgt.
Die Aussenminister bereiteten das Terrain für ein weit bedeutsameres Krisentreffen vor, das in Paris stattfindet: Wie Kommission und Rat der EU sowie das Élysée übereinstimmend bestätigten, wird am Montag ein in aller Eile einberufener Minigipfel abgehalten. Die Initiative hat, zum wiederholten Male bei geopolitischen Fragestellungen, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ergriffen.
Anreisen werden die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Italien, Polen, Spanien, den Niederlanden, Dänemark und die Spitzenvertreter der EU-Institutionen sowie Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Mit dem Vereinigten Königreich ist auch ein Nicht-EU-Staat an Bord.
«Kein Frieden ohne Ukraine und EU»
Denn das, was sie zu besprechen haben, ist für den gesamten Kontinent von überragender Bedeutung – es könnten entscheidende Tage für die gesamte europäische Sicherheitsarchitektur sein. Wie soll Europa auf die Auswirkungen eines möglichen Abkommens zur Beendigung des Ukraine-Krieges reagieren, so wie es der amerikanische Präsident Donald Trump und Verteidigungsminister Pete Hegseth diese Woche skizziert haben?
Eigentlich möchten die EU und ihre Verbündeten bei den sich anbahnenden Gesprächen zwischen den USA und Russland ja mitreden – schliesslich geht es um «ihren» Kontinent. «Ohne die Ukraine und ohne die EU wird es keine glaubwürdigen Verhandlungen und keinen andauernden Frieden geben», wiederholte Ratspräsident António Costa am Freitag, also zwei Tage nach Trumps und Hegseths brachialen Ankündigungen.
Die US-Administration scheinen die europäischen Begehrlichkeiten freilich wenig zu kümmern: Die EU bleibt von den bereits diese Woche in Saudiarabien beginnenden Gesprächen ausgeschlossen. Keith Kellog, der amerikanische Sondergesandte für die Ukraine, teilte seinen «europäischen Freunden» in München lapidar mit, sie sollten sich nicht darüber beklagen, nicht am Tisch zu sitzen, sondern sich besser selbst «mit konkreten Vorschlägen» einbringen. Das für Montag geplante Treffen zwischen ihm und EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen wurde angesichts des Pariser Sondergipfels verschoben.
Europäische Truppen im Hintergrund?
Bei der Überwachung eines wie auch immer gearteten Abkommens werden die europäischen Staaten gemäss amerikanischer Vorstellung den grössten Teil oder gar die ganze Last tragen müssen. Die Gespräche in Paris werden sich also auch darum drehen, wie eine derartige Friedenstruppe ausgestaltet sein müsste, um für den Kreml eine glaubhafte Abschreckung zu sein. Wie viele Brigaden wären notwendig? Mit welchen Waffensystemen müssten sie ausgerüstet sein? Gemäss «Financial Times» steht etwa im Raum, dass europäische Truppen nicht an, sondern hinter der Frontlinie stationiert würden – als Absicherung für die ukrainische Armee.
Allzu detaillierte Antworten auf die offenen Fragen sind aus Paris noch nicht zu erwarten, dazu sind die Konturen eines potenziellen Ukraine-Deals bis jetzt zu schwammig. Hauptziel ist, dass die militärisch und politisch führenden EU-Staaten eine gemeinsame Linie finden, die nicht nur aus allgemeiner Empörung besteht. Zudem wird die weitere militärische, logistische und finanzielle Unterstützung der Ukraine diskutiert – wiederum vor dem Hintergrund, dass die USA ihren bisherigen Kurs mutmasslich radikal ändern werden.
Die «wesentlichen» europäischen Staaten
In Paris versammeln sich nun die europäischen «Hauptstaaten», wie Frankreichs Aussenminister Jean-Noël Barrot am Sonntag wenig diplomatisch sagte. In einem zweiten Schritt ist davon auszugehen, dass auch andere EU-Länder – notabene die baltischen und nordeuropäischen – noch ein Wort mitreden möchten.
Dass sie besser nicht selbst über die Köpfe anderer entscheiden sollten, wenn sie dieses Vorgehen gegenüber den USA kritisieren, scheint den Organisatoren des Sondergipfels bewusst zu sein. Nach diesem ersten Treffen werde die Diskussion «in anderen Formaten» weitergeführt – mit der Absicht, all jene Partner zusammenzubringen, die «an Frieden und Sicherheit in Europa interessiert sind», heisst es.