Die dänische Schriftstellerin Helle Helle hat eine weibliche Tragikomödie mit schlackenloser Eleganz verfasst. Die Hauptfigur Hafni ist 48 Jahre alt, ein wenig übergewichtig mit «Hängebauch» und in einer schweren Lebenskrise. Dann zieht sie los.
Der feministische Traum vom Zimmer für sich allein wird im neuen Roman der dänischen Autorin Helle Helle zu einem Albtraum voll grandioser Komik. «Hafni sagt» ist lose verknüpft mit den beiden Vorgängern, die 2022 unter dem Titel «SIE und BOB» als Doppelroman im Dörlemann-Verlag erschienen waren. Dort kam Hafni Jörgensen nur ganz nebenbei vor, und nun ist sie die Hauptfigur: 48 Jahre alt, ein wenig übergewichtig mit «Hängebauch» und in einer schweren Lebenskrise; ihre beiden Kinder sind ausgezogen und machen sich rar, ihr Mann ist gar keine «bessere Hälfte», sondern ein blasses Gespenst, von dem sie sich scheiden lassen will.
Davor aber schenkt sie sich zum Trost noch eine «Smörrebröd-Reise», allein im Auto kreuz und quer über die Inseln im ländlichen Süden Dänemarks, allein in Hotelzimmern und mit viel Smörrebröd (belegtes Butterbrot), jenen dänischen Leckerbissen, die nicht zum Abnehmen geeignet sind. Acht Tage sollte das dauern, aber es werden vier Wochen daraus, weil Hafni so peinlich unentschlossen ist und weil so viel Unvorhergesehenes passiert. Sie stolpert durch rührende Szenen und Missgeschicke, fällt immer tiefer (auch buchstäblich in den Schlamm), rappelt sich wieder auf und wird belohnt mit einer üppigen «Kaffeetafel» samt vielen Sorten von Kuchen.
Narrative Verschachtelung
Am Ende der Reise sitzt sie auf einem Rastplatz im Auto und erzählt davon am Telefon, berichtet ihre Abenteuer einer namenlos bleibenden Freundin, die sie seit dreizehn Jahren nicht gesehen hat. Diese ist die eigentliche Erzählerin des Romans, die Hafnis Rede wiedergibt und deren Straucheln knapp kommentiert. Die narrative Verschachtelung ist kunstvoll konstruiert, die Sprache von raffinierter Kargheit, voller Halbsätze und Leerstellen mit Pausen für Blicke und Gesten, für Schrecken, Freuden und Enttäuschungen. Das ist kein Minimalismus, sondern Dichtung, es sind verdichtete Erzählungen, aus denen in hundert kleinen Szenen ein grosser Roman wird.
Hafni ist ein Ausbund an Unsicherheit. Bei Dutzenden Erlebnissen mit Unbekannten meint sie, alles falsch zu machen, in Supermärkten und auf der Strasse, mit Rezeptionistinnen und Kellnern, bei Begegnungen mit anderen Frauen, die ebenfalls «gut im Futter» sind. Ständig tauscht sie die Turnschuhe gegen Pumps und stöckelt zu neuen Schlemmereien, schämt sich für jeden Bissen und schämt sich für diese Scham. «Ewige Peinlichkeit verfolgt sie.» Auch bei der Bekanntschaft mit einem Chemielehrer, jenem «Mann mit orangefarbener Badehose», bei ungewissem Treiben mit ihm «hinter einem Busch (. . .) wirr vom Rotwein, wirr von Zeit und Raum».
Als sie dann dem Richtigen zu begegnen scheint, einem Mann mit Schlafproblemen wie sie, kommt es zu einem Tauziehen der Gefühle. Endlich ein Mensch, bei dem sie nicht die Tendenz hat, «zu schnell zu viel zu sagen». Er zeigt ihr das Dorf seiner Kindheit, und sie «langweilt» sich nur «ein bisschen». Und, ja: «Sie umarmten sich» vor der Tür ihres Hotelzimmers. Doch am nächsten Tag bleibt er verschwunden; sie hinterlässt ihm einen Zettel an der Rezeption, bereut das natürlich gleich wieder als Peinlichkeit und tröstet sich erneut «mit Toastbrot und Butter und Wein und Avocado».
Ein gewisser Bob
Helle Helle schreibt diese weibliche Tragikomödie mit schlackenloser Eleganz (und die Übersetzerin Flora Fink hält mit), ihre Sätze sind kurz, teilweise im Infinitiv, und sie verschweigen oft mehr, als sie sagen. Es ist eine Sprache des Zögerns, des Prüfens, des Stammelns in Bruchstücken, die wie Mosaiksteine leuchten, deren Intensität aus dem Unspektakulären entsteht. Während Hafni isst, trinkt, sich verirrt und doch immer weitermacht, verdunkeln Wolken ihr Leben, ihre Wechseljahre und ihre Zukunft.
Auf der letzten Seite des Romans, als Hafni auf dem Heimweg wieder einmal eine Autofähre nimmt, trifft sie dort zufällig einen gewissen Bob, der die Freundin am anderen Ende der Telefonverbindung angeblich grüssen lässt. Zu ihr sagt Hafni: «Das ist auch der Grund für meinen Anruf.» Aber der unbedarfte Leser weiss nicht, wer dieser Bob ist, weil es nicht erklärt wird. Nur die informierte Leserin kennt ihn schon aus den beiden Vorgängerromanen, jenen Bob, um den die zwei Freundinnen in jungen Jahren rivalisiert hatten. Und wie es mit Hafni weitergeht, wie sie durch das südliche England irrt (unter anderem auf den Spuren von Virginia Woolf) und dabei auch noch ihren nervigen Bruder am Hals hat, das erfahren wir in dem kürzlich auf Dänisch erschienenen Roman «Hey Hafni» – hoffentlich auch bald auf Deutsch.
Helle Helle: Hafni sagt. Roman. Aus dem Dänischen von Flora Fink. Penguin-Verlag, München 2025. 207 S., Fr. 33.90.








