Heisse Vintage-Ware
Handtaschen von Hermès, Chanel und Louis Vuitton sind auf dem Sekundärmarkt heiss begehrt. Der junge Sektor boomt, ist aber auch mit Risiken verbunden.
Stagnation in der Luxusbranche? Das mag im Allgemeinen auf den derzeitigen Handel mit prestigereichen Gütern zutreffen, nicht aber auf einen jungen Untersektor: Der Secondhand-Markt erlebt zurzeit einen Boom.
Das Branchenportal Business of Fashion (BoF) publizierte jüngst Zahlen, denen gemäss der Secondhand-Luxusmarkt im Jahr 2022 einen Wert von 43 Milliarden erreichte und weiterhin am Wachsen ist – trotz der sich abzeichnenden Verlangsamung des Luxusmarkts. Nach Angaben der Ellen MacArthur Foundation soll der weltweite Markt für den Wiederverkauf von Luxusgütern bis 2027 auf einen Wert von 250 Milliarden Dollar wachsen. Rosige Aussichten also für alle, die sich bereits im Sektor etablieren konnten?
Die Secondhand-Plattform Vestiaire Collective, die 2009 als Startup gegründet wurde, strebt laut Berichten 2025 einen Börsengang an. Gemäss CEO Maximilian Bittner wuchs sein Unternehmen im Jahr 2023 um 25 Prozent, langsamer als noch vor zwei Jahren, aber mit Anzeichen eines Aufschwungs. Das Unternehmen soll noch in diesem Jahr profitabel werden.
Auch Balenciaga, Burberry und Gucci setzen auf Wiederverkauf
Auch Luxusmarken spüren die Nachfrage nach Produkten aus zweiter Hand. Manche Labels nehmen die Sache gleich selbst in die Hand: Balenciaga startete im Herbst 2022 ein Re-sell-Programm mit Partner Reflaunt, Burberry bereits im Dezember 2021 mit Partner My Wardrobe HQ, während Gucci die neue Plattform Gucci Vintage ankündigt, eine Weiterentwicklung des bisherigen Konzepts Gucci Vault mit raren Archivstücken – auch mit Handtaschen aus vergangenen Saisons.
Und der Pionier aller Resale-Plattformen, Ebay, verkündete im April 2023, dass eine neue Markenplattform in Planung sei, auf der das Unternehmen direkt mit Marken zusammenarbeiten wird, um deren Wiederverkaufsaktivitäten zu steigern und den Käufern exklusive Luxusgüter anzubieten.
Authentifizierung als entscheidender Faktor im Kampf gegen Fälschungen
Die Zeichen stehen klar: Luxusgüter aus zweiter Hand sind zu einer eigenständigen Anlageklasse geworden. Aber nur, solange es sich um echte Ware handelt.
Entscheidend ist dabei die Authentifizierung der Handelsware. Denn gut gemachte Fälschungen sind im Umlauf: Laut einer Studie von «BoF Insights» glauben um die 25 Prozent der befragten Luxuskäuferinnen und -käufer, dass sie schon einmal ein gefälschtes Luxusaccessoire gekauft haben, oder sind sich zumindest unsicher, ob sie dies getan haben.
Für Luxusmarken wird dies zum Problem. Als eine der renommiertesten Luxusmarken der Welt vertreibt das französische Modehaus Chanel seine begehrten Handtaschen unter strenger Kontrolle, sie sind nie im Ausverkauf oder online erhältlich, und die Preise stiegen in den letzten Jahren stetig – alles Massnahmen, die zur exklusiven Aura der Marke beitragen.
«Luxury Resale»-Händler sehen sie als Gefahr: So gilt etwa Chanel als einer der aggressivsten Herausforderer im raschen Wiederverkaufsbereich: Wer im Verdacht steht, sich mit Taschen einzudecken, um diese wiederzuverkaufen, wird als Kunde gesperrt. Und mit gewissen Resale-Händlern, die im Verdacht stehen, Verbraucher mit Fälschungen zu täuschen und so dem Markenimage zu schaden, steht Chanel seit Jahren im Rechtsstreit.
Jüngst hat die Marke nach sechsjährigem Rechtsstreit mit dem Resale-Portal What Goes Around Comes Around einen Schadenersatz von 4 Millionen Dollar zugesprochen erhalten, wegen Markenrechtsverletzungen, des Verkaufs gefälschter Waren und falscher Werbung. Für Chanel ist klar: Nur der Markeninhaber kann die Echtheit eines Produktes garantieren.
Optimierungsbedarf bei der Verifizierung
Ähnliches bestätigen Experten gegenüber BoF: Es sei schwierig, ein Produkt zu 100 Prozent zu validieren. Selbst den besten Händlern und «Beglaubigern» könnten Fehler unterlaufen. Der verurteilte Händler What Goes Around Comes Around hält daran fest, dass die Authentifizierungsverfahren streng seien und kein gefälschtes oder unechtes Produkt verkauft worden sei.
Mit Gewissheit lässt sich sagen: Noch besteht im Geschäft mit dem Wiederverkauf von Luxushandtaschen Optimierungsbedarf. Die vielen Anbieter betonen zwar die Seriosität ihrer jeweiligen Verifizierungen, die auf jahrelangen Erfahrungen, Kenntnissen von Experten und Insidern basieren, doch fällt auf, dass jeder aufgrund unterschiedlicher Kriterien, Quellen und Fakten entscheidet.
Die Beglaubigungsverfahren bei Luxushandtaschen hinken im Gegensatz zum Sekundärmarkt der Uhrenbranche hintennach. Uhrenhändler Bucherer etwa arbeitet für sein 2019 lanciertes Standbein «Pre-Owned Certified» (CPO) direkt mit den Marken zusammen, hat Zugang zu deren Maschinen und Daten, ist etwa offizieller Pre-Owned-Partner von Marken wie Cartier, Rolex oder Breitling.