Um der Gewalt in der Zürcher Fussballszene Herr zu werden, müssen die Erwachsenen geeinigt zusammenstehen.
Luca Maggi, der Sicherheitschef des FC Zürich, gibt gerade Interviews im Akkord. Er bereitet den Boden für das, was ansteht. Zweimal treffen in diesen Tagen die Zürcher Fussballvereine FCZ und GC aufeinander. Ein Teil ihrer meist jugendlichen Anhänger fällt negativ auf, weil sie sich einen Kleinkrieg liefern, der die Grenzen harmloser Kinderspiele längst überschritten hat. Auch Unbeteiligte kommen dabei zu Schaden.
Die Interviews – auch in der NZZ – sind schwere Kost, weil Maggi kapitale Fehler begeht. Er macht Täter zu Opfern, verortet Schuld und Verantwortung oft bei den Sicherheitsbehörden und verlangt von der Gesellschaft, dass sie Grenzüberschreitungen von Fans akzeptieren müsse. «Wenn es die Behörden schaffen, dass sie derart zum Feindbild werden . . .» – so klingen Erklärungsversuche bei Maggi.
Solche Aussagen sind ein Nährboden, auf dem die Unkultur der Gewalt ungestört gedeihen kann. Sie lassen zweifeln, ob es mit solchem Personal gelingen kann, die Dynamik zu brechen.
Doppelt bedauerlich sind sie, weil Maggi auch bedenkenswerte Impulse gibt und Differenzierungen vorschlägt, die für eine sachliche Debatte hilfreich sind. Aber durch seine Ressentiments gegenüber Polizei und Sicherheitsbehörden macht er sich als Überbringer solcher Botschaften unglaubwürdig – und die Botschaften gleich mit.
Die Voreingenommenheit kommt nicht von ungefähr: Der 34-jährige Maggi ist in der Fankurve des FCZ sozialisiert worden. Er lancierte seine politische Karriere, indem er den Kampf gegen das «Hooligan-Konkordat» im Kanton Zürich anführte. Und als er für die Grünen ins Zürcher Stadtparlament einzog, profilierte er sich als Polizeikritiker.
Akzeptanz für Gewalttaten? Schon Toleranz ginge zu weit
Ausgerechnet diesen Mann zum Sicherheitschef zu machen, mag eine Logik haben: Die Probleme bekommt man nur in den Griff, wenn die Fankurve kooperiert. Deshalb braucht es einen guten Zugang zu dieser Parallelwelt.
Der Sicherheitschef eines Fussballklubs hat aber eine Scharnierfunktion, er sollte den Sicherheitsbehörden gegenüber genauso offen und kooperativ sein. Hier muss Maggi einen Entwicklungsschritt machen – sonst ist er fehl am Platz.
Ihm steht sein Credo im Weg, dass Repression kontraproduktiv ist, weil sie auch die nicht gewalttätige Mehrheit der Fans trifft und so zur Solidarisierung der Fankurve führt. Er ignoriert, dass es Formen von Entschlossenheit und Konsequenz gibt, die nicht auf unilateral verfügte Massnahmen und einen Machtkampf hinauslaufen.
Ein Ansatz ist das Konzept der Neuen Autorität, verbreitet in der Volksschule. Es orientiert sich am Sprichwort: «Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.» Wenn Regeln gebrochen werden, sollen die Erwachsenen dem Konflikt nicht ausweichen, sondern zusammenstehen und Widerstand leisten. Gewaltlos, aber mit unnachgiebiger Präsenz und Entschlossenheit.
Für den Fussball hiesse das: Sicherheitskräfte, Klubvertreter, erwachsene Mitglieder der Fankurve – und ja: auch die Eltern gewaltbereiter Fans – treffen Vereinbarungen und stehen dann dafür ein.
Laut Maggi gibt es erfolgreiche Versuche in diese Richtung. Das wäre ein Anfang. Aber Dialog darf kein Selbstzweck sein. Reden bringt nichts, wenn man im Voraus zu wissen glaubt, was nicht funktioniert. Man muss gemeinsam neue Wege erproben und dann Bilanz ziehen. Gefragt ist Offenheit für Vorschläge von beiden Seiten, auch für unbeliebte wie die personalisierten Tickets. Gefragt ist auch Vertrauen.
Was nicht hilft: wenn ein Sicherheitschef den Behörden die Schuld dafür zuschiebt, dass die Fankurve Täter aus ihren Reihen deckt. Das ist so klug wie ein Vater, der vor den Augen des Kindes der Mutter in den Rücken fällt.
Ebenso falsch ist es, Akzeptanz für gewalttätiges Verhalten zu verlangen. Denn Akzeptanz heisst: Billigung. Schon Toleranz ginge zu weit. Gewalt mag unvermeidlich sein, aber die Erwachsenen im und ums Stadion müssen ihr konsequent entgegentreten. Vereint.