Meister YB offenbart auch unter Giorgio Contini altbekannte Schwächen – der Liga-Alltag inspiriert die Berner scheinbar kaum, das zeigt sich beim 0:0 gegen GC einmal mehr.
Als Giorgio Contini im Dezember Trainer der Young Boys wurde, da sagte er mit Blick auf die ersten Meisterschaftsspiele im neuen Jahr, dass sein Team diese gewinnen müsse. Da brauche man sich nichts vorzumachen, sagte Contini noch.
Contini meinte die Begegnungen mit Winterthur, GC und Yverdon, den einzigen Super-League-Teams, die YB nach einer schlimmen Vorrunde hinter sich gelassen hatte. Nun wollte es der Spielplan, dass dem taumelnden Meister just diese drei Gegner innerhalb der ersten vier Super-League-Spieltage unter dem neuen Trainer vorgesetzt wurden; ein Steilpass, um eine Aufholjagd zu lancieren, eigentlich.
Nur ist es mit den Steilpässen so: Man muss sie verwerten, sonst rollen sie ins Leere, und in letzter Zeit ist bei den Young Boys so einiges ins Leere gerollt. Das war auch am Samstagabend so, im Zürcher Letzigrund, wo die Berner gegen GC 0:0 spielten.
0:0, 0:1, 0:0 lautet die erste Contini-Bilanz
Es war das dritte Spiel unter Giorgio Contini und nach jenem in Winterthur das zweite, von dem der neue Trainer gesagt hatte, dass man es gewinnen müsse. Nur hat YB wieder nicht gewonnen, nicht einmal ein Tor brachten die Berner zustande, wie beim 0:0 in Winterthur, wie beim 0:1 unter der Woche in der Champions League gegen Celtic Glasgow.
0:0, 0:1, 0:0, das ist die erste Bilanz unter Contini, dem Trainer, der angetreten war, um die Young Boys wieder aufzurichten. 270 Minuten und noch kein einziger Torjubel, dazu nur zwei statt sechs Punkte in der Super League. Ein Fehlstart, keine Frage, und einer, der zeigt, dass die Berner Probleme sich nicht einfach so wegwischen lassen. Auch wenn sie gegen Winterthur genug Chancen zum Sieg hatten. Auch wenn sie in Glasgow eine gute zweite Halbzeit zeigen und wegen eines unglücklichen Eigentores verloren.
Am Samstagabend, beim 0:0 gegen GC, bieten die Berner wenig Erbauliches. Danach klingt Trainer Contini zuweilen schon wie ein Trainer im Krisenmodus. Er werde seinem Weg treu bleiben, sagt er einmal, mit Demut und Resilienz, weil er wisse, was er könne.
Im Letzigrund trifft Contini auf Thomas Oral, den Deutschen, der die Grasshoppers im November übernommen hatte. Es ist der Vergleich zweier neuer Trainer, und es ist vor allem Orals GC, bei dem sich ein Effekt erkennen lässt. Noch nie haben die Zürcher in den sechs Spielen unter ihm verloren. Gegen YB stehen sie dem Sieg näher, nach 48 Minuten kommen sie sogar zu einem Penalty, den Adama Bojang aber verschiesst.
Hinterher sagt Oral, sein GC liege immer noch auf Intensivstation, aber vor seiner Ankunft habe sein Team geschlafen, und jetzt sei es wach. Und was ist mit YB, Giorgio Contini? Das sei «ziemlich lebendig, weit weg von der Intensivstation», sagt der Trainer.
Die Berner haben gegen GC zwar öfter den Ball, und sie geben auch mehr Schüsse ab, 24 sind es insgesamt. Aber oft sieht das so aus wie in der 83. Minute. Da feuern Silvère Ganvoula, Filip Ugrinic und Rayan Raveloson innert Sekunden drei Versuche ab. Es sind Szenen, die für den ganzen Abend stehen, weil sie die Berner Ratlosigkeit illustrieren. Die Berner schiessen, weil sie nicht wissen, was sie sonst mit dem Ball anfangen sollen; dreimal bleibt der Ball in der vielbeinigen GC-Abwehr hängen.
Die YB-Spieler und der Platz
Als sie das Spiel analysieren sollen, beschweren sich die YB-Fussballer bald einmal über den Platz, der ihnen das Leben schwer gemacht habe, gerade in der Offensive. Tatsächlich ist der Rasen im Letzigrund in keinem guten Zustand, aber die Berner Defizite liegen tiefer, schon länger, und auch an diesem Abend wieder.
Sie haben in der Super League bisher erst ein Auswärtsspiel gewonnen, oft wirken sie in der Fremde uninspiriert, manchmal gar lustlos. Das ist im Letzigrund nicht anders. Trainer Contini spricht von «der Bissigkeit in den Zweikämpfen», die seinem Team abgegangen sei, einer gewissen Intensität auch. Als er von einem Fernsehreporter gefragt wird, ob an diesem Abend vielleicht fünf Prozent gefehlt hätten, entgegnet Contini, er habe das Gefühl gehabt, es seien mehr als fünf Prozent gewesen. Das sind erstaunliche Befunde über ein Team, das sich eigentlich angeschickt hatte, mit dem neuen Trainer eine Aufholjagd zu starten.
Für Contini, der schon in St. Gallen Trainer war, in Lausanne und bei GC, der zuletzt an der Seite von Murat Yakin die Nationalmannschaft an der EM bis in den Viertelfinal führte, verkörpert der Job beim langjährigen Liga-Dominator eine grosse Chance. Aber einfach ist die Aufgabe in Bern nicht, und wahrscheinlich war Contini ganz gut beraten, dass er nach seinem Amtsantritt nicht vom Meistertitel sprach. Sondern davon, dass es nun darum gehe, es noch unter die ersten sechs zu schaffen. Dass die Champions-League-Kampagne am Mittwoch mit dem Spiel gegen Roter Stern Belgrad endet, ist für die Berner eine gute Nachricht. Sie hat Köpfe verdreht und Kräfte absorbiert.
Im Letzigrund stehen mit Cheikh Niasse und Meschack Elia zwei Berner Spieler nicht im Aufgebot, weil sie sich in Transferverhandlungen befinden. Mit Mittelfeldspieler Raveloson debütiert ein Neuzugang. Christian Fassnacht, der mit den Young Boys fünf Mal Meister wurde und im Winter aus England nach Bern zurückkehrte, wird bald sein Comeback geben.
Fassnacht kam als Hoffnungsträger, und das ist er nach der ersten Woche des neuen Fussball-Jahres noch mehr. Denn sie hat eines gezeigt: Die Berner können frisches Blut gut gebrauchen – und auch das alte YB-Blut, für das Fassnacht steht.