Die Tochter des britischen Weltkriegsveteranen Frank heiratet, während die Kubakrise zu eskalieren droht. Muss die Hochzeit abgesagt werden? Frank beschäftigt anderes. Die politischen Ereignisse wecken Erinnerungen an seine Kriegseinsätze. Eine Erzählung von Graham Swift.
Es war 1962, Ende Oktober. Russische Marschflugkörper wurden nach Kuba verschifft. Kennedy lag mit Chruschtschow im Streit. Das Ende der Welt schien nahe.
Oft hörte man die Bemerkung: «Nimm’s nicht so tragisch, ist doch nicht das Ende der Welt.»
*
Joan, Frank Greens Frau, hatte soeben mit angsterfülltem Gesicht gesagt: «Ist das das Ende der Welt, Frankie?»
Er sagte: «Unsinn.»
Beinahe hätte er gesagt: «Wie soll ich das wissen?» Aber das schien ihm zu flapsig. Seine Frau wirkte zutiefst verunsichert.
«Meinst du, das Ende der Welt kommt noch vor der Hochzeit?»
Hatte sie das wirklich gesagt?
«Sophie hat sich in ihrem Zimmer eingesperrt. Sie lässt mich nicht rein. Sie weint die ganze Zeit. Diese Woche wollten wir das Kleid abholen.»
«Dann holt es doch ab.»
Das war an einem Dienstagabend. Wie viele Menschen verabscheute Frank den Montag, aber war der Dienstag da, dann war seine Stimmung gewöhnlich recht ausgeglichen. Der schlimmste Tag der Woche lag hinter ihm, und auf die anderen war er gefasst.
Aber dies war keine Woche wie alle anderen. Seine Tochter Sophie würde in weniger als vierzehn Tagen heiraten. Alles war fertig. Er hatte riesige Summen ausgegeben, doch darum ging es nicht. Er sollte die kommenden Tage gelassen angehen. In der Arbeit sagten seine Kollegen: «Langsam rückt der grosse Tag näher, was, Frank?»
Aber jetzt kam anscheinend das Ende der Welt dazwischen.
Er sagte abermals, in vielleicht sanfterem und dabei bestimmtem Ton: «Unsinn.» Der Ausdruck auf Joans Gesicht war aufrichtig. Die Nachrichten im Fernsehen waren wahr.
«Ich geh mal nach oben, vielleicht lässt sie mich rein.»
«Mach das.»
Dann tat Frank etwas, das er noch nie getan hatte. Er stellte sich vor seine Frau und packte sie bei den Schultern. Und er schüttelte sie, nicht fest, aber doch mit Nachdruck. Als wollte er sagen: «Hör auf damit.»
Ihm war klar, dass dies ein Vorstadium von Panik war. Um ihn herum knisterte die Luft. Er wusste, dass seine Frau mit Sophie etwas Ähnliches machen musste wie er gerade mit seiner Frau. Vorausgesetzt, Sophie liess ihre Mutter ins Zimmer.
Ihre Tochter war neunzehn und im Begriff zu heiraten. Sie war auch das Kind, das an seinem neunten Geburtstag einen heftigen Wutausbruch bekommen hatte, weil es in Strömen regnete und das versprochene Picknick nicht stattfinden konnte.
Er erinnerte sich an den Wutausbruch. Wie könnte er ihn vergessen? Er erinnerte sich, wie sehr es ihm leidgetan hatte, dass er machtlos war, was das Wetter anging.
«Sag ihr, es ist alles in Ordnung. Sag ihr . . . sag ihr, dass es nicht unsere Schuld ist.»
Warum hatte er das gesagt? Die Schuld seiner Tochter war es nicht, nein. Wessen Schuld war es dann, wenn nicht die der älteren Generation? Der Generation, zu der er und Joan gehörten.
Gerade als seine Frau gegangen war, um zu erreichen, dass ihre Tochter sie ins Zimmer liess, klingelte das Telefon. Er nahm ab. Es war Tony Hammond, Sophies zukünftiger Schwiegervater.
Tony kam ohne Umschweife zum Thema.
«Sollten wir es absagen, Frank? Angesichts der Situation, Debbie rastet aus. Vielleicht sollten wir es absagen?»
«Ist das dein Ernst?»
Frank atmete tief ein. Mit möglichst fester Stimme sagte er: «Man kann es nicht absagen. Es sind weniger als zwei Wochen bis dahin. Alles ist vorbereitet.»
Das war keine gute Antwort. Es klang, als hätte die Hochzeit abgesagt werden können. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte die Hochzeit seiner Tochter vielleicht abgesagt werden können – aber so kurz vorher war es unmöglich. Er hätte sagen sollen: «Es ist die Hochzeit meiner Tochter. Niemand sagt die ab.» Er hätte auch sagen können, wie er zu Joan gesagt hatte, nur noch entschiedener: «Das ist doch Unsinn, Tony.»
Aber er sprach mit dem zukünftigen Schwiegervater seiner Tochter.
Tony sagte: «Und wenn niemand kommt? Angesichts der Situation? Vielleicht kommt niemand. Falls wir noch hier sind. Vielleicht kommen sie nicht, wenn die Situation andauert.»
Hatte er richtig gehört? Er stellte sich vor, dass die Gäste, die zu der Hochzeit seiner Tochter eingeladen worden waren, nicht kommen würden, weil sie vor ihren Radios hockten, jederzeit bereit, in den nächsten Bunker zu stürzen. Wo immer ein solcher zu finden war.
Falls wir noch hier sind? Klar, natürlich würden die Gäste nicht kommen, wenn sie nicht mehr «hier» wären.
«Sie sind alle in derselben Zwangslage, Frank, vielleicht kommen sie nicht.»
Zwangslage? Situation? In Tonys Stimme schwang etwas mit, ähnlich dem, was sich in Joans Miene ausgedrückt hatte. Ihm wurde bewusst, dass Tony von dem, was er sagte, überzeugt war. Er glaubte an die «Situation». Warum hätte er sonst angerufen?
War also er, Frank Green, eine absonderliche Ausnahme? Der Einzige, der sich hartnäckig verweigerte?
Eine Stimme tief in Franks Innerem sagte: «Dies passiert nicht wirklich. Das kann nicht wirklich passieren.» Es war dieselbe beharrliche Stimme, die er in seinem Inneren gehört hatte, als er mit Knoten im Gedärm auf dem Bauch gelegen und über verschiedenen deutschen Städten Bomben abgeworfen hatte. Seit über zwanzig Jahren versuchte er, diese Erinnerungen nicht zuzulassen. Jetzt war es Tony Hammond, der sie wieder weckte. Er konnte Tony nicht an den Schultern schütteln, aber er hätte es auch nicht gewollt.
Plötzlich schäumte in Frank Wut gegen diesen Mann auf, der angeblich der Vater des Mannes war, den Sophie heiraten würde. Frank hatte ihn mehrmals getroffen, hatte seine Frau Deborah kennengelernt, die offenbar gerade «ausrastete». (Dasselbe traf ja anscheinend auch auf Sophie zu.) Frank konnte sich offen gestanden für Tony Hammond nicht sonderlich erwärmen, aber es war notwendig, dass sie sich anfreundeten.
Jetzt wurde ebendieser Freund in Sekundenschnelle zum Feind. Dabei war es überaus wichtig, dass Sophies Vater sich nicht mit Tony anlegte. Vielmehr musste er ihm sogar eine besondere Stellung als Freund gewähren.
Traf das auch auf Kennedy und Chruschtschow zu?
Frank durchschoss der Gedanke: Jetzt können sie es mit Langstreckenwaffen machen. Sie brauchen nicht mehr Hunderte von Menschen in die Luft zu jagen, in den Tod.
Gefasst und ruhig sagte er: «Niemand sagt die Hochzeit meiner Tochter ab, bloss weil das Ende der Welt nahe ist.» Hatte er das wirklich gesagt? «Ausserdem, Tony, glaub mir, du kannst ganz beruhigt sein. Es ist nicht das Ende der Welt, das verspreche ich dir. Bleib ganz ruhig. Wir werden nächste Woche alle noch hier sein.»
Und das, hatte er das wirklich gesagt? Woher wollte er das wissen, Himmel? Hatte er das Recht, etwas zu wissen – zu versprechen? War er Gott?
«Und an dem Samstag werden wir alle da sein. In der Kirche. Den Weg kennst du ja. Richte Deborah meine Grüsse aus. Sag ihr, sie soll die Ruhe bewahren. Und beste Grüsse an Steve, natürlich.»
Tony hatte Steves Zustand nicht erwähnt. Hockte er unter dem Tisch?
Die Menschen konnten wegen einer Hochzeit ausser sich geraten. Das wusste Frank. Es war allgemein bekannt. Aber nie zuvor hatte ihm die Hochzeit seiner eigenen Tochter bevorgestanden. Er hatte so gesprochen, als hätte er diese Hochzeit schon mehrmals vorbereitet und wäre öfter dabei gewesen, und diesmal wüsste er, dass alles glatt gehen würde. Manches musste man tun, und manches musste man immer wieder tun, aber für Hochzeiten traf dies nicht zu oder sollte zumindest nicht zutreffen.
In Wahrheit war all dies völlig neu für ihn, und er näherte sich dem Tag voller Angst und Beklommenheit. Und das ohne den Gedanken, dass das Ende der Welt bevorstand.
*
Aber er behielt recht. Die Hochzeit fand statt. Das Ende der Welt blieb aus. An besagtem Samstag wurde verlautbart, dass Kennedy und Chruschtschow zu einer Einigung gekommen seien. Die Welt konnte aufatmen. Das Hochzeitsfest – das Glockenläuten, das Konfetti – war umso festlicher und fröhlicher, weil die Hochzeitsgesellschaft in dem Bewusstsein feierte, dass das Ende der Welt nicht gekommen war.
Seine Tochter hatte nicht wie ein verschrecktes Mädchen ausgesehen. Sie hatte wie Grace Kelly ausgesehen.
*
Dann war die Hochzeit vorbei. Die Zeit ging weiter. Das Ereignis selbst würde unauslöschlich in der Erinnerung bleiben, aber die Vorbereitungen mit all ihren Unwägbarkeiten gehörten der Vergangenheit an. Braut und Bräutigam, jetzt Mr und Mrs, waren auf Hochzeitsreise (auch die war nicht abgesagt worden), und Frank und Joan Green gewöhnten sich an die Tatsache – es würde eine Weile dauern, dies war eine völlig neue Lebensphase –, dass es von jetzt an «nur sie beide» gab.
Es war November, die Dunkelheit fiel immer früher ein, es war die Zeit für Poppy-Anstecknadeln und das Bonfire-Fest.
*
Frank hatte noch immer seine alte Schaffell-Fliegerjacke, und wenn er in der kühleren Jahreszeit ein paar Dinge ums Haus herum zu erledigen hatte – das Laub auf dem Rasen zusammenharken, das Auto waschen, auf eine Leiter klettern und die Regenrinne säubern –, zog er sie über.
Es kam nicht selten vor, dass man Männer über vierzig in solchen Jacken sah. Sie bewiesen damit, dass sie noch hineinpassten und die Körpermasse ihrer Jugend nicht verloren hatten. Frank dachte nur selten an die Umstände, unter denen er damals die Jacke getragen hatte. Jetzt war sie einfach ein nützliches Bekleidungsstück, das in der Garage an einem Haken hing.
Hätte damals jemand zu ihm gesagt: «Eines Tages trägst du sie, um im Garten die welken Blätter zusammenzuharken . . .»
Aber wer hätte das sagen sollen?
Und hätte ihn jetzt jemand gefragt, warum er seine Fliegerjacke noch immer anzog, hätte er womöglich kurz gezögert und dann gesagt: «Sie leistet mir gute Dienste.»
In den letzten Jahren hatte er an jedem fünften November seine Fliegerjacke angezogen und war zu den Harpers in der Nummer 20 gegangen, um mit ihnen das Bonfire-Fest zu feiern. Manchmal kamen Joan und Sophie mit, aber das war nicht die Regel. Bob und Kate Harper hatten zwei Söhne, und das Bonfire-Fest in ihrem Garten war ein fester Termin. Joan und er hingegen hatten den Abend nie besonders begangen, da sie eine Tochter hatten.
Der fünfte November gab ihm die Gelegenheit, in seine Kindheit zurückzukehren – dessen war Frank sich deutlich bewusst. Wie sehr hatte er früher Guy Fawkes Night, das Bonfire-Fest, geliebt. Noch immer, während die Jahre vergingen, erinnerte er sich an die jährliche Erregung. An den Zauber, der von einem Karton mit Feuerwerkskörpern ausging.
Bob und Kate waren Gäste bei der Hochzeit gewesen, und Frank, als Vater der Braut im festlichen Anzug, hatte zu ihnen gesagt: «Wir sehen uns Montag, ja? Wenn ich noch kommen darf. Nicht so ausstaffiert, versteht sich.»
Kate hatte gelacht und gesagt: «Warum eigentlich nicht?»
Frank hatte sich schon im Frack beim Gartenfeuer stehen sehen.
Der fünfte November war diesmal ein Montag – der Wochentag, den Frank verabscheute. Aber war erst der Montagabend da, dann lief alles wieder glatt. Als er von der Arbeit nach Hause kam, vergewisserte er sich noch einmal bei Joan.
Sie sagte: «Geh nur. Warum nicht?»
Sofort hatte er das Gefühl, er sollte es nicht tun. Und er hätte sagen sollen: «Ich glaube, ich lasse es dieses Jahr, Joanie.»
Er glaubte aus Joans Stimme herauszuhören, dass sie dachte: Sollte er nicht langsam mit diesem Schwachsinn aufhören? Sie dachte: Sophie ist ausgezogen, und er will zum Feuerwerk gehen.
Aber gerade dieses Jahr wollte Frank gehen. Das Haus von Bob und Kate lag keine fünfzig Meter entfernt, und er wäre nur eine Stunde fort. Es war nicht so, dass er Joan den ganzen Abend alleinliess, ausserdem, warum kam sie nicht einfach mit?
Sophie war ausgezogen. Sie hatten gewusst, dass es eines Tages geschehen würde, und es war nicht das Ende der Welt.
Während Frank in seiner Fliegerjacke auf dem Weg zu Bobs und Kates Haus war, gingen um ihn herum die Leuchtraketen und Kracher hoch. Es roch nach Rauch.
Vor mehreren Jahrhunderten hatte es eine Verschwörung gegeben, den Gunpowder Plot, und auch die war gescheitert.
*
Bob machte ihm in Arbeitsklamotten auf und führte ihn gleich in den Garten. Dort war Kate mit den beiden Jungen, die aufgeregt umhersprangen. Man hätte meinen können, Kate müsse zwei angeleinte Hunde bändigen. Gerade hatte sie einen Feuerwerkskörper angezündet. Sie winkte und lachte. Sie trug eine Wollmütze mit Bommel. Das Feuer brannte schon. Der «Guy» obenauf, eine Puppe in einem alten Schlafanzug und mit einer Gesichtsmaske aus bemalter Pappe, wartete geduldig auf seine Verbrennung.
Plötzlich war da das Knistern und Zischen einer Rakete.
Bob sagte: «Tolles Fest am Samstag.» Frank sagte: «Schön, dass ihr da wart.»
«Undenkbar, es zu versäumen.»
«Und ich will das hier nicht versäumen.»
Die Harpers erwarteten Frank an diesem Novemberabend ohne besondere Einladung, es war Tradition, zu der auch das Tragen der Fliegerjacke gehörte. Sie fragten nicht, warum er gewöhnlich allein kam. Vielleicht dachten sie ganz unbefangen: Er will wieder ein Junge sein.
«Wie geht’s Joan?», fragte Bob.
«Gut. Sie lässt grüssen.»
«Ich hol dir was zum Wärmen.»
Frank lachte. «Hier lodert das Feuer, Bob, das wärmt mich.»
Doch dann wurde Bob von den Jungen und seiner Frau belagert, die wollten, dass er eine Rakete abfeuerte. Das musste ein erwachsener Mann machen – eine Rakete abfeuern. Sie wurde auf leere Milchflaschen montiert.
Frank sagte: «Mach ruhig.»
Er stand dabei und sah zu. Der Garten flimmerte im Feuerschein. Bob hockte sich mit der Streichholzschachtel hin, Kate hielt die Jungen fest. Es gab den üblichen Moment der Spannung, wenn alle dachten, nichts würde sich tun. Dann, als hätte sie einen eigenen Willen, fing die Rakete an zu zischen und hob ab, während die Umstehenden Oh und Ah riefen.
Plötzlich hatte Frank den frevlerischen Gedanken, dass er nichts dagegen gehabt hätte, wenn Bob und Kate Sophies Schwiegereltern geworden wären. Frevlerisch, und natürlich unmöglich. Welcher der beiden herumtollenden Jungen hätte seine Tochter geheiratet?
Aber Bob hätte nicht angerufen und ihm mit seinen hysterischen Ängsten in den Ohren gelegen.
Das abgenutzte Leder seiner Fliegerjacke blinkte metallen. Wenn sie in der Garage an ihrem Haken hing, behielten die Ärmel die gebeugte Form. Niemand hätte vor all den Jahren zu ihm gesagt: «Eines Tages wirst du deine Fliegerjacke beim Feuerwerk am Bonfire-Fest tragen, zwei Tage nach der Hochzeit deiner Tochter.»
Er hatte vor der Kirche gestanden, in seinem feinen Anzug, in der kühlen Herbstsonne, und Sophie mit klopfendem Herzen seinen Arm geboten. Sie sah aufsehenerregend aus in ihrem Kleid. Nur wenige Tage zuvor hatte sie sich in ihrem Zimmer eingeschlossen. Und jetzt war es, als hätte sie ihm übers Handgelenk gestrichen und gesagt: «Es wird schon gut gehen, Dad.»
Aus der Kirche kamen die unwiderruflichen Klänge der Orgel und die scharrenden Geräusche, als sich die Hochzeitsgäste erhoben.
*
Eigentlich hätte es das Letzte sein sollen, was er je hätte tun wollen: seine alte Fliegerjacke tragen, ins Feuer starren, einem Feuerwerk zusehen.
Aber die Wahrheit war, hätte er damals, was natürlich unmöglich war, sowohl da sein als auch nicht da sein können, als Zuschauer, sicher und ungefährdet, hätte er vielleicht gesagt, dass es – in einem immensen, schrecklichen Ausmass – ganz ähnlich war: unten am Boden lodernde Feuer, und am Himmel ein gewaltiges Spektakel – Kracher, Blitze, Feuerregen, Leuchtfeuer, der Strahl tanzender Suchscheinwerfer.
Seine innere Stimme hatte gesagt: «Du bist nicht wirklich hier. Das passiert nicht wirklich.»
Seine Sprechstimme hatte gesagt: «Ganz ruhig . . . halte sie in Position . . . noch nicht . . . noch nicht . . .»
*
Er musste zurück zu Joan. Erst die fieberhafte Erwartung, dann war alles zu Ende, so schnell. Der «Guy», die Puppe auf dem Feuer, war Asche. Das Gartenfeuer sackte zu einem Haufen orangefarbener Glut zusammen.
Aber bevor er gehen konnte, reichte Bob ihm mit einer Entschuldigung einen Becher mit etwas Heissem.
«Trink das, als Wegzehrung.» Wegzehrung? Für die fünfzig Meter?
Er sog den Dampf ein und erkannte den schwachen Fleischgeruch. Bob konnte es nicht wissen.
«Heisse Brühe», sagte Bob. «Vielmehr heisse Brühe mit einem kräftigen Schuss Scotch. Wer hätte gedacht, dass das eine derart gute Kombination ist.»
Heisse Brühe. Frühstück. Ende der Schicht und Frühstück. Der Tee hatte oft zu lange gezogen. Nicht, dass man Ansprüche stellte. Er war ein heisser Trunk, der einem die Möglichkeit gab, sich mit Flüssigkeit und Zucker zu füllen. Aber meistens konnte man auch heisse Brühe bekommen. So schlecht war es gar nicht.
Heisse Brühe zum Frühstück. Der Geschmack von Sicherheit, von Rückkehr, der Rückkehr – wenigstens für jetzt – ins Leben.
Es wäre gegen fünf Uhr morgens, bei anbrechender Dämmerung.
So unglaublich sie waren, diese frühen Morgen waren wie Montagabende. Gut, das hast du hinter dir. Jetzt kannst du dich darauf vorbereiten, es ein weiteres Mal hinter dich zu bringen.
Er nahm einen Schluck. Bob fragte: «Gut?»
«Ja, Bob, sehr gut.»
Auch ohne den Schuss Scotch wäre es sehr gut gewesen.
Lakonischer Erzähler
rbl. · Der 1949 in London geborene Schriftsteller Graham Swift gehört zu den bedeutendsten britischen Erzählern der Gegenwart. Sein 2016 veröffentlichter Roman «Mothering Sunday» (dt. «Ein Festtag», 2017) war ein internationaler Bestseller. Er ist 2021 verfilmt worden – wie zuvor schon die beiden Romane «Waterland» (1983) und «Last Orders» (1996), mit denen Graham Swift berühmt geworden war. Mitte April erscheint sein neuster Erzählband, «Twelve Post-War Tales» (Verlag Simon & Schuster), der zeitgleich bei DTV unter dem Titel «Nach dem Krieg» herauskommt. Jede der zwölf Erzählungen geht Spuren nach, die Kriege in der Psyche von Menschen hinterlassen haben. Die Erzählung «Feuerwerk» erscheint hier als Vorabdruck aus dem Band. – Aus dem Englischen von Susanne Höbel.