Viele denken, die Fifa zahle keine Steuern. Doch das stimmt nicht.
Nun ist es passiert: Mit grosser Mehrheit hat der Fifa-Kongress am Freitag in Bangkok einer symbolischen Distanzierung von seinem Schweizer Hauptsitz zugestimmt. Zürich wird als Hauptsitz aus den ersten Absätzen der Regularien gestrichen.
Seit Jahren wird über den Abschied der Fifa aus Zürich gewerweisst. Ob die Fifa mit der Statutenänderung tatsächlich den Abschied einleitet, ist offen. Der Fussballweltverband dementiert dies über seinen Mediendirektor Bryan Swanson. Dieser gibt zu Protokoll, man sei glücklich in der Schweiz. Aber: «Wenn sich weiterhin falsche Behauptungen gegen die Fifa richten, denken unsere Mitgliedsverbände möglicherweise, dass wir in Zürich nicht willkommen sind.»
Der Abschied von Zürich wäre ein Zäsur: Seit 1932 befindet sich der Sitz des Sportverbandes in der Stadt, mit Liegenschaften auf dem Sonnenberg und in Zürich-Fluntern.
«Seit Jahren gepiesackt»
Bürgerliche Zürcher Politiker sehen im drohenden Abschied die Konsequenz einer langjährigen, immer wieder zum Ausdruck gebrachten Ablehnung seitens der rot-grünen Parteien. Der repräsentative Wert der Fifa für Zürich werde von diesen seit Jahren geringgeschätzt. SVP-Gemeinderat Stephan Iten sagt zum Beispiel, die Fifa werde in Zürich «seit Jahren gepiesackt».
Iten sieht dies als Ausdruck eines allgemeinen Phänomens: «Man will auch keine Firmen mehr in der Stadt und stellt deren Anliegen immer hinten an. Ich verstehe jeden, der nicht mehr in der Stadt Zürich bleiben will, wenn er ständig verteufelt wird.»
Der Stadtzürcher FDP-Präsident Përparim Avdili hofft darauf, dass die Fifa in Zürich bleibt. Gewisse Kritik am Verband sei zwar berechtigt, sagt er. «Aber die Fifa ist eine tolle Sache. Sie bringt Menschen und Kulturen zusammen, das muss man anerkennen.»
Eine so grosse Organisation mit starker Ausstrahlung dürfe nicht aus der Stadt vergrault werden, schliesslich leiste die Fifa einen Beitrag zur Wertschöpfung und engagiere sich etwa für den Jugendsport. Deshalb müsse sich die Stadt für den Verbleib der Fifa in Zürich einsetzen. «Wenn man bei der Fifa mitreden möchte, geht das besser, wenn sie hierbleibt.»
Die rot-grünen Parteien im Zürcher Stadtparlament setzen sich seit Jahren kritisch mit der Fifa auseinander. So wehrten sich die Grünen dagegen, dass der Verband mit der Fifa-Strasse eine nach ihr benannte Adresse hat. Im Rat konnten sie sich damit aber nicht durchsetzen.
Drei Jahre später versuchten die Linken gar, in den Menuplan des Fifa-Restaurants Sonnenberg einzugreifen, das die Stadt dem Weltfussballverband Fifa bis 2056 im Baurecht abgegeben hat. Es sei zu einem Luxustempel geworden, in den sich die breite Bevölkerung «nie und nimmer» verirren werde.
Alternative und Grüne machten sich die Mühe, aus der damaligen Karte zu zitieren – und empörten sich über ein Seeteufelcurry mit Basmatireis für 54 Franken. Der Stadtrat versprach, man werde sich das Menu anschauen. Ein Blick auf die aktuelle Speisekarte zeigt: Die Preise sind immer noch hoch.
2022 intervenierte die rot-grüne Mehrheit des Stadtparlaments dann mit handfesten Folgen für Fussballfans – und verbot kurzerhand Public Viewings während der WM aus Protest gegen den Austragungsort Katar.
Auch jetzt sagt David Garcia Nuñez, Co-Fraktionschef der Zürcher Alternativen im Stadtparlament: «Wenn die Fifa aus Zürich weggeht, weine ich ihr keine Träne nach.» Seit Jahren gebe der Verband ein schlechtes Bild ab, habe keine demokratischen Strukturen und produziere Korruptionsskandale am laufenden Band.
Einen Mehrwert für die Stadt bringe die Fifa nicht. Auch, weil sie sich der kommerziellen Seite des Sports verschrieben habe. Tickets für Fussballspiele könnten sich viele Familien schlicht nicht mehr leisten. «Das alles hat mit Volkssport nichts zu tun.»
Eine Entfremdung in Etappen
Die Skepsis gegenüber der Fifa gründet auf zweifelhafte Vorgänge in der Vergangenheit. 2010 wird die WM an Katar unter seltsamen Umständen vergeben. Die Korruptionsvorwürfe werden lauter – mit der Verhaftung von Fifa-Funktionären 2015 im Zürcher Luxushotel Baur au Lac als negativem Höhepunkt.
2016 löst Gianni Infantino Sepp Blatter als Präsidenten der Fifa ab. Während Blatter die Verbundenheit mit Zürich stets wortreich betont hatte, ist Infantino diesbezüglich zurückhaltend. Ja, er sendet sogar gegenteilige Signale aus. 2017 zügelt die Fifa den Ballon d’Or, die Auszeichnung für den Weltfussballer des Jahres, weg aus Zürich. 2021 eröffnet die Fifa eine Niederlassung in Paris. 2023 verlegt sie 115 Arbeitsplätze in die USA.
Für Entrüstung sorgt über Jahre die Steuerfrage. Zwar trifft die landläufige Annahme, der Weltfussballverband zahle keine Steuern, nicht zu. Die Fifa geniesst in Zürich jedoch steuerliche Vorteile. Weil sie den Status eines gemeinnützigen Vereins hat, zahlt sie trotz einem Milliardenumsatz nur eine reduzierte Gewinnsteuer von vier Prozent – Kapitalgesellschaften zahlen im Kanton Zürich acht Prozent.
Ende 2018 lehnte der Zürcher Kantonsrat eine «Lex Fifa» ab, die den Verband stärker belangen wollte, nämlich mit 8 Prozent wie Kapitalgesellschaften. SP und EVP hatten eine Änderung des kantonalen Steuergesetzes angestrebt.
Der Umsatz der Fifa ist naturgemäss stark an den Zyklus der Weltmeisterschaften gebunden. Entsprechend fallen die Steuererträge alle vier Jahre höher aus, wie die Jahresrechnung zeigt. Im Jahr 2018, als die WM in Russland gastierte, versteuert die Fifa 28,9 Millionen Dollar. In den darauffolgenden Jahren begrenzt sich die Gewinnsteuer auf 471 000 Dollar und 1,5 Millionen Dollar. Mit der WM im Jahr 2022, diesmal in Katar, fliessen dann wieder 22,7 Millionen Dollar Steuern.
Wie viel davon in den Steuerhaushalt von Stadt und Kanton gelangen, ist nicht bekannt. Klar ist aber, dass auch die rund 300 von weltweit 1000 Fifa-Mitarbeitenden im Grossraum Zürich Steuern zahlen.
Bereits vor Jahren haben die kantonale Sicherheits- und die Volkswirtschaftsdirektion die Bedeutung der Fifa für Stadt und Kanton in einem Positionspapier festgehalten. Der Steuerausfall für Stadt und Kanton Zürich seien im Falle eines Wegzugs der Fifa «beträchtlich», hiess es damals.
Die Fifa fördere zudem mit ihren finanziellen Beiträgen und ihren Fussballprojekten die gesellschaftliche Integration sowie den Jugend- und Breitensport. Mit weit beachteten Kongressen und Anlässen würden die Schweiz und Zürich als Wirtschafts- und Tourismusstandort wahrgenommen.
Fifa unterstützt die Stadt mit mehreren Millionen Franken
Stadtrat Filippo Leutenegger (FDP), Vorsteher des Schul- und Sportdepartements, sagt, auch aus sportlicher Sicht wäre für die Stadt Zürich ein Abschied zu bedauern. «Die Zusammenarbeit war und ist aus sportlicher Sicht immer sehr gut und professionell.»
Die Fifa unterstütze die Stadt Zürich mit «erheblichen» Beträgen, sagt Leutenegger. 2012 hat sie einen Rahmenkredit von 20 Millionen Franken gesprochen. Das kam der Förderung des Mädchenfussballs zu Gute, aber auch dem Aus- oder Umbau von Sportanlagen wie beispielsweise im Juchhof, Hardhof oder auf dem Hönggerberg. Die Fifa stellt auch ihre Sportanlagen für das jährliche Finale des Stadtzürcher «Fussball-Schüeli» zur Verfügung. Leutenegger sagt: «Ein Wegzug wäre ein herber Verlust.»
Auch vom Präsidialdepartement der Stadt sind nur lobende Worte über die Fifa zu hören. Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) ist für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Ihr Sprecher Lukas Wigger sagt, die Fifa sei auf verschiedenen Ebenen bedeutend, etwa als Arbeitgeberin, als Auftraggeberin sowie als Kundin bei Zürcher Unternehmen.
Mit dem Fifa-Museum bereichere der Verband auch das Freizeitangebot der Stadt und trage zur touristischen Attraktivität Zürichs bei. Zudem unterstützte die Fifa unter anderem das Zürcher Sport-Ferienlager Fiesch oder den Fifa Youth Cup.
Wigger sagt: «Es spricht für die hohe Lebens- und Standortqualität in Zürich, wenn einer der bedeutendsten internationalen Sportverbände hier seinen Sitz hat. Die Stadt Zürich wird weiterhin in diese Qualitäten investieren.»
Heisst das, dass sich der Stadtrat aktiv um einen Verbleib der Fifa bemühen wird? Diese Frage lässt Wigger offen. Er sagt: «Die Stadt Zürich hat – auch nach Rückfrage bei der Fifa – keine Kenntnis von konkreten Plänen der Fifa, mit ihrem Hauptsitz nach über 90 Jahren aus Zürich wegzuziehen.»