Neobanken bieten immer mehr Finanzdienste online und kostengünstig an. Doch das Vertrauen der Schweizer Kunden gehört noch immer den traditionellen Banken.
In der Schweizer Bankenlandschaft etwas zu bewegen, ist nicht einfach. Den jüngsten Versuch unternimmt die dänische Saxo-Bank. Die Digitalbank hat eine neue Handelsplattform lanciert und bietet neu auch ETF-Sparpläne an. Das sind automatisierte Handelsaufträge, die Bankkunden die Möglichkeit bieten, einen Indexfonds (Exchange-Traded Fund, ETF) zu besparen und so einfach und kostengünstig Vermögen aufzubauen.
Solche Sparpläne sind nicht neu, doch bisher waren diese kundenfreundlichen Lösungen in der Schweiz kaum erhältlich. In Deutschland sind ETF-Sparpläne schon seit Jahren etabliert und ein fester Bestandteil der privaten Vorsorge. Die traditionellen Schweizer Banken hatten angesichts ihrer trägen Kundschaft bisher wenig Anreize, solche Produkte anzubieten.
Der Vorstoss von Saxo mit den ETF-Sparplänen ist geschickt, denn es geht der Bank darum, eine jüngere Klientel anzuziehen, die ihre Bankgeschäfte ausschliesslich online abwickelt. Saxo ist aber stark auf das Investieren ausgerichtet, insofern ist fraglich, ob das Angebot auch im Massenmarkt grosse Wirkung haben wird.
In ihrer Nische sind die Dänen überaus erfolgreich. Im letzten Jahr haben sie die Anzahl Kunden um über 40 Prozent erhöht, genaue Zahlen wollen sie nicht nennen. Dabei halfen Discountpreise bei den Börsentarifen. Im Sommer kamen zusätzlich Kunden von der Flowbank hinzu. Die Genfer Neobank wurde im Juni von der Finma wegen mangelhafter Risikokontrollen in den Zwangskonkurs geschickt.
Schon 250 000 Menschen nutzen Yuh
Ein herkömmliches Lohnkonto ist bei Saxo nicht zu haben, die Dänen haben es auf Hobby-Trader abgesehen und wollen Swissquote ins Visier nehmen, den Schweizer Marktführer. Im Gegensatz zu Saxo versucht Swissquote aber, vom reinen Online-Broker-Image wegzukommen, man gibt sich als Universalbank. Das ergibt insofern Sinn, als die Leute immer mehr Banken nutzen, die ihre Dienste ausschliesslich über Apps anbieten. Gemäss einer Umfrage der ZHAW haben bereits mehr als 38 Prozent der Befragten in der Schweiz die Online-Lösung einer Neobank ausprobiert.
Mit Revolut ist in der Schweiz aber eine britische App am populärsten. Danach folgt Yuh – ein Gemeinschaftsprojekt von Postfinance und Swissquote, dicht vor Neon, einer der ersten heimischen Neobanken. Dabei ziehen nicht nur ETF-Sparpläne oder der Handel mit Kryptowährungen die Leute an; auch die bessere Nutzerfreundlichkeit sei ein wichtiges Argument, sagt Tobias Trütsch, Leiter des Center for Financial Services Innovation an der Universität St. Gallen.
Der schnelle Erfolg von Yuh ist eindrücklich – die App wurde erst vor dreieinhalb Jahren lanciert. Gemäss einer Auswertung der Hochschule Luzern nutzen heute aber bereits rund 250 000 Menschen in der Schweiz die App, besonders jüngere. Yuh wird dabei nicht nur für Alltagsgeschäfte wie Zahlungen genutzt, sondern jeder Zweite handelt über die App auch Aktien, ETF und Kryptowährungen – auch ein Säule- 3a-Angebot ist erhältlich. Ausser Hypotheken und Beratung gibt es also fast alles, was eine Universalbank auch bietet, einfach im Handy-Format.
Das durchschnittliche Depot ist mit 5600 Franken zwar von bescheidener Grösse. Doch das Angebot wird sukzessive erweitert. ETF-Sparpläne wurden im Sommer ins Sortiment aufgenommen, und als einziger Schweizer Anbieter bietet Yuh schon länger den Handel mit Aktienbruchteilen (Fractional Shares) an. Dabei können Aktien in beliebig kleine Stückelungen geteilt und gehandelt werden. Somit wird auch ein Titel wie Lindt & Sprüngli, der über 100 000 Franken kostet, für jeden zugänglich.
Gemäss Andreas Dietrich, Bankenprofessor an der Hochschule Luzern, zeigen die hohe Aktivität der Kunden und das wachsende Interesse an innovativen Investmentmöglichkeiten wie Kryptowährungen und Aktienbruchteilen, warum Yuh möglicherweise erfolgreicher ist als andere Angebote.
Ist der Markt schon gesättigt?
Apps wie Yuh sind zwar frisch und benutzerfreundlich, doch insgesamt wurden Neobanken in diesem Jahr erstmals weniger genutzt. Nach dem starken Wachstum der Vorjahre flacht die Marktdurchdringung der Finanz-Apps ab. Und spät Dazugekommene wie die auf nachhaltiges Investieren spezialisierte Radicant haben Mühe, sich Marktanteile zu sichern. «Es gibt Sättigungstendenzen. Die Übernahme wird sich aber fortsetzen, die Apps werden wieder mehr genutzt», sagt Tobias Trütsch.
Es gibt sehr viele Anbieter, der Markt ist hart umkämpft. Der Schweizer Markt ist auch klein, das mache es für Fintech-Unternehmen oftmals schwierig, zu skalieren, insbesondere wenn sich die Lösungen direkt an die Konsumenten richteten, sagt Thomas Ankenbrand, Professor für Fintech an der Hochschule Luzern. Ein innovatives Produktangebot genüge dafür nicht: «Man muss die Kunden auch gewinnen. Das in einem Verdrängungsmarkt zu tun, ist teuer.»
Trotzdem kommen immer mehr Angebote auf den Markt, jüngst die Anlage-App Kaspar&. Gleichzeitig werden die Apps immer spezialisierter, in den Bereichen Anlegen, Vermögensverwaltung oder Vorsorge. So bietet Kaspar& automatisiertes Investieren von aufgerundeten Zahlungsbeträgen an. Das soll die Kunden niederschwellig ans Investieren heranführen. Gemäss Trütsch ist das der richtige Weg, mit Nischenangeboten könne man weiterhin erfolgreich sein. «Nur mit Konto und Zahlungsverkehr wird es schwierig, hier ist der Markt gesättigt», glaubt er.
Wenig Vertrauen in Fintech-Unternehmen
Doch obwohl über Finanz-Apps mittlerweile ein Grossteil der alltäglichen Bankgeschäfte erledigt werden kann, sind sie nicht die wichtigste Anlaufstelle für Finanzielles. «Neobanken werden komplementär eingesetzt und sind kein Substitut für die Hausbank», sagt Trütsch. Das sei nicht unbedingt ein Problem. Denn das zeige, dass der Markt die Sättigung noch nicht erreicht habe. Somit können Neobanken parallel zu den etablierten Banken weiterwachsen.
Die Hausbank ersetzen werden die Finanz-Apps in absehbarer Zeit also nicht. Das hat mit mangelndem Vertrauen zu tun. Gemäss einer Umfrage der Beratungsfirma Kearney haben Bankkunden in der Schweiz wenig Vertrauen in Fintech-Unternehmen. Deshalb haben die meisten ihr Hauptkonto seit fünf oder mehr Jahren bei ihrer Hausbank – und gehen dort kaum weg. Trotz CS-Krise und hohen Gebühren trauen die Leute den Schweizer Banken und sind mit ihren Dienstleistungen zufrieden.
Die Skepsis gegenüber Fintech-Unternehmen ist in der Schweiz aber besonders ausgeprägt: Hierzulande haben nur 5 Prozent ihr Hauptkonto bei einer Neobank. In Deutschland und Österreich ist man den Anbietern von Finanz-Apps gegenüber aufgeschlossener. Fast ein Fünftel der Deutschen vertrauen einem Fintech-Unternehmen ihr Geld an und haben ihr Hauptkonto bei einem digitalen Anbieter, in Österreich sind es immerhin 13 Prozent.