Die Vollübernahme der Tankstellen und Convenience-Läden ist einer der grössten Zukäufe des Detailhändlers. Dass es dazu gekommen ist, hat mit dem Geschäftspartner von Coop zu tun, dem US-Erdölkonzern Phillips 66.
Vermutlich ist das den wenigsten Kunden bewusst: Bei jedem Kauf in einem Pronto-Shop, sei es Benzin, Brot oder ein Schokoriegel, verdient nicht nur Coop etwas, sondern auch der US-Erdölkonzern Phillips 66. Diesem gehört nämlich mit 49 Prozent knapp die Hälfte am Gemeinschaftsunternehmen, das die Tankstellen und die Convenience-Läden betreibt.
Damit ist bald Schluss. Wie die beiden Geschäftspartner kürzlich angekündigt haben, steigen die Amerikaner aus und verkaufen dem Detailhändler ihren Anteil an der Firma Coop Mineraloel, die Ende September in Coop Pronto umbenannt worden ist. Kostenpunkt des Deals: über eine Milliarde Franken.
Das ist einer der grössten Zukäufe von Coop seit langem. Es ist mehr als die 990 Millionen Franken für den Elektronikhändler Fust im Jahr 2007 und etwas weniger als die rund 1,5 Milliarden Franken für die zweite Hälfte von Transgourmet im Jahr 2011.
Man kann sich fragen, warum der Detailhändler einen stolzen Betrag aufwirft, um einen Anteil an einem Geschäft aufzukaufen, das er de facto heute schon kontrolliert.
Natürlich verschafft eine Vollübernahme Coop mehr Flexibilität, weil Absprachen mit dem Partner wegfallen. Zudem muss Coop den Amerikanern künftig keine Dividenden mehr überweisen. Diese betragen für das Jahr 2024 immerhin rund 60 Millionen Franken.
Die Finanzierung kann Coop problemlos stemmen. Die Investition werde «zu einem wesentlichen Teil aus dem betrieblichen Cashflow finanziert», heisst es auf Anfrage. Auswirkungen auf die Verschuldung habe die Transaktion nicht.
So oder so hatte Coop aber wohl auch gar keine grosse Wahl.
Denn Phillips 66 sucht dringend nach Geld, um es an die Aktionäre auszuschütten. Die Texaner stehen unter Druck des aktivistischen Investors Elliott, der sich vor knapp einem Jahr an dem Konzern mit Sitz in Houston beteiligt hat.
«Monetarisierungsereignisse» gefordert
In einem Brief hatte Elliott der Phillips-Führung den Tarif durchgegeben: «Im Moment» verdiene das Management das Vertrauen der Investoren noch. Es seien aber mehrere Schritte nötig, damit der Markt auch dauerhaft an das Unternehmen glaube.
Neben dem Fokus auf das deutlich margenträchtigere Raffineriegeschäft und Kosteneinsparungen wünschten sich die Aktivisten «Monetarisierungsereignisse». Dazu zählt Elliott explizit den Verkauf der europäischen Convenience-Läden.
Und so kündigte Phillipps 66 im Frühling an, man suche einen Käufer für das Tankstellengeschäft in Deutschland und Österreich, das unter der Marke Jet läuft. Spätestens da zeichnete sich ab, dass der Erdölkonzern auch beim Joint Venture mit Coop den Ausstieg suchen wird.
Während sich bei Jet die Veräusserung noch hinzieht, konnte die unter Druck stehende Konzernführung nun mit dem Coop-Pronto-Verkauf endlich einen «signifikanten Fortschritt» verkünden. Das Ziel, mit Devestitionen mehr als 3 Milliarden Dollar einzuspielen, ist ein Stück näher gerückt.
Esso und Total sind schon weiter
Unter den Erdölkonzernen zählt Phillips 66 mit dem Verkauf der Tankstellen und Shops zu den Nachzüglern. Konkurrenten wie Total oder Shell haben diese Aktivitäten bereits abgestossen, reduziert oder sind im Begriff, das zu tun. Vorreiter war Esso. Dieser Name prangt zwar noch immer an deutschen Tankstellen, betrieben werden sie jedoch vom Convenience-Spezialisten EG Group.
Coop hatte die amerikanische Erdölfirma ursprünglich ins Boot geholt, weil der Händler selber «nicht viel Ahnung vom Ölgeschäft» hatte, wie Hansueli Loosli einst sagte. Für die Strategie mit den Tankstellenshops musste der damalige Coop-Chef bei den internen Skeptikern, aber auch bei den Amerikanern einiges an Überzeugungsarbeit leisten. Doch das Konzept habe von Anfang an funktioniert.
Wie viel vom heutigen Pronto-Umsatz von 2,7 Milliarden Franken auf Treibstoff und Heizöl und wie viel auf die Shops entfällt, schlüsselt Coop nicht auf. Jedoch ist der Anteil der Shops ohne Tankstelle über die Jahre gewachsen. Denn mit der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten sind die Pronto-Läden zunehmend an Bahnhöfen und in Innenstädten eröffnet worden. Von den 324 Standorten werden 259 mit und 65 ohne Tankstelle betrieben.
Ausbau mit Ladestationen – in Supermärkten
Und das Ladennetz soll weiterwachsen: Bestehende und potenzielle Standorte werden laufend geprüft. Ein Thema bei den Tankstellen ist die Umrüstung auf E-Mobilität. Coop setzt zudem auf Wasserstoff.
Doch sobald die Parteien den Pronto-Verkauf wie erwartet im ersten Quartal 2025 abschliessen – Widerstand der Wettbewerbskommission würde überraschen –, muss Coop allfällige Investitionen selber tragen.
Derzeit sind über 150 Standorte mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge ausgerüstet, bis Ende 2026 sollen es über 200 sein. Allerdings eigneten sich aus Kundensicht vor allem die Supermärkte für die Installation von Lademöglichkeiten, heisst es bei Coop.
Das deutet darauf hin, dass Tankstellen in der Zukunft nicht zwingend von Benzin- in Stromversorgungspunkte umgewandelt werden. Selbst wenn das Ende des Verbrennermotors später eintreffen sollte als erwartet, werden Treibstoffverkäufe durch benzinsparende Motoren und Hybridfahrzeuge abnehmen. Umso mehr müssen sich Tankstellenbetreiber überlegen, mit welchen Konzepten sie die Autofahrer trotzdem zum Anhalten und Konsumieren bringen. Das können Detailhändler besser als Erdölfirmen.