Nach der Wahl von Donald Trump bekräftigen London und Bern den Willen zur Zusammenarbeit bei der Regulierung der Finanzmärkte. Löst Trump auch in den Beziehungen zu Brüssel eine neue Dynamik aus?
Nach der Wahl von Donald Trump in den USA warnt Karin Keller-Sutter vor Panik, plädiert aber für Wachsamkeit. «Es ist zu früh, um die Konsequenzen für die Schweiz und Europa abzuschätzen zu können», erklärt die Finanzministerin nach einem Arbeitstreffen mit ihrer britischen Kollegin Rachel Reeves gegenüber der NZZ in London.
«Die USA sind unser wichtigster Exportmarkt, weshalb wir kein Interesse an neuen Zöllen haben», betont sie. Gleichzeitig gibt sich Keller-Sutter zuversichtlich, dass die Schweiz an die guten Beziehungen zu Trump während dessen erster Amtszeit werde anknüpfen können. Dies, zumal sich 2025 der Abschluss des schweizerisch-amerikanischen Freundschaftsvertrags aus dem Jahr 1850 zum 175. Mal jähre.
Finanzplätze mit systemrelevanten Banken
Die Folgen der amerikanischen Präsidentschaftswahl gehörten zu den brennendsten Themen von Keller-Sutters Gespräch mit der britischen Schatzkanzlerin Reeves. «Es ist durchaus möglich, dass es nach der Wahl von Donald Trump in den USA zu einer Deregulierung der Finanzmärkte kommt», erklärt die FDP-Bundesrätin. Sie habe daher mit Reeves vereinbart, im engen Austausch zu bleiben, um allenfalls gemeinsam auf ein solches Szenario zu reagieren.
Einerseits könnte eine Deregulierung in den USA zu mehr Instabilität führen, sagt Keller-Sutter. Andererseits müsste sich der Finanzplatz Schweiz in diesem Fall auch bemühen, seine eigene Wettbewerbsfähigkeit zu wahren. Die Schweiz und Grossbritannien gehören zu den wichtigsten europäischen Finanzplätzen. Beide Länder seien im Vergleich zu den USA kleinere Volkswirtschaften, beheimateten aber global systemrelevante Banken, die «too big to fail» seien, sagt die Bundesrätin. «Dies stellt uns bei der Regulierung vor ähnliche Probleme.»
Im letzten Jahr schlossen Bern und London ein neuartiges Finanzdienstleistungsabkommen ab, in dem die beiden Länder ihre Märkte für Versicherungen und Banken öffnen wollen, ohne aber die nationale Regulierung im Detail zu harmonisieren. Laut Keller-Sutter läuft der Ratifizierungsprozess in beiden Ländern, weshalb spätestens 2026 mit einer Inkraftsetzung zu rechnen sei. Auch die neue Labour-Regierung stehe erfreulicherweise ganz klar hinter dem Abkommen, das von der abgewählten konservativen Vorgängerregierung ausgehandelt worden war.
London und Bern verhandeln mit Brüssel
Im Zuge der Wahl von Trump wird in Europa wieder der Ruf nach einer engeren Zusammenarbeit und nach mehr Autonomie von Washington lauter. Reeves interessierte sich für den Stand der Dinge in den laufenden Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU. «Kommt es zu einer Einigung zwischen dem Bund und der EU, nimmt der politische Prozess mit den Beratungen im Parlament und einer Volksabstimmung seinen Lauf», erklärt Keller-Sutter dazu.
Sowohl für die Schweiz wie für Grossbritannien stellen sich im Verhältnis zur EU ähnliche Fragen rund um Migration und Souveränität. Doch während die Schweiz ihren Zugang zum EU-Binnenmarkt wahren möchte, hat Grossbritannien mit dem Brexit neue Handelshürden aufgebaut. Nun aber strebt die neue Labour-Regierung einen «Reset» mit Brüssel an.
Grossbritannien kämpft mit erheblichen Infrastrukturproblemen, maroden Staatsfinanzen und lahmendem Wirtschaftswachstum. Schatzkanzlerin Reeves will nun die Steuern und die Schulden massiv erhöhen, um mehr Geld in die Infrastruktur zu investieren. Allerdings hat Labour eine Rückkehr in den EU-Binnenmarkt, der laut Ökonomen das Wachstum substanziell ankurbeln könnte, ausgeschlossen.
Doch gehört das mit Atomwaffen ausgerüstete Grossbritannien zu den regionalen Militärmächten Europas. Daher könnte das britische Angebot einer engeren Kooperation im Sicherheits- und Verteidigungsbereich in Kontinentaleuropa nach dem Sieg von Trump auf spürbar grösseres Interesse stossen.