Der Lufthansa-Konzern investiert Millionen in KI-Chatbots. Auf der Langstrecke sollen Economy-Passagiere bald besser essen, und in der Kurzstrecke wird nächstes Jahr endlich Internet angeboten.
«Ich möchte mich für unseren Service entschuldigen.» Dieter Vranckx, noch bis im Juli Chef der Luftfahrtgesellschaft Swiss, bestätigte vor zwei Jahren in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» viele Passagiere in ihren Erfahrungen – dass einen der Kundendienst der Swiss um den Verstand bringen konnte.
Es war die Zeit des sogenannten Restarts: Nach dem Stillstand während der Covid-Pandemie fuhr die Luftfahrt ihren Betrieb wieder hoch. Es gab Warteschlangen vor den Schaltern, Streiks, Ausfälle. Und wer Hilfe brauchte, musste teilweise stundenlange Telefonwarteschleifen über sich ergehen lassen.
Heute sagt Heike Birlenbach, seit Januar Kommerzchefin bei der Swiss, anlässlich eines Hintergrundgesprächs mit Medienvertretern: «Es ist unter anderem eine Lehre aus der Covid-Zeit, dass unser Service nicht immer überzeugt hat. Unsere Servicecenter waren technologisch nicht mehr auf dem aktuellsten Stand.»
Das will der Lufthansa-Konzern, zu welchem die Swiss gehört, nun angehen. Laut Birlenbach werden über die gesamte Gruppe hinweg 70 Millionen Euro in die Services investiert. Mit gutem Grund.
Seit Corona haben Anfragen zugenommen. Pro Tag erreichen die Lufthansa-Gruppe bis zu 50 000 Anfragen, wovon rund 20 Prozent die Swiss betreffen. Mit einer Reihe von Massnahmen möchte der Konzern diese besser auffangen.
KI-Chatbot für einfache Fälle
«Einerseits soll die Technologie verbessert werden, andererseits werden auch viele Services digital angeboten. Zusätzlich haben wir mehr Personal für diesen Bereich eingestellt», sagt Birlenbach.
Bisher hatte jede Airline ihr eigenes System, nun werden die Anfragen in eine gemeinsame Plattform integriert. Als erstes Servicecenter des Konzerns hat der in Basel beheimatete Swiss-Kundendienst sämtliche Passagieranfragen in eine Cloud geladen. Bis Ende Jahr sollen die anderen Servicecenter folgen.
Das Ziel: Mit der grossen Menge an Informationen soll ein KI-Chatbot trainiert werden. Schon heute arbeitet die Swiss mit einem Chatsystem, das jedoch keinen besonders intelligenten Eindruck macht. Geht das Anliegen über eine einfache Sitzplatzreservation hinaus, kommt als Antwort: «Es scheint, als wäre das nicht mein Spezialgebiet, oder ich verstehe Sie nicht richtig.»
Je mehr Informationen künstliche Intelligenz (KI) zur Verfügung hat, desto besser wird sie. Deshalb ist es entscheidend, dass das Lufthansa-System auf möglichst viele Fälle zugreifen kann, um den Kunden wirklich eine Hilfe zu sein.
Internet auch auf der Kurzstrecke
Künftig soll der Chatbot einfache Probleme lösen. Gelingt das nicht, kann man als Passagier auch mit einem echten Menschen chatten. Darf man denn auch noch telefonieren? Ja, sagt die Swiss-Managerin. «Der menschliche Austausch ist unseren Kunden wichtig. Wir wollen mit der KI nicht die Menschen ersetzen», sagt Birlenbach.
Die künstliche Intelligenz sei vielmehr dazu da, bei aussergewöhnlichen Ereignissen den Ansturm zu bewältigen. Wenn etwa ein Flug ausfalle, kämen fünfmal so viele Anfragen herein wie normal, sagt Birlenbach. «Das kann man nicht nur mit Menschen abdecken.»
Wie bei anderen grossen Themen – etwa der Flugzeugbeschaffung oder der App-Entwicklung – arbeitet die Swiss beim Kundendienst nun ebenfalls im Verbund mit den Lufthansa-Airlines. Die Swiss habe jedoch Spielraum bei der Anpassung, so Birlenbach. So könne sie beispielsweise die Zielsetzung für schnelle Antworten selbst bestimmen.
Birlenbach verspricht, dass die Swiss-Passagiere punkto Kundendienst schon relativ bald Verbesserungen spüren würden. «Bis zu den Sommerferien werden wir diverse digitale Services lancieren. Wir haben viele Dinge in der Pipeline.»
Als Chief Commercial Officer (CCO) ist Heike Birlenbach für das gesamte Kundenerlebnis zuständig. Und sie wartet mit weiteren Neuigkeiten auf: In der Economy-Klasse soll auf Langstreckenflügen das kulinarische Angebot für Passagiere deutlich verbessert werden. Sowohl was die Menge und das Angebot als auch was die Qualität angehe. Hier fiel die Swiss zuletzt gegenüber der Konkurrenz ab.
Und auch auf der Kurz- und Mittelstrecke gibt es Neuerungen: Wie in den Langstreckenjets wird ab Ende 2024 in diesen Maschinen ebenfalls die Möglichkeit angeboten, Geräte mit dem Internet zu verbinden.