Sie ist Kolumnistin, Podcast-Gast, Interviewpartnerin – weil sie eine «yes-person» sei.
Tracy Glass Jans scheint Wert darauf zu legen, nicht als Gattin eines Bundesrats identifiziert zu werden. Seit einigen Wochen schreibt sie «Tracy’s Expat-Ratgeber», eine Kolumne für den Schweiz-Newsletter der «Zeit». Einst selbst als Statistikerin aus den USA über Spanien nach Basel eingewandert, will sie nun «mit dieser Kolumne als Bergführerin» andere Expats durch das ungesicherte Gelände des Einwanderungslandes Schweiz führen.
Sie betont, wie wichtig die Sprache sei, aber sie schreibt: «Mein schlechtes Deutsch ist der Stoff, aus dem Legenden gemacht sind.» Aus Solidarität teilt sie ihre «Expat-Fehltritte». So habe sie den Leuten jahrelang nicht einen «Guete Rutsch» gewünscht, sondern einen «Guete Lutsch». «Aber niemand wagte es je, mich zu korrigieren!» Anders, als sie einen Bankberater gefragt habe, ob sie das Geld aus dem «dritten Säuli» nutzen könne, um eine Hypothek auszufinanzieren. Da habe «Beat» vorgeschlagen, «an einigen deutschen Wörtern zu feilen».
Beat? Das ist Beat Jans, SP-Bundesrat, Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements. Er wird in ihren bisherigen Kolumnen nicht mit ganzem Namen genannt. Und das erzählt eigentlich schon die ganze Geschichte: Tracy Glass Jans, 52, stellt sich als Biostatistikerin am Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut in Allschwil (BL) vor und nicht als Bundesratsgattin. Es ist der Versuch, eine Eigenständigkeit zu wahren, während einen die Öffentlichkeit immer mit jemand anderem in Zusammenhang bringt.
«Die schlimmste Zeit»
Eine eigene Rolle neben einem Bundesrat zu finden, ist nicht leicht. Silvia Blocher hat es einmal so gesagt: «Als Frau des Bundesrats sind Sie überflüssig, umgekehrt als Mann auch.» Vorher sei sie voll integriert in das Leben ihres Mannes gewesen, nun sei ihr nichts anderes übriggeblieben, als in der Berner Wohnung den Haushalt zu machen. «Vielleicht war es wirklich die schlimmste Zeit meines Lebens.»
Eigentlich ist die Rolle eher ein Schicksal: Es gibt keine offiziellen Aufgaben, und doch die inoffizielle Erwartung, neben dem Bundesrat zu funktionieren, gelegentlich bei Staatsempfängen aufzutreten, aber im Hintergrund zu bleiben. Die meisten Gattinnen (und die wenigen Gatten) haben das still ertragen. Der unglücklichste Gatte wird Hans W. Kopp gewesen sein, der in dubiosen Verwaltungsräten sitzenblieb und seine Frau damit in grosse Schwierigkeiten brachte.
Michelle Obama aus Kleinbasel
Eine glückliche Bundesratsgattin scheint Tracy Glass Jans zu sein – sie sei sehr offen und so öffneten sich ihr nun Räume und Gelegenheiten, die sie gerne wahrnehme, so sagte sie es in dem schweizerischen USA-Podcast «1776». Deshalb habe sie auch die Podcast-Einladung angenommen: «Ich bin eine ‹yes-person›», sagte sie, «das bringt mich vielleicht in andere Situationen als andere ‹first partners›.» Es wirkt nicht, als würde sie unter diesen Situationen leiden, im Gegenteil. In dem Podcast bezeichnete sie Barack Obama als ihren Lieblingspräsidenten – sich selber scheint sie als eine Michelle Obama aus Kleinbasel zu sehen, als eine Art first «first lady» der Schweiz. Es ist eine neue und sehr gegenwärtige Interpretation der Rolle: Spätestens seit Social Media sehen sich alle als eigene Stimme.
Neulich gab sie bei CH Media ein Interview, in dem sie über Amerika und die Auswirkungen von Donald Trumps Politik auf sie als Forscherin in der Schweiz sprach. Eigentlich habe sie politische Interviews immer abgelehnt, aber jetzt habe sich die Lage verändert. «Wir sind in einer Phase, in der es nicht mehr reicht, einfach nur den Kopf zu schütteln und sich im Stillen zu beklagen.» Sie wolle reden, «um den Menschen Mut zu machen, die verzweifeln». Sie klang wie die selbstmandatierte Botschafterin eines hellen Amerika. Über Elon Musks Sparübung befand sie: «Dass er im Auftrag der US-Regierung Projekte und Prioritäten durchforstet, ist legitim. Die Art und Weise stufe ich als sehr radikal und chaotisch ein.»
Sie beginnt das Interview als Forscherin, die sich über ihre Projekte am Tropen- und Public-Health-Institut äussert. Aber natürlich wird sie, spätestens wenn es um Politik geht, auch als Bundesratsgattin gelesen. Das ist das Schicksal dieser Rolle: Man kann ihr nicht entkommen.