Kreative Köpfe
Florencia Castillo von 9v9 entwirft und produziert Strickmode in Bern. Ihre Schals werden unter anderem im Kunsthaus Zürich verkauft. Wir sprachen mit ihr über aktuelle Projekte, Farben und das Lieblingsobjekt in ihrem Zuhause.
NZZ Bellevue: Seit zehn Jahren stellen Sie mit Ihrem Label 9v9 (nueve veces nueve) Strickmode her. Was hat Sie dazu veranlasst, Ihr eigenes Label zu gründen?
Florencia Castillo: Nachdem ich viele Jahre meist vor dem Computer als Modedesignerin gearbeitet hatte, wollte ich etwas verändern. Ich nähe und gestalte sehr gerne und habe nach kreativen Mitteln dafür gesucht. So bin ich 2014 zu meiner ersten Strickmaschine gekommen. Mit ihr habe ich angefangen zu experimentieren und den Grundstein für meine Marke gelegt.
Was ist das Schönste in Ihrem Beruf?
Ich finde es faszinierend, zu sehen, wie bestimmte Farben uns erstrahlen lassen. Auch wenn wir uns anfangs vielleicht nicht getrauen, sie zu tragen.
Welches Werkzeug ist für Ihre Arbeit unentbehrlich?
Neben meinen Maschinen sind die kleinen Werkzeuge essenziell. Insbesondere eine lange Nadel mit je einem Loch an beiden Enden. Ohne diese könnte ich zwar einen ganzen Schal stricken, aber ich könnte ihn nicht von der Maschine abnehmen.
Zur Person
Florencia «Flor» Castillo
Flor wurde 1981 in Buenos Aires, Argentinien, geboren. Dort studierte sie Modedesign und arbeitete danach in ihrer Heimat und in Chile.
2014 hat sie ihre erste Stickmaschine gekauft und begonnen autodidaktisch zu lernen. Mit ihrem Label 9v9 (nueve veces nueve) entwirft Castillo Muster und Kleidungsstücke in Verbindung mit Stricktechniken in Bern, wo sie auch lebt.
(Bild: PD)
Woran arbeiten Sie gerade?
Ich arbeite derzeit an einer neuen Produktlinie, die sich ausschliesslich auf die Konstruktion des Strickens statt auf ein visuelles Muster konzentriert. So entsteht das Muster durch die Strickstruktur selbst.
Wo lassen Sie sich inspirieren?
Ich bewundere die Arbeit der Malerin Verena Loewensberg. Auch Menschen auf der Strasse, die gerne bunte Kleidung tragen, inspirieren mich. Um neue Farbkombinationen zu entdecken, probiere ich mit meinen Wollkegeln herum.
Was macht für Sie ein gelungenes Kleidungsstück aus?
Eines, das oft getragen werden kann. Ich habe Kleidungsstücke in meinem Schrank, die schön sind, ich aber nur einmal im Jahr trage. Die besten sind diejenigen, die ich jeden Tag wähle. Das sind langärmlige, enge Basic-T-Shirts aus Baumwolle von American Vintage, die in Portugal hergestellt werden. Dazu trage ich einen meiner Fade-Pullis zusammen mit hochsitzenden Jeans aus japanischem Raw-Denim oder eine von MM6.
Wo kaufen Sie Ihre Kleidung?
Ich liebe T-Shirts und Jeans. Diese kaufe ich online, weil ich wenig Zeit habe, in andere Städte zu reisen. Manchmal finde ich in Bern nicht, wonach ich suche. Pullover und Accessoires für den Winter trage ich gerne selbstgemacht. Secondhand-Kleidung kaufe ich, wenn ich nach Mänteln oder Jacken suche. Dabei investiere ich etwas Zeit und durchstöbere die Secondhand-Läden in Bern.
Was muss Ihre Branche Ihrer Meinung nach optimieren?
Die Modebranche hat einige Probleme; von ökologischen bis hin zu Arbeitsproblemen. Als ich noch als Modedesignerin im Einzelhandel gearbeitet habe, war ich mit Überproduktion konfrontiert, um dem schnellen Verkaufszyklus gerecht zu werden. Industrie und Kunden müssen mehr Wert auf bedarfsorientierte Produktion und langlebige Produkte legen.
Ihre Schals werden im Kunsthaus Zürich verkauft. Welche Museen besuchen Sie selbst gerne?
Ich interessiere mich besonders für Ausstellungen mit ausdrucksstarken Farben. Daher besuche ich gerne das Kunstmuseum Bern, das für seine wechselnden Ausstellungen bekannt ist. Die Erweiterung des Kunsthauses Zürich und auch das Musée d’ethnographie de Genève haben bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Was ist Ihr persönliches Lieblingsobjekt in Ihrem Zuhause?
Ein Freischwinger-Sessel aus den 1980er Jahren, hergestellt aus grünem Minzleder. Er bringt einen einzigartigen Stil in mein Wohnzimmer und ist besonders bequem.
Welche Lektüre, welchen Film oder welche Serie empfehlen Sie uns für den Moment?
Erst kürzlich habe ich den Film «Triangle of Sadness» gesehen. Er zeigt auf eindrucksvolle Weise die Extreme menschlichen Verhaltens, was sicherlich interessante Diskussionen anregen kann. Eine weitere Empfehlung ist die neue Dokumentation «Die Enkeltrick-Betrüger» von Izzy. Sie ist eine tolle Mischung aus Räuber und Polizei mit investigativem Journalismus.