Mit neuen Investitionen will das Königreich seine Wirtschaft stärken. Im Zentrum steht dabei einmal mehr der milliardenschwere Staatsfonds. Dessen Fokus liegt jetzt allerdings auf dem Heimmarkt.
Was haben ein amerikanischer Spielehersteller, ein Streamingdienst aus Grossbritannien und ein Flugzeugzulieferer aus Italien gemeinsam? Alle drei Firmen will Saudiarabien im Portfolio haben. Denn der Public Investment Fund (PIF), die milliardenschwere Geldmaschine aus dem Erdöl-Königreich, ist auch in diesem Jahr wieder auf Expansionskurs.
So kauften die Saudi im Februar für 3,5 Milliarden Dollar kurzerhand Niantic, die Videospielfirma, die hinter der fast zehn Jahre alten Game-Sensation Pokémon Go steckt. Gleichzeitig kündigten sie eine Zehn-Prozent-Minderheitsbeteiligung am Sport-Streamingdienst DAZN an. Als wäre das nicht genug, verhandelt der Staatsfonds aus Riad auch noch über eine Investition in den Boeing-Zulieferer Leonardo.
Saudiarabien will seine Wirtschaft diversifizieren
Dass der neue US-Präsident Donald Trump derzeit droht, mit Handelskriegen die Weltwirtschaft aus dem Tritt zu bringen, scheint die Saudi nicht zu stören. Während andere Staatsfonds in den vergangenen Jahren eher zurückhaltend waren, ist Riad immer noch auf Shoppingtour. Von Videogames über Industriebetriebe bis hin zu Flughäfen oder Fussballklubs – das Portfolio des 950 Milliarden schweren PIF gleicht inzwischen einem bunten Gemischtwarenladen.
Doch die Saudi verfolgen ein übergeordnetes Ziel. «Bei den neuen Akquisitionen handelt es sich um Firmen aus den Bereichen Sport, Unterhaltung und Industrie», sagt Tim Callen vom Gulf State Institute in Washington. «Also genau jene Branchen, in denen Saudiarabien die eigene Wirtschaft diversifizieren will.» Callen kennt Saudiarabien aus seiner Zeit als Missions-Chef des Internationalen Währungsfonds in Riad und schreibt immer wieder über den PIF.
Trotz aller Spendierfreudigkeit hat sich das Augenmerk der Saudi verändert. Früher hatte der PIF mit spektakulären Investitionen im Ausland für Schlagzeilen gesorgt – und dabei auch immer wieder danebengegriffen, wie etwa beim lange Zeit hochdefizitären Visions Fund des japanischen Tech-Investors Masayoshi Son. Heute hingegen verbleibt immer mehr Geld des Fonds im Land selbst. Man wolle den Anteil an Auslandsinvestitionen 2025 von 30 auf 18 Prozent herunterschrauben, sagte der PIF-Chef Yasir al-Rumayyan im Oktober.
Wie eine gewaltige Entwicklungsbank
Der Grund für diese Neuausrichtung liegt in der besonderen Aufgabe des PIF. Im Gegensatz zu anderen Fonds – wie etwa dem norwegischen Staatsfonds – soll der PIF nicht nur Rendite im Ausland erwirtschaften. Vielmehr nimmt er die Rolle einer gewaltigen Entwicklungsbank ein, die im Königreich alles Mögliche finanziert. Der mit Ölgeld gefütterte Fonds ist ein Grundpfeiler der Vision 2030 – jenes Masterplans, mit dem Mohammed bin Salman, der mächtige Kronprinz von Riad, sein Land vom Öl unabhängig machen will.
Der stramm autoritär regierende Prinz setzt dabei auf Riesenprojekte wie die Zukunftsstadt Neom, die er für 1,5 Billionen Dollar in der Wüste bauen will. Gleichzeitig soll aber auch der lokale Startup-Sektor unterstützt und der Tourismus- und Unterhaltungssektor ausgebaut werden. Zuletzt konnte der Kronprinz sogar die Ausschreibung der Fussball-Weltmeisterschaft 2034 für sich gewinnen. «Wenn es noch Akquise im Ausland gibt, dann hat das meist strategische Gründe», sagt Steffen Hertog, Politologe und Experte für die Golfregion von der London School of Economics.
Allerdings musste bin Salman bei seinen Plänen in letzter Zeit etwas kleiner denken. So wurde etwa die geplante Zukunftsstadt Neom, zu der ursprünglich unter anderem ein über hundert Kilometer langer, verspiegelter Hochhausblock namens «The Line» gehören sollte, in ihrem Umfang deutlich reduziert. Schuld seien eskalierende Kosten, mangelnde technische Möglichkeiten und ein zu optimistischer Zeitplan, sagt Hertog.
Saudiarabien will Firmen von Dubai weglocken
Gleichzeitig versucht Saudiarabien, Investitionen aus dem Ausland anzulocken. Von den anvisierten 100 Milliarden pro Jahr ist es aber noch weit entfernt. Nun will Riad das erzwingen. Seit 2024 dürfen nur Firmen im Königreich tätig sein, die auch ihr regionales Hauptquartier dorthin verlegen. Der Kronprinz versucht damit, dem benachbarten Dubai Konkurrenz zu machen, welches in den letzten Jahrzehnten zur wichtigsten Handelsmetropole des Nahen Ostens aufgestiegen ist.
Zudem tun die Saudi alles, um sich als globale Macht zu positionieren. Spektakuläre aussenpolitische Initiativen – wie der geplante Gipfel zwischen Putin und Trump zur Ukraine – gehören da genauso dazu wie internationale Entwicklungsprojekte. So riefen die Saudi 2020 unter anderem die Organisation für digitale Zusammenarbeit (DCO) ins Leben – eine von Riad dominierte, internationale Organisation, die über ein gutes Dutzend Mitgliedstaaten von Nigeria bis Pakistan verfügt und inzwischen Uno-Beobachterstatus innehat.
Beim Jahrestreffen der DCO in einem Luxushotel in Jordanien zeigt sich, wie stark die solvente Tech-Macht Saudiarabien geworden ist. Drinnen im Saal versuchen die Vertreter durch digitale Kooperation oder Investitionsinitiativen indirekt vom Golf-Geld zu profitieren. Draussen in der Lobby buhlen nigerianische Jungunternehmer um Investoren. Doch die Preise, welche die saudische DCO-Generalsekretärin Dimah al-Yahya an die besten Startup-Projekte verleiht, gehen mehrheitlich an Firmen aus dem Königreich.
Es fehlt an ausgebildeten Leuten
Ohne das Geld aus dem Topf des PIF würden die meisten dieser Startups aber kaum existieren. Erst im Dezember pumpten die Saudi 150 Millionen Dollar in einen neuen Jungunternehmer-Fonds. Die Investitionen in den heimischen Arbeitsmarkt zahlen sich bis jetzt aber nur begrenzt aus. Trotz allen Bemühungen fehlt es in Saudiarabien immer noch an gut ausgebildeten jungen Leuten. So arbeiten etwa beim Spielehersteller Savvy, den der PIF 2021 gegründet hat, nur wenige der 3500 Angestellten in Saudiarabien. Stattdessen sind die Büros der verschiedenen Savvy-Unterfirmen in 22 Ländern angesiedelt.
Noch sei es zu früh, die Performance des PIF im Inland zu beurteilen, sagt Hertog. Den Saudi scheinen die Grenzen ihres Heimmarktes allerdings bewusst zu sein. Auch deshalb setzen sie auf Ressourcen von anderswo. «In Saudiarabien haben wir eine robuste digitale Infrastruktur und günstige Energie», sagt Yahya, die früher selbst bei Microsoft Arabien gearbeitet hat. «Ein Land wie Pakistan hingegen verfügt über unzählige Fachkräfte. Nur wenn man beides zusammenbringt, entstehen Kreativität und Innovation.»