Seit einer Reihe von amerikanischen Luftangriffen Anfang Februar halten sich die proiranischen Milizen im Irak und in Syrien zurück. Es herrscht eine informelle Waffenruhe. Man sollte aber vorsichtig sein, daraus allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen.
Wenn nichts passiert, ist das selten eine Schlagzeile wert. Entsprechend ist es weitgehend unbemerkt geblieben, dass es seit sechs Wochen keine Angriffe mehr auf amerikanische Stützpunkte in Syrien und im Irak gegeben hat. Dabei ist dies durchaus bemerkenswert. Denn die relative Ruhe seit Anfang Februar zeigt, dass Amerikas Strategie der Abschreckung bei den proiranischen Milizen Wirkung zeigt. Iran und seine Verbündeten sind offenbar zum Schluss gekommen, dass der Preis einer Eskalation zu hoch ist – zumindest im Moment.
Noch Anfang Februar schien ein direkter Schlagabtausch zwischen den USA und Iran nicht ausgeschlossen. Am 28. Januar waren bei einem Drohnenangriff auf den amerikanischen Aussenposten Tower 22 im Nordosten Jordaniens drei US-Soldaten getötet worden. Seit dem Hamas-Angriff auf Israel im Oktober hatten die proiranischen Milizen schon 180-mal amerikanische Basen in Syrien und im Irak attackiert.
Nach dem tödlichen Angriff auf den Stützpunkt in Jordanien forderten Hardliner in Washington, direkt Vergeltung an Iran zu üben. Das Regime in Teheran drohte daraufhin damit, dass ein Angriff auf sein Territorium nicht unbeantwortet bleiben werde. Um ein Zeichen zu setzen, aber eine unkontrollierte Eskalation zu vermeiden, entschied sich Präsident Biden am Ende dafür, nur eine Reihe von Stützpunkten der Milizen im irakisch-syrischen Grenzgebiet zu attackieren.
Es herrscht eine nicht erklärte Waffenruhe
Zudem schalteten die Amerikaner mit einem gezielten Drohnenangriff im Zentrum von Bagdad einen wichtigen Kommandanten der Miliz Kataib Hizbullah aus, die das Pentagon für den Angriff auf Tower 22 verantwortlich machte. Kataib Hizbullah rief daraufhin zur «Befreiung des Iraks» auf, während die schiitische Miliz Harakat al-Nujaba «gezielte Vergeltung» ankündigte. Passiert ist seither jedoch nichts. Vielmehr herrscht eine nicht erklärte Waffenruhe.
Die USA haben mit ihren Vergeltungsangriffen gezeigt, wer der Stärkere ist und was der Preis einer Eskalation wäre. Offensichtlich haben weder die Milizen noch ihre Paten in Teheran ein Interesse an einem offenen Krieg mit den USA, in dem sie nur verlieren können. Die Iraner und ihre Verbündeten wollen zwar einen Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak und Syrien erzwingen, sie sind aber zugleich darauf bedacht, ihre eigene Position in der Region zu wahren.
Für die Iraner ist es essenziell, dass die Nachschublinien für ihre Truppen in Syrien offen bleiben. Syriens Diktator Bashar al-Asad ist mehr denn je auf die Iraner angewiesen, seit sein zweiter Verbündeter Russland militärisch in der Ukraine gebunden ist. Die schiitischen Milizen wie Kataib Hizbullah und Harakat al-Nujaba sind wiederum darauf bedacht, ihren Einfluss im Irak zu verteidigen. Dies können sie nur, wenn ihre militärischen Strukturen intakt bleiben.
Eine Lösung des Streits um die Truppen ist nicht absehbar
Zu der Ruhe hat auch beigetragen, dass sich die USA Anfang Januar bereit erklärt haben, mit dem irakischen Ministerpräsidenten Mohammed Shia al-Sudani über einen Abzug ihrer Truppen zu verhandeln. Die Milizen können so darauf verweisen, dass ihr Druck Wirkung zeige. Was am Ende der Verhandlungen steht, ist freilich offen. Sudani und andere moderate Schiiten sind eigentlich ganz froh über die Präsenz der Amerikaner, die sie als Gegengewicht zu den Iranern schätzen. Eine baldige Lösung des Streits um die Truppen ist daher nicht in Sicht.
Wie lange es bei der Ruhe im Irak bleibt, ist deshalb offen. Auch sollte man vorsichtig sein, aus den jüngsten Ereignissen allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen. Ob militärische Vergeltung wirkt, ist stark vom politischen Kontext abhängig. Dies zeigt das Beispiel Jemen: Dort fliegen die USA seit über zwei Monaten Luftangriffe gegen die Huthi, ohne dass dies die Miliz von weiteren Attacken auf Schiffe im Roten Meer abgeschreckt hätte. Militärisch sind die Angriffe durchaus effektiv, doch politisch sind sie wirkungslos. Denn die Huthi haben das Gefühl, dass sie politisch von dem Konflikt eher profitieren.