Eine Internetseite will Friedrich Merz als Frauenfeind brandmarken. Dabei greifen die Macher auch auf Desinformation zurück – obwohl sie an anderer Stelle vorgeben, diese zu bekämpfen.
Es heisst, im Krieg und in der Liebe sei alles erlaubt, und ähnliches scheint für den deutschen Wahlkampf zu gelten. Dafür könnte zumindest eine neue Internetseite stehen, die kürzlich online gegangen ist. Ihr Titel lautet «Frauen gegen Merz». Wie der Name bereits verrät, richtet sich die Seite gegen den Kanzlerkandidaten von CDU und CSU, Friedrich Merz.
Eine vergleichbare Internetpräsenz für den Kandidaten der SPD, den amtierenden Kanzler Olaf Scholz oder den Anwärter der Grünen, Robert Habeck, existiert nicht – und es ist unwahrscheinlich, dass eine solche noch aufgebaut wird. Der CDU-Chef hingegen hat mit längerem mit einem Image als Frauenfeind zu kämpfen. Die Neuwahl im Februar scheint seinen politischen Gegnern neuen Antrieb zu geben.
Auf der professionell eingerichteten Website wird die Frage nach dem «Warum» frontal beantwortet: Merz sei mit «seinen Äusserungen zu Frauen im Allgemeinen», aber auch mit «seinen Auslassungen, Migrantinnen und Migranten betreffend» unwählbar und habe in «keiner Weise die notwendigen Voraussetzungen, ein derartiges Amt zu bekleiden.»
Faktencheck widerspricht Falschbehauptung über Merz
Unter der Spalte «Darum» werden zehn Gründe angegeben, mit denen die Initiatoren erklären wollen, warum der Christlichdemokrat unwählbar sei. Beispielsweise, weil er 1995 gegen eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts gestimmt habe – so wie damals die Mehrheit der Abgeordneten der Fraktion – und sich mehrfach abwertend gegenüber Homosexuellen geäussert haben soll.
Ein Beispiel der Website verwundert: Merz habe 1997 gegen den Antrag gestimmt, der Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe stelle. Als Quelle ist ein Faktencheck des Portals Correctiv angegeben. Allerdings stellt Correctiv im verlinkten Beitrag klar, dass diese Aussage ohne zusätzlichen Kontext den Eindruck erwecken könnte, Merz habe sich grundsätzlich gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe ausgesprochen. Diese Interpretation sei jedoch falsch.
Tatsächlich enthielt der Gesetzesentwurf von CDU/CSU und FDP aus dem Jahr 1996 eine Widerspruchsklausel, die vorsah, dass keine Strafverfolgung erfolgen dürfe, wenn das Opfer dem widersprach. Diesem Entwurf stimmte Merz 1996 zu. Ein Jahr später, 1997, lehnte Merz jedoch einen alternativen Gesetzesentwurf ab, der keine solche Klausel enthielt.
In Stellungnahme bekennt sich Initiator zu den Grünen
Die Macher der Internetkampagne scheint dieser Widerspruch nicht zu stören. Hinter ihr steckt die Agentur «Aktivistmuss», wie sich im Impressum nachlesen lässt. Der Aktivist Matthias Seeba-Gomille, der Teil der Agentur ist, bekannte sich öffentlich dazu, Mitglied der Grünen zu sein. Seine Partnerin Frauke Seeba und er bezeichnen sich als «Netzaktivist:innen», die gegen «rechte Propaganda, Verschwörungserzählungen und Desinformation» im Internet vorgehen würden.
In einer öffentlichen Antwort auf eine Medienanfrage bekannten sich die Macher zur Kampagne. Dort heisst es: «Der Hashtag #frauengegenmerz wird seit 2020 verwendet. Zu Recht! Unterstützend haben wir vor ein paar Tagen begonnen, die Seite zu bauen und gestern fertig gestellt.» In der Stellungnahme heisst es auch: «Herr Seeba ist seit einem Monat Mitglied der Grünen.»
Der Account von «Aktivistmuss» auf X, ehemals Twitter, erregte in der Vergangenheit Aufmerksamkeit durch provokative Äusserungen gegen rechte Politiker. In einem inzwischen gelöschten Post aus dem Januar 2022 wurde beispielsweise der Tod von AfD-Politikern wie Beatrix von Storch gefordert.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Aktivisten in Wahlkämpfe einmischen. Bereits im Jahr 2019 sorgte ihre Initiative «Hooligans gegen Satzbau» im Thüringer Wahlkampf für Wirbel, indem sie Plakate im Stil der AfD gestaltete.