![](https://i2.wp.com/img.nzz.ch/2024/03/24/87a1ac52-3257-4b3c-8706-e23ac4fb5fa2.jpeg?width=1200&height=675&fit=bound&quality=75&auto=webp&crop=4595,2585,x0,y239&wmark=nzz&w=1200&resize=1200,0&ssl=1)
Die Frauen der ZSC Lions gewinnen den neunten Schweizer Meistertitel, den dritten in Folge. Das Frauen-Eishockey hat in der Schweiz aber einen schweren Stand.
Rituale gehören zum Sport wie die Emotionen. In Bern heisst das: Berner Marsch plus Fahnenaufzug, auf der steilsten Zuschauertribüne Europas, der berüchtigten «Wand». An der Finalissima der Frauen-Eishockey-Meisterschaft zwischen dem SC Bern und den ZSC Lions scheiterte dieses Vorhaben am Mangel an helfenden Händen, welche die riesige Berner Fahne hätten hieven können.
Der Stehplatzsektor blieb am Sonntag beim letzten Spiel der Meisterschaft geschlossen. 1891 Zuschauer verfolgten den Match, der mit einem 3:0-Sieg der ZSC-Frauen endete.
Was für ein Unterschied zum Vorabend, als bei den Männern im vierten Viertelfinalspiel zwischen dem SC Bern und dem EV Zug zum ersten Mal in der laufenden Saison 17 031 Zuschauer die Arena bis auf den letzten Platz füllten. Dieser Vergleich ist unzulässig und unfair. Die Frauen bestreiten im Prinzip eine andere Sportart. Das Tempo ist merklich tiefer, die Schüsse sind weniger hart und Checks, welche die Essenz der Sportart sind, weiterhin untersagt. In Nordamerika und Schweden ist diese Regel zum Wohle der Attraktivität inzwischen gefallen.
Das Niveau, das die beiden Teams ihrem Publikum am Sonntagnachmittag zeigten, war ansehnlich. Läuferisch sind die Spielerinnen heute gut ausgebildet, und technisch werden viele von ihnen immer stärker. Die Zeiten, in denen sich die männliche Macho-Gesellschaft über das Frauen-Eishockey erheiterte, sind vorüber.
Wickenheiser und Schelling als Eisbrecherinnen
Mittlerweile ist in der Schweiz anerkannt: Eishockey spielen nicht nur Männer und Buben, sondern auch Frauen und Mädchen. Bis zum Alter von rund siebzehn Jahren tun sie das oft in gemischten Teams. Dann trennen sich die Wege. Die Kanadierin Hayley Wickenheiser ist bis heute die einzige Frau, die in der dritten finnischen Liga in einem professionellen Männerteam gespielt und geskort hat. In der Schweiz war die Torhüterin Florence Schelling eine Pionierin, sie spielte für Bülach in der ersten Amateurliga.
Das Schweizer Frauen-Eishockey hinkt der internationalen Konkurrenz trotz der Olympia-Bronzemedaille von Sotschi 2014 hinterher. Obwohl die Sportart auch in der Schweiz zunehmend gefördert wird. Nebst den ZSC Lions und dem SC Bern spielen auch die Frauenabteilungen des HC Davos, von Ambri, Neuenburg oder Fribourg-Gottéron respektable Rollen. Zug ist mit beträchtlichem finanziellen Aufwand auf die nächste Saison aufgestiegen.
Der HC Lugano, der unter der Präsidentin Vicky Mantegazza lange führend im Schweizer Frauen-Eishockey war, hat sich hingegen aus der Szene zurückgezogen. Nach der Ausgliederung der Frauensektion in einen eigenständigen Verein verpflichtete die neue Führung Spielerinnen ohne Arbeitsbewilligung und Versicherungsschutz, bis die Fremdenpolizei einschritt und dem Treiben Einhalt gebot.
Budget für die Männer im SC Bern hundert Mal so gross
Andere Klubs investieren erhebliches Geld in ihre Frauenabteilungen. Der SCB hat seine vor einem Jahr noch unter der Führung des Kurzzeit-CEO Raeto Raffainer aus Thun übernommen. Er integrierte den Traditionsverein Bomo und verlieh ihm professionelle Strukturen. Das Budget des Teams beträgt 200 000 Franken und damit nur 1 Prozent von jenem der Berner Männermannschaft (20 Millionen).
Eine Leserbriefschreiberin wandte sich kürzlich mit dem Begehren an die «Berner Zeitung», man müsse den SCB-Frauen medial dieselbe Beachtung schenken wie den Männern, alles andere sei diskriminierend. Angesichts der Zuschauerzahlen ist das eine absurde Forderung. Die SCB-Frauen spielen durchschnittlich vor 200 Zuschauern, bei den Männer beträgt der Schnitt 15 490.
Auch bei den Löhnen ist die Diskrepanz gross. Bei den Männer tendiert das Durchschnittssalär gegen 300 000 Franken, die besten Frauen dürften zwischen 20 000 und 30 000 Franken verdienen. Pro Team sind in der Frauenliga vier Ausländerinnen erlaubt. Die meisten Spielerinnen gehen daneben noch einem normalen Beruf nach.
Gratiseintritte und Konsumationsgutscheine
Beispiele wie jenes von Lara Stalder, einer der besten Schweizer Spielerinnen, die im EV Zug zu 40 Prozent als Eishockeyspielerin und darüber hinaus noch zu 60 Prozent im Management des Klubs angestellt ist, machen Schule. Angestossen hatte dieses Vorgehen die Sportministerin Viola Amherd, die einst eine Frauenquote von 40 Prozent in den Leitungsorganen von Vereinen und Verbänden forderte. Nach Protesten musste die Walliser Bundesrätin zurückbuchstabieren. Trotzdem setzte sie mit ihrer Forderung ein Zeichen.
Marc Lüthi, der CEO des SC Bern, zeigt zwar Respekt vor dem Engagement der Frauen. Gleichzeitig dürfte ihm der Aufwand, den sein Klub mit der Frauenabteilung betreibt, ein Dorn im Auge sein. Sie ist noch weit davon entfernt, selbsttragend zu sein. Das Interesse ist weiterhin zu klein.
Der SCB versuchte, die Zuschauer mit Gratiseintritten und zweimal mit einem Konsumationsgutschein von 10 Franken ins Stadion zu locken. Das Publikum wurde gewissermassen für sein Erscheinen bezahlt. Trotzdem blieb der Erfolg überschaubar. Bei allem Verständnis für Gleichstellung und Frauenförderung: Interesse lässt sich nicht per Quoten regeln. Es muss wachsen.