Ein Freihandelsabkommen mit Indien böte erleichterten Zugang zu einem bisher stark geschützten und deswegen auch kleinen Markt mit grossem Potenzial. Vor allem aber wäre es ein Zeichen, dass die Freihändler nach langem Suchen doch noch liefern können.
Noch ist es erst ein Tweet des schweizerischen Wirtschaftsministers Guy Parmelin, in dem dieser eine Einigung «über die Grundzüge des Freihandelsabkommens Efta – Indien» verkündet. Unterschrieben ist noch nichts, um die letzten Details wird noch heftig gerungen. Doch nach sechzehn Jahren Verhandlungen tut ein Erfolg not.
Indien ist mit 18 Prozent der Weltbevölkerung so gross wie China, hat aber anders als dieses stark auf Protektionismus, Importsubstitution und Industriepolitik gesetzt. Auch deshalb trägt es erst 3 Prozent zur weltweiten Wirtschaftsleistung bei – China hingegen 18 Prozent. Wenn nun Indiens Regierung vor den anstehenden Neuwahlen gewillt ist, ein Freihandelsabkommen mit der zur Efta gehörenden Schweiz abzuschliessen, so dürfte sie damit – zu relativ begrenzten Kosten – ein Zeichen der Öffnung setzen wollen.
Enger Schweizer Spielraum
Dennoch ist ein substanzielles Abkommen alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Zur indischen Politik, Importe möglichst mit einheimischen Produkten zu ersetzen, gehörten bisher hohe Zölle auf Uhren und Maschinen und ein sehr laxer Patentschutz im Dienste der indischen Generikaindustrie. Eine Zollbefreiung von Uhrenimporten und generell von gut 90 Prozent aller Einfuhren sowie beschleunigte Klagemöglichkeiten bei Patentstreitigkeiten sollten es erlauben, dass die schweizerische Pharmaindustrie sich den Interessen der Industrie nicht länger in den Weg stellt. Doch was kann die Schweiz Indien bieten?
Die Schweiz ist ein kleiner Markt, der allenfalls als Testmarkt und wegen seiner Teilnahme am EU-Binnenmarkt interessant ist. Die noch verbliebenen Einfuhrzölle auf Industrieprodukten wurden per Anfang Jahr erfreulicherweise einseitig abgeschafft.
Bei den Agrargütern übt sich die Eidgenossenschaft dagegen in Protektionismus auf weltweitem Spitzenniveau und macht wenig Zugeständnisse. Bei den Dienstleistungen könnte ein erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt attraktiv sein, doch steht dem die Angst vor unkontrollierter Zuwanderung entgegen. Und die an der Urne nur äusserst knappe Annahme des Abkommens mit Indonesien hat gezeigt, dass Entwicklungsorganisationen zunehmend Freihandelsabkommen als Projektionsfläche für ihre sachfremden Anliegen zu missbrauchen gewillt sind.
Interessant für Schwellenländer wie Indien bleibt die Aussicht, für die vielen international tätigen Schweizer Firmen als Investitionsstandort attraktiver zu werden. Nun soll ein sogenanntes Investitionspromotionskapitel als Innovation in einem Freihandelsabkommen eine Einigung mit Indien möglich machen. Was davon zu halten ist, wird sich zeigen müssen.
Mehr sollte folgen
Noch ist das Ganze nicht in trockenen Tüchern. Dass eine Einigung gelingt und vor Volk und Ständen Bestand hat, ist allerdings sehr zu hoffen. Nicht nur wegen des ungenutzten Potenzials. Die Exporte nach Indien machen derzeit erst 0,7 Prozent aller schweizerischen Ausfuhren und die Importe 1,0 Prozent aller Einfuhren aus – wenn der Goldhandel ausgeklammert wird. China ist für den schweizerischen Aussenhandel gut acht Mal so wichtig.
Ein erfolgreiches Abkommen mit Indien wäre vor allem auch ein Zeichen, dass die schweizerische Aussenhandelspolitik noch handlungsfähig und gewillt ist, ihre Freiheitsgrade liberal und pragmatisch einzusetzen, um so der Wirtschaft und den Konsumenten Standortvorteile zu sichern. Mehr sollte folgen: Das Abkommen mit dem Mercosur, das wegen Umweltbedenken auf die Intensivstation verschoben wurde, könnte wiederbelebt werden.
Auch eine Modernisierung des Freihandelsabkommens mit China wäre wünschenswert, liegt aber nach dem Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten in Davos immer noch in weiter Ferne. Zudem sind einige bestehende Freihandelsabkommen wie das mit Japan veraltet und schlecht umgesetzt und wird mit Vietnam und Malaysia schon jahrelang ergebnislos verhandelt.
Mit Abstand am meisten brächten ein Freihandelsabkommen mit den USA (18 Prozent der Exporte) und eine Liberalisierung im Agrarbereich mit der EU (50 Prozent der Ausfuhren). Solange beides unwahrscheinlich bleibt, muss wenigstens das Abkommen mit Indien gelingen.