Über das Erfolgsrezept einer der populärsten Sitcoms der Fernsehgeschichte.
In den neunziger Jahren liessen sich Frauen weltweit beim Coiffeur «the Rachel» schneiden. Sie bekamen dann die ikonische Frisur, die Jennifer Aniston alias Rachel Green in «Friends» trug, schulterlang, voluminös, gestuft. «Friends» war nicht nur eine der erfolgreichsten Sitcoms der TV-Geschichte. «Friends» prägte die Pop-Kultur.
Vor 30 Jahren wurde die erste Folge ausgestrahlt. Das Konzept der Serie ist aus heutiger Sicht simpel: Eine Gruppe Mittzwanziger versammelt sich um ein Sofa im Café «Central Perk» und sinniert über das Leben. Das Leben? Genaugenommen vor allem über die Liebe. In der ersten Folge erzählt Monica von ihrem Date, Ross trauert seiner lesbischen Ex-Frau nach, Rachel berichtet im Hochzeitskleid vom Altar, wo sie soeben den Mann stehen gelassen hat. Dazu gibt es schnippische Sprüche und zahlreiche Lacher (gedreht wurde vor Live-Publikum).
Ob «How I Met Your Mother» oder «The Big Bang Theory», heute haben zig Serien dieses Konzept kopiert. Doch damals war das neu: «Friends» stellte einen Freundeskreis anstelle der Familie ins Zentrum.
Zehn Jahre, zehn Staffeln
«Friends» wurde in Kürze zum Kult. Als 2004 die letzte Folge lief, schauten in den USA über 52 Millionen Menschen zu. Die Popularität hält bis heute an und zeugt vom zeitlosen Erfolgskonzept. Die Serie beleuchtet die Sorgen von sechs Personen zwischen Aufbruch und Ankommen. Sie suchen einen Platz im Leben, der für länger Bestand hat. Sie stehen auf eigenen Beinen, aber tapsend, tänzelnd, mäandrierend. Sie beginnen zu realisieren, dass ein Entscheid bedeutet, dass andere Türen zugehen. Und sie merken, dass eine ruhige Nacht anstelle einer wilden Party auch ganz in Ordnung ist.
So rechnet Rachel etwa an ihrem 30. Geburtstag vor: Sie will mit 35 Jahren Mutter sein, müsste dafür also mit 34 schwanger werden. Dafür müsste sie mit 33 heiraten. Um genug Zeit für Kennenlernen, Zusammenziehen, Hochzeitsvorbereitungen zu haben, müsste sie ihrem Zukünftigen also genau jetzt über den Weg laufen. Hilfe! Die Panik kennen viele Frauen, und Männer, in diesem Alter.
«Friends» spielt in einer Welt, die sich vorwiegend um private Problemchen dreht. Klima, Kriege, Krisen – war da was? Die Serie lässt die Politik über weite Stecken aussen vor. Sie zelebriert den Optimismus der neunziger Jahre. Eine Zeit, als man relativ sorglos in die Zukunft blickte.
«I’ll be there for you», heisst es im berühmten Titelsong, «ich werde für dich da sein». «Friends» bedeutet auch: 236 Folgen Trost durch Freundschaft. Und die Leute kehren immer wieder zurück. «Comfort binge» nennt sich das Phänomen, dass Menschen mehrmals dieselben Serien schauen.
Figuren mit Identifikationspotenzial
Die Beliebtheit von «Friends» hat viel mit den Figuren zu tun. Monica, Ross, Rachel, Chandler, Joey und Phoebe sind allesamt sympathisch. Sie kennen weder Böswilligkeit noch anhaltende Miesepetrigkeit. Sie führen ein sehr normales Leben. Man könnte zwar denken, junge Erwachsene in New York verbringen ihre Zeit im aufregenden Nacht- und Stadtleben. Doch die sechs hocken die meiste Zeit in der Wohnung oder in ihrem Stammlokal – es ist ein im Grunde handzahmer, herzlicher Haufen. Sie entwickeln sich im Laufe der zehn Jahre und zehn Staffeln weiter. Und scheitern doch immer wieder am Alltäglichen, genauso wie wir Zuschauer!
Welches ist deine Lieblingsfigur? Die Frage fällt bis heute, wenn über «Friends» diskutiert wird. Da ist die Beliebte, der Sarkastische, die Unabhängige, der Alberne, die Ehrgeizige, der Romantiker – jeder findet eine Schablone. Jedenfalls die weissen, privilegierten, heterosexuellen Zuschauer.
Heute wird der Serie – wie vielen aus der damaligen Zeit – vorgeworfen, zu wenig divers zu sein. Die Co-Macherin Marta Kauffman gab vor einigen Jahren zu Protokoll, sie schäme sich für die mangelnde Vielfalt des Formats. Auch weitere Makel werden inzwischen hervorgestrichen. Etwa die Tatsache, dass Chandler Angst hat, als schwul wahrgenommen zu werden, oder Ross seinen Sohn nicht mit Barbie spielen lassen will. Oder die wiederkehrenden Witze über Monicas Übergewicht als Jugendliche. Heute würde man das Body-Shaming nennen, damals fehlten Begriffe und Sensibilität. «Friends» ist auch diesbezüglich ein Kind seiner Zeit.
Die Kritik bezieht sich aber meist auf einzelne Szenen und nicht kategorisch auf die Rollenbilder in der Serie. Denn in vielerlei Hinsicht war «Friends» damals progressiv. Die Frauen suchen nicht einfach nur den perfekten Mann, sondern ein eigenständiges Leben. Die Homosexualität von Ross’ Ex-Frau und ihre lesbische Hochzeit in der zweiten Staffel werden mit ungewohnter Selbstverständlichkeit dargestellt. Ebenso ernste Themen wie Unfruchtbarkeit, Arbeitslosigkeit, Leihmutterschaft.
Fortschrittlich war auch, wie die Hauptdarsteller gemeinsam ihr Salär verhandelten. Alle sechs wurden laut Berichten gleich entlöhnt, zuletzt mit einer Million pro Folge. Getreu dem grossen Versprechen von «Friends»: «I’ll be there for you.»