Heinz Lienhard präsidierte die grösste Schweizer Tierschutzorganisation zwanzig Jahre lang. Nun hofft er auf einen Neustart.
Der Schweizer Tierschutz (STS) kommt seit Monaten nicht mehr aus den Schlagzeilen. Am Wochenende wurde Ihre Nachfolgerin, die Präsidentin Nicole Ruch, wegen angeblicher ungetreuer Geschäftsführung und überrissener Spesenbezüge abgewählt. Aber das Ansehen der Organisation ist nach den Turbulenzen weiterhin stark beschädigt. Wie konnte es so weit kommen?
Heinz Lienhard: Ich sehe zwei Gründe. Nicole Ruch erwies sich als unfähig, einen Verband wie den STS zu führen. Und zwei Vorstandsmitglieder, Martina Munz und Michel Roux, haben einen Machtkampf angezettelt und diesen mit tendenziösen, unwahren Behauptungen in die Öffentlichkeit gezerrt.
Inwiefern?
Beispielsweise mit der Behauptung, eine Liegenschaft im Tessin sei unter Wert und ohne echte Ausschreibung verkauft worden. Das kann einwandfrei widerlegt werden. Es gibt ganz viele andere Beispiele von verdrehten Tatsachen, die die beiden verbreitet haben.
Auch gegen Sie als ehemaligen Präsidenten wurden Vorwürfe laut. Sie hätten den Tierschutz wie ein Familienunternehmen geführt. Es habe keine Transparenz über die Finanzen bestanden, war in den Medien zu lesen.
Ich habe den STS nicht als Familienunternehmen geführt, sondern so, wie ein Unternehmen in der Wirtschaft geführt werden muss, um erfolgreich zu sein. Intransparent war unter meiner Präsidentschaft weder das Geschäftsgebaren noch der Finanzhaushalt des STS. Die detaillierten, von namhaften Revisionsgesellschaften geprüften Jahresrechnungen wurden von der Delegiertenversammlung ausnahmslos und ohne Vorbehalte genehmigt. Sie entsprachen nicht der Darstellung, wie sie von der Zertifizierungsorganisation Zewo verlangt wird, aber das ist auch nicht notwendig. Weshalb irgendjemand daraus «Intransparenz» ableiten kann, ist mir schleierhaft.
Fürchten Sie nun um Ihr Lebenswerk, die wichtigste Tierschutzorganisation der Schweiz?
Nein, der STS hat sich über 160 Jahre einen hervorragenden, glaubwürdigen Leistungsausweis erarbeitet. Den kann eine unfähige Geschäftsführerin nicht in zwei Jahren zerstören, und tendenziöse Aussagen in den Medien genügen dafür auch nicht.
Offenbar sind die Wogen noch nicht geglättet: Es läuft ein Strafverfahren wegen ungetreuer Geschäftsführung gegen die abgewählte Präsidentin. Mehrere Geschäftsleitungsmitglieder sind abgesprungen, auch im Zentralvorstand gab es prominente Abgänge, darunter der Ex-Fernseh-Moderator Kurt Aeschbacher. Kann ein Neuanfang da überhaupt gelingen?
Ja, das kann gelingen. Die beiden Vorstandsmitglieder Martina Munz und Michel Roux wurden ja auch abgewählt. Damit sind alle Voraussetzungen für einen Neustart gegeben. Die Frage ist nur, wie lange es dauern wird, bis der STS wieder das sein wird, was er vor zwei Jahren war. Ich hoffe, dass die jetzt anlaufende Sanierung nicht durch weitere Falschbehauptungen in der Öffentlichkeit und tendenziöse Medienberichte erschwert wird.
Die Tierschutzorganisationen der Regionen melden Rückgänge bei den Spenden. Die Zertifizierungsorganisation Zewo rät sogar von Spenden an den Schweizer Tierschutz (STS) ab. Müsste man nun nicht alles daransetzen, das Gütesiegel der Zewo zu bekommen?
Das wäre nur möglich, wenn entweder jede der 71 STS-Sektionen dieses Siegel auch für sich beantragen würde oder wenn der STS garantieren würde, dass jede einzelne Sektion alle Zewo-Bedingungen einhält. Weil es sich bei den Sektionen jedoch um selbständige, unabhängige Vereine handelt, hat der STS keine Möglichkeit, ihnen irgendwelche Vorschriften zu machen. Übrigens stand der STS vor ein paar Jahren bereits einmal wegen «Intransparenz» auf einer Negativliste der Zewo. Nachdem er der Zewo die Jahresrechnung und den Tätigkeitsbericht freiwillig vorgelegt hatte, wurde der Negativeintrag sofort wieder gelöscht.
Ist dieses Siegel Ihrer Ansicht nach also entbehrlich?
Es kommt auf den Leistungsausweis an, nicht auf ein Gütesiegel. Meines Wissens hat heute keine Schweizer Tierschutzorganisation das Zewo-Siegel. Bis vor einigen Jahren wurden Tierschutzorganisationen von der Zewo auch gar nicht zertifiziert.
Heinz Lienhard präsidierte während 20 Jahren den Schweizer Tierschutz. Im Jahr 2021 übergab er das Amt dem damaligen Vorstandsmitglied Nicole Ruch.