Seit der letzten Anpassung 2009 ist der reale Wert von Wohnimmobilien deutlich gestiegen. Das wirkt sich nun auf den Eigenmietwert und das steuerbare Vermögen aus.
Statistiken und Analysen über die Entwicklung der Boden- und Immobilienpreise gibt es zuhauf. Sie finden in den Medien hohe Beachtung. Einige erhoffen sich eine Antwort darauf, ob und wo sie sich noch eigene vier Wände leisten können. Andere befriedigen ihre Neugier. Die Liegenschaftenpreise zeigen seit Jahren fast immer in eine Richtung: nach oben.
Diese Preisentwicklung trifft nun aber fast alle Besitzer eines Einfamilienhauses oder einer Eigentumswohnung. Das zeigt ein Bericht, den das auf Immobilien spezialisierte Beratungsunternehmen Wüest Partner im Auftrag des kantonalen Steueramtes verfasst hat. Die meisten Wohneigentümer dürften ab 2025 eine höhere Steuerrechnung erhalten. Im Einzelfall reicht das von einem bescheidenen dreistelligen Betrag bis zu einer erklecklichen vierstelligen Summe.
Insgesamt rechnet das Steueramt mit höheren Einnahmen für den Kanton von etwa 45 Millionen Franken bei der Einkommenssteuer und 40 Millionen bei der Vermögenssteuer. In der gleichen Grössenordnung sind Mehrerträge für alle Gemeinden zu erwarten. Das geht aus dem Entwurf einer Weisung hervor, die der Regierungsrat in der letzten Woche publiziert hat.
Mindestens 70 Prozent des Verkehrswerts
Weder finanzielle Not noch Gier nach mehr Mitteln treiben den Kanton an. Es ist die Rechtslage, oder genauer: die Rechtsprechung. Denn der Wert von selbst bewohntem Eigentum gehört in die Steuererklärung. Diese Zahl ist nicht identisch mit dem Marktwert und wird Wohneigentümern von ihrer Gemeinde mitgeteilt. Sie wurde 2009 letztmals angepasst und ist heute meist weit entfernt vom realen Verkaufswert.
Damit werden nicht nur Vermögenssteuern gespart. Vom steuerlichen Immobilienwert wird auch der Eigenmietwert abgeleitet. Dabei handelt es sich um ein fiktives Einkommen, das Besitzern von selbst genutztem Wohnraum zum Einkommen angerechnet wird und über dessen Abschaffung im Bundeshaus seit Jahren gestritten wird. Steigt dieser Wert, erhöht sich die Einkommenssteuer.
Laut dem Zürcher Steuergesetz ist der Eigenmietwert in der Regel auf maximal 70 Prozent des Marktwerts festzulegen, das heisst im Verhältnis zum Preis, zu dem die Wohnung oder das Einfamilienhaus vermietet werden könnte.
Inzwischen gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Thema. Laut dieser dürfen die Eigenmietwerte nicht niedriger sein als 60 Prozent der Marktmiete und die Vermögenssteuerwerte nicht weniger als 70 Prozent des Verkehrswerts der Liegenschaft betragen.
Aufgrund der höheren Immobilienwerte und mit dem Ziel, diese rechtlichen Vorgaben einzuhalten, hat Wüest Partner die neuen Werte berechnet. Ergebnis: Für Einfamilienhäuser sind der Vermögenssteuerwert durchschnittlich um 49 Prozent und der Eigenmietwert um 11 Prozent anzuheben, beim Stockwerkeigentum beträgt der Wertanstieg im Mittel 48 Prozent und beim Eigenmietwert 10 Prozent.
Die Regierung hat in ihrem Beschluss anhand einiger Beispiele berechnet, wie hoch die Mehrbelastung ausfällt. Das hängt davon ab, ob jemand mit dem neuen Eigenmietwert in eine höhere Progression bei der Einkommenssteuer fällt oder als Folge des höheren Immobilienwerts überhaupt erstmals Vermögenssteuer bezahlen muss. Am stärksten spüren es diejenigen, die ihr Wohneigentum vor 2009 erwarben. Hier wirkt sich die Wertvermehrung über die letzten fünfzehn Jahre aus.
Der kantonale Hauseigentümerverband reagierte umgehend. Er zeigt zwar Verständnis für die Anpassung, wird aber die Weisung, die auf kantonaler und kommunaler Ebene die Wohneigentümer etwa 170 Millionen Franken im Jahr kostet, im Detail analysieren.
Der Verband kritisiert, dass die Massnahme diejenigen begünstigt, deren Liegenschaften hoch belastet sind, und diejenigen belastet, die, etwa zur Altersvorsorge, ihre Schulden abbauen. Es würden die zur Kasse gebeten, die ein Leben lang gespart und ihre Hypothek abbezahlt hätten. Sie können keine Hypozinsen in der Steuererklärung abziehen.
«Gleichbehandlung im Unrecht»
Darauf angesprochen, schreibt die Finanzdirektion, es hänge von der persönlichen finanziellen Situation der steuerpflichtigen Person ab, ob es sich lohne, Hypothekarschulden zu haben: «Jedenfalls stellt der Abbau von Schulden, ungeachtet vom Alter der Immobilienbesitzer, keinen Nachteil dar.» Hypothekarzinsen stellten tatsächliche Geldabflüsse vom Haushaltseinkommen dar, die niemals zu einer Steuerentlastung in gleicher Höhe führen könnten.
Falls der Bund den Eigenmietwert in absehbarer Zeit doch noch abschafft, würde dies auch für den Kanton Zürich gelten. An der Notwendigkeit der Neubewertung, heisst es aus dem Steueramt, würde das in Bezug auf die Vermögenssteuer jedoch nichts ändern.
Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) hat diese Aufgabe sicher nicht gesucht. Als der Regierungsrat die Neubewertung der Liegenschaften vor drei Jahren ankündigte, sagte er zur NZZ, er habe gehofft, dass dieser Kelch an ihm vorbeigehe. Dass dies nicht eintraf, liegt auch daran, dass er 2023 nochmals zu den Wahlen antrat.
Die Situation im Kanton Zürich ist heute nicht bundesrechtskonform. Das stellten bereits das kantonale Steuerrekursgericht und das Verwaltungsgericht fest. Sie lehnten bei einer Liegenschaft die Erhöhung des Vermögenssteuerwerts durch das Steueramt ab. Begründung: Wenn die breite Masse von zu tiefen Werten profitiert, darf man nicht einen Einzelnen juristisch korrekt besteuern. Dann gilt die «Gleichbehandlung im Unrecht».
Auf diesen Grundsatz können sich Steuerpflichtige jedoch nicht mehr berufen, da die Anpassung nun eingeleitet ist, heisst es im Beschluss der Regierung. Er geht bis zum 8. Mai in eine Vernehmlassung bei den politischen Parteien, den Gemeinden und betroffenen Verbänden. Sie alle haben dazu aber letztlich ebenso wenig zu sagen wie das Parlament oder das Volk.
Es handelt sich um eine Weisung der Regierung an die Steuerbehörden. Wie hoch der Vermögenssteuerwert und der Eigenmietwert ihrer Liegenschaft in Zukunft sein wird, erfahren die Wohneigentümer von ihrer Gemeinde Anfang 2026 für die Steuererklärung 2025.