Thomas von Planta, der Verwaltungsratspräsident des neuen Versicherers, und der CEO Fabian Rupprecht erläutern im Interview die Gründe für die Fusion zwischen den beiden Versicherern und wieso es zu einem Stellenabbau kommt.
Helvetia und Baloise wollen fusionieren. Wer ist bei den Gesprächen auf wen zugegangen?
Thomas von Planta: Sie können davon ausgehen, dass es einen regelmässigen Austausch unter den Versicherern in der Schweiz gibt. Nicht nur zwischen Helvetia und Baloise, sondern auch mit anderen Unternehmen.
Sowohl Helvetia als auch Baloise sind Traditionsunternehmen, die es seit dem 19. Jahrhundert gibt. Warum wollen Sie gerade jetzt fusionieren?
Von Planta: Beide Unternehmen sind im vergangenen Jahr durch einen ähnlichen Prozess gegangen: Beide haben einen neuen CEO und haben sich eine neue Strategie gegeben. Die Baloise hat ihre Refokussierungsstrategie Mitte September letzten Jahres präsentiert. Helvetia ist mit ihrer Strategie in der ersten Dezemberhälfte herausgekommen. Das hat für beide Seiten einen Abgleich ermöglicht. Dabei sind wir zum Schluss gekommen, dass jetzt beidseitig eine strategische Chance besteht.
Welche Rolle hat der Einstieg des Finanzinvestors Cevian aus Schweden im vergangenen Jahr bei der Baloise gespielt?
Von Planta: Die Idee wurde geboren, bevor sich der Investor bei der Baloise engagiert hat.
Aber es hat dann die Gespräche beschleunigt?
Von Planta: Nochmals, die beiden Unternehmen sind letztes Jahr durch intensive Strategieprozesse gegangen. Bei Baloise haben wir damit im August 2023 angefangen und sind ein Jahr später herausgekommen. Wir haben jeden Stein im Unternehmen umgedreht. Das waren die entscheidenden Überlegungen, die von innen heraus bei beiden Unternehmen erfolgt sind.
Fabian Rupprecht: Dieser Investor zählt heute ja gar nicht zum Aktionariat der Helvetia. Wir haben uns dafür entschieden, die Gespräche mit Baloise fortzuführen, weil wir denken, dass es enorm wertsteigernd ist, was wir hier schaffen können.
Wer war bei der Fusion im Lead?
Rupprecht: Das ist ein echter «Merger of Equals», also eine Fusion unter Gleichen. In der Branche gibt es nur wenige solcher Fälle, aber hier können wir das wirklich sagen. Das sieht man etwa an der Art und Weise, wie die Governance des neuen Unternehmens aufgebaut wird oder daran, wie wir uns auf Namen und auf Standorte geeinigt haben. Selbst das Aktienaustauschverhältnis ist sehr nah an eins zu eins.
Sie planen Kosteneinsparungen in der Höhe von 350 Millionen Franken pro Jahr durch die Fusion. Zwei Drittel davon sollen durch Personalabbau erreicht werden. Können Sie das bestätigen?
Rupprecht: Das können wir bestätigen. Es gibt verschiedene Gründe dafür. Der erste Grund ist, dass wir damit unsere Marktposition enorm verbessern. Wir werden zur Nummer 2 in der Schweiz. Das erlaubt es uns, Agenturnetze zu stärken, Skaleneffekte und Synergien zu erreichen.
Sie wollen aber 233 Millionen Franken pro Jahr beim Personal einsparen?
Rupprecht: Es ist noch zu früh, um so genau zu kalkulieren. Wir haben am Ostermontag die Fusionsverträge unterschrieben. Folglich stehen wir am Anfang eines Prozesses und geben hier nur Grössenordnungen an. Wir werden die nächsten Monate für eine Konkretisierung nutzen.
Sind die Einsparungen beim Personal über das ganze fusionierte Unternehmen hinweg kalkuliert, oder betrifft das schon einzelne Bereiche?
Rupprecht: Wir werden dort Synergien schaffen, wo wir uns heute überlappen. Dies ist in den Gruppenfunktionen, im Asset-Management, in der Marktorganisation Schweiz und in der Marktorganisation Deutschland der Fall. In allen anderen Bereichen laufen schon die Effizienzmassnahmen, die wir an unserem Kapitalmarkttag im vergangenen Jahr verkündet haben.
In Medienberichten ist die Rede von einem Abbau von bis zu 2000 Stellen bei dem fusionierten Unternehmen. Ist das die Grössenordnung, auf die man sich einstellen muss?
Rupprecht: Momentan kommentieren wir solche Zahlen nicht, weil es einfach zu früh ist.
Wieso soll eigentlich Basel der Hauptsitz des fusionierten Unternehmens werden und nicht St. Gallen, wo die Helvetia ihren Hauptsitz hat?
Von Planta: Sie müssen das Gesamtpaket anschauen, und das ist eines der Ergebnisse aus den Gesprächen zwischen den beiden Unternehmen.
Rupprecht: Die Mehrheit der Mitarbeitenden beider Unternehmen arbeitet bereits heute in Basel. Die Helvetia hat heute fast zwei Drittel ihrer Konzernfunktionen in Basel und ein Drittel am bisherigen Hauptsitz in St. Gallen.
Welche Bereiche der Helvetia sind denn jetzt schon am Standort Basel angesiedelt?
Rupprecht: Es sind Gruppenfunktionen, zum Beispiel aus dem Asset-Management, der IT, aber auch aus der Kommunikation.
Was heisst der Entscheid für den Standort St. Gallen, wird der nun geschwächt?
Rupprecht: St. Gallen bleibt für uns ein wichtiger Standort, schon aus unserer Geschichte ergibt sich ein gewisser Fokus darauf. Operative Einheiten werden weiterhin dort sitzen, so sitzt unsere aktive Rückversicherung dort. Diese wird sicher nicht nach Basel ziehen.
Trotzdem nochmals zurück zu Cevian. Der Finanzinvestor fordert schon länger gewisse Veränderungen von Baloise, unter anderem den Ausstieg aus Deutschland oder eine Lösung für die konzerneigene Baloise-Bank. Inwieweit werden Sie jetzt nach der Fusionsankündigung noch darauf eingehen?
Von Planta: Unser Fokus ist im Moment, dass die beiden Versicherer ihre Kräfte bündeln. Wir haben bereits deutlich gemacht, dass die Bank Teil davon ist. Mehr gibt es im Moment dazu nicht zu sagen.
Rupprecht: Mit der Fusion haben wir in Deutschland zum ersten Mal die Möglichkeit, zwischen den beiden Gesellschaften Synergien zu realisieren und dadurch den Wert der Unternehmungen zu erhöhen. Das wollen wir tun, denn das schulden wir unseren Aktionären.
Das fusionierte Unternehmen ist ja noch auf einer ganzen Reihe von Auslandsmärkten tätig, etwa in Spanien, Italien oder Belgien. Wie sehen Sie die Zukunft dort?
Rupprecht: Das Standbein in Europa ist für uns wichtig und dient der Diversifikation. Das wird im Versicherungsgeschäft immer wichtiger, nur schon wegen der steigenden Klimarisiken und der damit einhergehenden Volatilität. Wir haben in vielen dieser Märkte schon jetzt eine sehr gute Position und werden diese auch weiterhin haben. Für den Moment können Sie davon ausgehen, dass das Auslandsgeschäft bei der Helvetia von der Fusion nicht tangiert wird, und ich gehe davon aus, dass dies bei der Baloise auch zutrifft.
Künftig gehören Sie in Europa zu den zehn grössten kotierten Unternehmen der Branche. Wollen Sie im Ausland noch weiter wachsen?
Rupprecht: Priorität für uns hat im Moment erst einmal die Integration. Das schulden wir unseren Mitarbeitern, unseren Kunden sowie unserem Aktionariat. Sollten sich danach Gelegenheiten ergeben, werden wir diese genau prüfen und, falls möglich, diszipliniert angehen.
Die Aktionäre der beiden Versicherer müssen der Fusion erst zustimmen. Laut Medienberichten könnte es zu einem Bieterkampf um Baloise kommen. Sehen Sie Anzeichen dafür, dass noch andere Käufer ihren Hut in den Ring werfen könnten?
Von Planta: Die Tinte unter dem Fusionsvertrag ist noch nicht einmal richtig trocken. Wir stecken unsere Energie und den Fokus da hinein.
Was heisst die Fusion eigentlich für Ihre Kunden? Schauen Sie jetzt bei den Schäden strenger hin, wenn Sie Kosten sparen wollen?
Rupprecht: Künftig werden wir gerade in der Schweiz und in Deutschland einen breiteren Agenturvertrieb haben. Wir sind hochsolide: Bei beiden Versicherungen liegt die Solvenzquote bei über 200 Prozent. Das ist ein Vorteil, den die Kunden auch nach der Fusion spüren werden.