Der Stadtrat muss klären, ob im alternativen Szenelokal Zentralwäscherei gegen den Nutzungsvertrag verstossen wurde.
Mehr als ein Monat ist vergangen, seit die drei Stadtparlamentarier Jehuda Spielman, Anthony Goldstein (beide FDP) und Ronny Siev (GLP) sich mit einer dringlichen Anfrage zum Auftritt des Samidoun-Mitglieds Mohammed Khatib im alternativen Szenelokal Zentralwäscherei an den Stadtrat gewandt haben. 29 weitere Parlamentsmitglieder hatten die Anfrage mitunterzeichnet.
In Deutschland ist Samidoun seit letztem November verboten. Die Gruppierung gilt als antisemitisch und extremistisch. In Berlin hatten Mitglieder die Angriffe der Hamas auf Zivilisten in Israel am 7. Oktober letzten Jahres mit einer spontanen «Feier des Sieges des Widerstands» begrüsst.
Today in Berlin! Spontaneous demonstration in the streets for Palestinian Liberation. From the river to the sea, Palestine will be free! pic.twitter.com/jlDtFbRimx
— Samidoun Network (@SamidounPP) October 7, 2023
Seit Mittwochabend liegen die Antworten des Zürcher Stadtrats vor. Bei Spielman und seinen Mitstreitern tragen sie allerdings nichts zur Klärung bei, sondern lösen Entrüstung aus.
Im Schreiben des Stadtrats heisst es, erst wenn der Sachverhalt der fraglichen Veranstaltung geklärt sei, könne geprüft werden, ob eine Verletzung der vertraglichen Bestimmungen vorliege. Danach werde über allfällige Konsequenzen befunden.
Doch genau bei der Klärung des Sachverhalts ist Sand ins Getriebe gekommen. So schreibt der Stadtrat, der Verein Zentralwäscherei sei zu einer schriftlichen Stellungnahme bezüglich der Veranstaltung aufgefordert worden. Diese habe der von der Stadt subventionierte Verein bisher nicht abgegeben.
Weiter schreibt der Stadtrat, Antisemitismus, Rassismus und jegliche Form von Diskriminierung oder Gewalt gegen Minderheiten hätten in Zürich keinen Platz. Gleichzeitig habe die Stadt keine direkte Kontrollfunktion gegenüber dem Programm des Vereins Zentralwäscherei.
Die im Gebrauchsleihvertrag formulierten Grundsätze zu diskriminierungsfreien Tätigkeiten müssten aber jederzeit eingehalten werden, heisst es weiter. Aus diesen Grundsätzen folge, «dass die Unterstützung von Terrorismus und Extremismus untersagt ist».
«Zehn Tage lang hat die Schweiz über Antisemitismus diskutiert»
Mehr als einen Monat habe der Stadtrat Zeit gehabt für die Beantwortung, sagte Spielman in einer emotionalen, persönlichen Erklärung. «Zehn Tage lang hat die ganze Schweiz intensiv über Antisemitismus diskutiert.» Dies, nachdem in Zürich ein orthodoxer Jude von einem Jugendlichen niedergestochen worden war.
Er sei schockiert, eigentlich beinahe sprachlos. «Gaats no!», so brachte Spielman seine Reaktion auf den Punkt.
Gegenüber der NZZ schreiben Spielman, Siev und Goldstein in einer gemeinsamen Stellungnahme, der Stadtrat verstecke sich hinter den verzögernden Antworten des Vereins Zentralwäscherei.
«48 Stunden sollten bei einer solch sensitiven Angelegenheit ausreichend Zeit sein, um die Fakten und Stellungnahmen zusammenzutragen», finden Spielman, Siev und Goldstein. Mehr als ein Monat genüge aber auf jeden Fall.
Parlamentarisch habe der Stadtrat sich nun um die geschuldeten Antworten gedrückt, da die Fragen formell beantwortet worden seien. «Weitere Antworten müssten sie nun formell nicht mehr liefern, selbst wenn die Zentralwäscherei noch auf die Fragen der Stadt antworten würde.»
Die drei Gemeinderäte überlegen sich nun, ob sie ihre Anfrage in der nächsten Sitzung des Stadtparlaments erneut einbringen wollen. Wird sie wieder als dringlich erklärt, muss der Stadtrat innert Monatsfrist Antworten liefern.
Die Zentralwäscherei hat am Tag nach der Parlamentssitzung verlauten lassen, dass die Darstellung, der Verein habe noch keine Stellungnahme abgegeben, nicht den Tatsachen entspreche. Man habe fristgerecht am 8. März – also zwei Tage nachdem der Stadtrat seine Ausführungen verfasst hat – sämtliche Fragen der Stadt schriftlich beantwortet.
Der Verein hat auf Anfrage darauf verzichtet, der NZZ Einsicht in die Stellungnahme der Zentralwäscherei zu geben.
Im Februar hatte der Verein sich auf Instagram zur Veranstaltung mit Mohammed Khatib geäussert. Den Anlass durchgeführt hatte der linksextreme Revolutionäre Aufbau.
Man nehme die Diskussionen rund um die Veranstaltung «zur Kenntnis», die vorgebrachte Kritik ernst, schrieb der Verein. Die Zentralwäscherei sei verpflichtet, ein breites Spektrum an Veranstaltungen und Aktivitäten zu bieten. Man wolle kritische Stimmen anhören und inhaltsvolle Debatten führen. «Wir sprechen uns klar gegen jegliche Form von Diskriminierung und Gewalt aus.» Das umfasse auch Antisemitismus und Islamophobie.