General Electric macht den letzten Schritt zur Aufspaltung in drei separate Unternehmen. Was springt beim Auftrennen des traditionsreichen Technologie- und Industriekonglomerats für Investoren heraus?
Der Countdown läuft: Am 2. April vollzieht General Electric die zweite und letzte Phase eines rigorosen Umbaus. Die Technologie- und Industriegruppe spaltet sich damit in drei voneinander unabhängige Bereiche auf: Gesundheit, Energie und Luftfahrt.
Die erste Phase der Neuausrichtung wurde im Januar 2023 mit der Abtrennung der Sparte GE HealthCare Technologies an die Börse abgeschlossen. Nun steht die Aufspaltung in zwei weitere Unternehmen an: in den Luft- und Raumfahrtkonzern GE Aerospace sowie in das Geschäft mit Gas- und Windkraftturbinen, das fortan als GE Vernova firmiert.
Ein grosses und ereignisreiches Kapitel in der Geschichte von Corporate America geht damit zu Ende. Der Name General Electric existiert fortan nur noch in Form der Initialen «GE». De facto ist die Zeit des Industriegiganten, der 1892 von Thomas Edison gegründet wurde und massgeblich zur Elektrifizierung Amerikas beitrug, schon seit Jahren abgelaufen.
Für Investorinnen und Investoren erweist sich dies aber nicht unbedingt als schlecht. Die Aktien von General Electric haben ihre Lethargie überwunden, ihr Wert hat sich seit Anfang vergangenen Jahres beinahe verdoppelt. Die Titel der Gesundheitssparte, die zu den führenden Herstellern von Computertomographie- und Ultraschall-Apparaten zählt, haben seither 64% gewonnen. Der Gesamtmarkt, gemessen am S&P 500, hat im gleichen Zeitraum 35% gut gemacht.
Die positive Resonanz an der Börse ist das Verdienst von Larry Culp. «GE hat 2023 mit ausgezeichneten operativen Ergebnissen, der erfolgreichen Ausgliederung von GE HealthCare sowie der fortlaufenden Transformation zu einem schlankeren Unternehmen enorme Fortschritte gemacht», sagte er bei der Präsentation des Geschäftsberichts Ende Januar. «2024 wird zu einem bedeutungsvollen Jahr, in dem wir GE Aerospace und GE Vernova auf ihren Weg schicken.»
Als der vormalige Chef der Medtech-Gruppe Danaher Anfang Oktober 2018 als erster Manager von ausserhalb des Unternehmens das Steuer übernahm, war alles andere als sicher, ob General Electric die schwerste Krise in der Konzerngeschichte überleben würde. Bereits 2008/09 bei den Erschütterungen im globalen Finanzsystem angeschlagen, hatte sich das Unternehmen danach mit kostspieligen und strategisch fragwürdigen Akquisitionen weiter in finanzielle Schieflage manövriert.
GE mutierte dadurch zu einer Art Zombie. Angesichts massiver Schulden, ungedeckter Pensionskassen und milliardenschwerer Verpflichtungen für langfristige Krankenversicherungen klaffte ein monströses Loch in der Bilanz. Der Konzern, der einst den Standard in Sachen Corporate Governance und Managementkultur setzte, wurde zudem zum Ziel von Ermittlungen der Aufsichtsbehörden.
Entsprechend traumatisch war der Fall an der Börse. Nach einem rasanten Aufstieg in den Achtziger- und Neunzigerjahren war General Electric im Sommer 2000 mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 600 Mrd. $ zum wertvollsten Konzern der Welt avanciert. Auf dem Tiefpunkt im Mai 2020 wurde er zu weniger als 50 Mrd. $ bewertet. Auch wenn der Rückschlag längst nicht überwunden ist, sind es heute immerhin gut 180 Mrd. $. Rechnet man GE HealthCare hinzu, ergeben sich rund 225 Mrd. $.
Um das Unternehmen wieder zum Leben zu animieren, waren tiefe Einschnitte erforderlich. Im März 2020 wurde der Biopharma-Bereich an Danaher für 21 Mrd. $ verkauft. Ein Jahr später wurde das Geschäft mit Leasing-Verträgen für Flugzeuge für 30 Mrd. $ mit dem Konkurrenten AerCap verschmolzen. Die Sparten Transport, Licht und Energiedienste sind ebenfalls abgetrennt worden. GE Capital, mit einer Bilanzsumme von fast 640 Mrd. $ einst einer der grössten Finanzkonzerne Amerikas, ist praktisch vollständig eingestampft.
Als Resultat davon steht das Kerngeschäft heute auf einer wesentlich gesünderen Basis. Seit Culp den Chefposten angetreten hat, haben sich die Nettoschulden von knapp 87 Mrd. $ auf nur noch 2,4 Mrd. $ verringert.
Gleichzeitig hat im operativen Geschäft eine Erholung begonnen. Für das vergangene Jahr weist der Konzern einen freien Cashflow von 3,6 Mrd. $ aus. GE HealthCare hat gut 1,7 Mrd. $ an freien Mitteln erwirtschaftet.
Wie viel Kurspotenzial könnte also noch in den Aktien stecken, wenn die Aufspaltung abschlossen ist?
GE Aerospace: Zurück auf Flughöhe
Als Startpunkt zur Beantwortung dieser Frage bietet sich GE Aerospace an. Der Konzernbereich ist auf Antriebsturbinen für Flugzeuge spezialisiert und gilt als das «Kronjuwel» der Gruppe. Analysten rechnen für dieses Jahr mit 15% Umsatzwachstum auf 36,5 Mrd. $. Beim Gewinn vor Abschreibungen, Amortisationen, Zinsen und Steuern (Ebitda) soll eine Marge von 21% resultieren.
Den Investment Case für GE Aerospace (wie auch für GE Vernova) hat das Management vergangene Woche an einer zweitägigen Investorenveranstaltung im Detail dargelegt. Weltweit sind derzeit rund 44’000 Triebwerke von GE in der zivilen Luftfahrt im Einsatz, was einem Marktanteil von rund 75% entspricht. Weitere 26’000 Triebwerke kommen bei Helikoptern und Flugzeugen fürs Militär hinzu.
Durchschnittlich befinden sich zu jeder Zeit rund 900’000 Menschen getragen von GE-Technologie in der Luft. Der entscheidende Aspekt ist dabei, dass diese Triebwerke regelmässig gewartet und erneuert werden müssen. Rund 70% des Umsatzes erwirtschaftet die Aviatiksparte daher mit hochprofitablen Serviceleistungen, bei denen sich der Geschäftsgang gut abschätzen lässt.
Vergangenes Jahr ist der Auftragseingang von GE Aerospace 22% auf 38,1 Mrd. $ gestiegen. Die Airline-Branche hat sich inzwischen weitgehend von der Pandemie erholt. Die Flugzeugauslieferungen der beiden grossen Hersteller Airbus und Boeing dürften nächstes Jahr das bisherige Rekordvolumen von 2018 übertreffen. Langfristig wächst der globale Markt für Flugzeugtriebwerke tendenziell schneller als die Weltwirtschaft. Auch erhöhen viele Staaten das Rüstungsbudget angesichts geopolitischer Spannungen.
«Dass die installierte Basis an Triebwerken weiter wächst, ist sehr wichtig, weil sie die Grundlage für künftige Erträge bildet», meint Seth Seifman, Analyst in Diensten von J.P. Morgan. Seiner Ansicht nach könnten die jährlichen Einnahmen von GE Aerospace im Zivilbereich von 23,9 Mrd. $ im vergangenen Jahr bis 2028 auf 40 Mrd. $ steigen. Im Militärwesen dürften sie von 9 Mrd. auf 12 Mrd. $ zunehmen. Beim Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) rechnet er mit einer Verbesserung der Marge von 17,4 auf 20%.
Finanziell befindet sich der Konzernbereich somit in einer komfortablen Lage. Das Schuldenproblem hat sich erledigt. Zudem wird GE Aerospace vorerst noch eine Beteiligung von gut 10% an GE HealthCare auf der Bilanz halten, die zu aktuellen Börsenkursen einem Marktwert von etwas mehr als 4,3 Mrd. $ entspricht.
Das Management, dem Culp weiterhin als Chairman und CEO vorstehen wird, geht davon aus, dass in den nächsten drei Jahren bis Ende 2026 insgesamt rund 34 Mrd. bis 36 Mrd. $ an Mitteln zur Kapitalallokation zur Verfügung stehen werden. 70 bis 75% davon sollen über Dividenden und Aktienrückkäufe an die Aktionäre zurückfliessen. In diesem Kontext wurde vergangene Woche ein 15 Mrd. $ umfassendes Rückkaufprogramm lanciert.
GE Aerospace im Branchenvergleich angemessen zu bewerten, ist aufgrund der dominanten Marktstellung sowie der hohen Profitabilität und Visibilität des Servicegeschäfts nicht einfach. Andere grosse Zulieferer der Flugzeugindustrie wie RTX oder Safran aus Frankreich handeln zum rund 12- bzw. 15-Fachen des für 2024 geschätzten Ebitda. Bei spezialisierten Unternehmen wie TransDigm, Howmet Aerospace oder Heico variiert das Vielfache demgegenüber zwischen 18 und 25.
J.P. Morgan-Analyst Seifman, der die Aktien von GE vergangenen Freitag auf «Kaufen» hochgestuft hat und mit einem Kursziel von 180 $ etwa im Durchschnitt der Schätzungen liegt, misst der Aerospace-Sparte einen Wert von rund 160 Mrd. $ zu. Das kommt etwa dem 20-Fachen des für dieses Jahr erwarteten Ebitda von annähernd 8 Mrd. $ gleich. Auf Basis der rund 1,1 Mrd. ausstehenden Titel leitet sich ein Preis von leicht mehr als 145 $ pro Aerospace-Aktie ab.
GE Vernova: Fortschritte beim Turnaround
Gestern Dienstag schlossen die Titel von GE auf knapp 167.50 $. Kurspotenzial könnte demnach vor allem in der Energiesparte GE Vernova stecken, für die der Markt momentan bloss 22.50 $ zahlt.
Voraussetzung dafür ist, dass der Trend weiter in die richtige Richtung geht. Die Division, deren Name sich auf vage Assoziationen mit «grün» und «neu» bezieht, setzt sich aus drei Segmenten zusammen: Turbinen für Gaskraftwerke (Power), Windkraftanlagen (Wind) sowie Infrastruktur und Software für die Stromversorgung (Electrification).
Insgesamt erzielte Vernova vergangenes Jahr ein Umsatzwachstum von 11% auf 33,2 Mrd. $. Das Segment Power machte rund die Hälfte der Einnahmen aus. Zudem erzielte es mit einem Ebitda von 1,7 Mrd. $ fast den gesamten Gewinn der Sparte. Für 2024 rechnen Analysten damit, dass sich der operative Gewinn auf 2,4 Mrd. $ verbessert, wozu das Segment Power erneut den Hauptbeitrag leisten soll.
Das war nicht immer so. Das Geschäft mit Turbinen für fossile Kraftwerke, das 2015 durch die Fusion mit der Energiesparte der französischen Alstom-Gruppe deutlich ausgebaut wurde, war wenig später massgeblich für die existenzielle Krise des Mutterkonzerns verantwortlich. Ein schwieriges Marktumfeld geprägt von Überkapazitäten sowie unprofitable Lieferverträge aus den Boomzeiten führten zu herben Verlusten.
Inzwischen sieht es wesentlich besser aus. Scott Strazik, dem damaligen Leiter des Segments und heutigen CEO von GE Vernova, ist eine grundlegende Restrukturierung mit Fokus auf Gaskraft gelungen. Angesichts des weltweit zunehmenden Strombedarfs und der Abkehr von Kohle in westlichen Ländern, ist das Geschäft gut positioniert. Das Gleiche gilt für das Segment Electrification, das vom Bedarf einer effizienteren Stromnutzung und dem Ausbau der Elektrizitätsinfrastruktur profitiert.
Der Schlüssel zu einer deutlichen Aufwertung von GE Vernova an der Börse liegt primär in der Windkraft. Beim Umbau der Energiewirtschaft, der mit staatlichen Anreizen vorangetrieben wird, soll sie künftig eine wichtige Rolle spielen. Aktuell decken Windkraftanlagen rund 7% der globalen Stromproduktion ab. Bis 2040 sollen es gemäss den meisten Studien rund 25% sein.
Trotz dieser mittel- bis langfristig vielversprechenden Perspektiven, ist die Lage momentan jedoch schwierig. Das GE-Segment leidet unter den generell widrigen Rahmenbedingungen im Sektor, die ebenfalls Branchennachbarn wie Vestas Wind Systems, Nordex, Ørsted und Siemens Gamesa, dem Windturbinengeschäft von Siemens Energy, schwer zu schaffen machen.
Immerhin: Die Situation scheint sich allmählich zu verbessern. Die gute Nachricht ist, dass GE Vernova im Geschäft mit Onshore-Windanlagen im zweiten Halbjahr 2023 zur Profitabilität gefunden hat. Als Nächstes gilt es zu beweisen, dass sich auch bei Offshore-Anlagen im Meer nachhaltig ein Gewinn erzielen lässt.
«Die grösste Herausforderung bleiben die Verluste bei Offshore-Windkraftanlagen», meint dazu Andrew Obin, Analyst bei Bank of America. 2023 hat das Segment Wind einen operativen Verlust von insgesamt rund 1 Mrd. $ ausgewiesen, der sich dieses Jahr deutlich reduzieren soll. Das GE-Management prognostiziert, dass der Bereich ab nächstem Jahr profitabel arbeiten wird. BofA-Analyst Obin rechnet mit einem adjustierten Ebitda von rund 400 Mio. $.
Zwei neue Wetten
The Market war für die Aktien von General Electric mit Blick auf die Aufspaltung bisher optimistisch. Ein guter Teil der «leichten» Gewinne dürfte inzwischen gemacht sein. Aus einer Investmentperspektive eröffnen sich nun zwei unterschiedliche Wetten.
Erstens: GE Aerospace läuft es operativ rund und die Aussichten sind bei einer anhaltenden Erholung der Airline-Industrie attraktiv. Die Chance für weitere Kursavancen besteht darin, dass es zu einer Aufwertung der Sparte kommt, wenn sie an der Börse fortan ohne den «Ballast» des Energiegeschäfts handelt, das weniger profitabel ist und von Investoren entsprechend weniger geschätzt wird.
Zweitens: Mehr Risiko, dafür aber möglicherweise auch mehr «Upside» besteht bei GE Vernova. GE-Aktionäre erhalten pro Titel vier Aktien der neuen Gesellschaft, wobei der 19. März das Stichdatum der Zuteilung ist. Hinsichtlich der Bewertung gibt es beim Beginn des Handels folgende Aspekte zu beachten.
Der Analystenkonsens traut der Sparte einen Wert von rund 30 Mrd. bis 40 Mrd. $ zu. Zum Mittelwert entspricht das dem 14- bis 15-Fachen des geschätzten Ebitda für das laufende Jahr, inklusive einer Netto-Cashposition von 5 Mrd. $ sowie Verpflichtungen für Pensionskassen von knapp 2 Mrd. $. Macht der Turnaround des Windgeschäfts plangemäss Fortschritte, vergünstigt sich die Bewertung für 2025 auf das 11 bis 12-Fache des Ebitda.
Ein direktes Pendant zu GE Vernova gibt es nicht. Siemens Energy steckt in gravierenderen Problemen und handelt für 2024 bzw. 2025 zum Ebitda-Vielfachen von lediglich rund 7 und 4. Für auf Windkraft spezialisierte Unternehmen wie Vestas, Ørsted und Nordex werden etwas höhere Bewertungen gezahlt. Bei europäischen Industriekonzernen mit bedeutender Präsenz im Elektrizitätsgeschäft wie ABB, Siemens oder Schneider Electric sind die Bewertungen etwa ähnlich wie im Fall der Analystenschätzungen zur GE-Sparte.
Bestehende Aktionäre von General Electric, können sich daher wohl am besten an der erwähnten Spanne eines Börsenwerts von 30 Mrd. bis 40 Mrd. $ orientieren. Alles in diesem Bereich oder darunter würde dafür sprechen, die Titel von GE Vernova im Portfolio zu behalten. Steigt die Marktkapitalisierung hingegen rasch deutlich darüber, sollte man sich überlegen, Gewinne zu realisieren.
Deep Diving
An dieser Stelle präsentieren wir wie immer einige Links, die einen vertieften Einblick in ein aktuelles Thema geben:
- Es ist ein offenes Geheimnis: China unterhält ein weites Netz von privaten Hacker-Firmen, die Daten wie Geheimdienstinformationen und Geschäftsgeheimnisse aus anderen Ländern stehlen. Weitgehend unbekannt war bislang aber, wie diese Firmen arbeiten. Doch jetzt sind Dokumente des Hacker-Unternehmens I-Soon durchgesickert und geben Einblick in eine Branche, in der Bestechung und Korruption zum Tagesgeschäft gehören. Die Nachrichtenagentur «Associated Press» hat den Hintergrundbericht dazu.
- Der Aufwand an Energie und anderen Ressourcen für grosse Sprachmodelle im Bereich künstliche Intelligenz ist enorm. Eine Schlüsseloperation für viele Rechenaufgaben – beispielsweise für die Verarbeitung von Bildern, die Erkennung von Sprachbefehlen, das Training neuronaler Netze oder die Komprimierung von Daten – ist die Matrixmultiplikation. Wie die Fachpublikation «Quanta Magazine» berichtet, ist Computerwissenschaftlern nun ein Durchbruch gelungen, der diese Rechenarbeit erheblich erleichtern könnte.
- Der Kinofilm «Oppenheimer» ist als grosser Sieger aus den Oscar-Verleihungen hervorgegangen. Als historischer Anknüpfungspunkt dazu empfiehlt sich diese dreiteilige Serie des «Freakonomics»-Podcast. Sie dreht sich um den Physiker Richard Feynman, der in das Manhattan Project zum Bau der ersten Atombombe involviert war und später über Jahrzehnte am California Institute of Technology in Pasadena lehrte. 1988 verstorben, war er zuletzt an den Ermittlungen zum Unglück des Space-Shuttles «Challenger» beteiligt.
Und zum Schluss noch dies: Grand Theft Auto
Waymo ist auf Expansionskurs. Die Google-Tochter, die auf autonome Fahrzeuge spezialisiert ist, hat Anfang März die Bewilligung für den kommerziellen Betrieb ihrer Robotaxis in Los Angeles County erhalten. Sie hat damit grünes Licht zur Erschliessung eines Marktes mit mehr als 10 Mio. Einwohnern.
Das Unternehmen hat den kommerziellen Taxidienst mit unbemannten Autos bereits vergangenen Herbst in San Francisco gestartet. Zudem ist es mit einer Flotte in Phoenix, Arizona, und neuerdings in Austin, Texas, präsent. Auf den Strassen von L.A. führt Waymo seit etwas mehr als einem Jahr Tests durch. Wann genau der Service für zahlende Kunden lanciert wird, ist noch nicht bekannt.
Der Entscheid zur Zulassung ist nicht unumstritten. In der breiten Bevölkerung ist die Skepsis im Hinblick auf die Sicherheit autonomer Fahrzeuge gross. Im Oktober 2023 hatte ein Robotaxi von Cruise, der Tochterfirma von General Motors, in San Francisco eine Fussgängerin angefahren und lebensbedrohlich verletzt. GM hat den Betrieb daraufhin vollständig eingestellt, will Testfahrten nun aber wieder aufnehmen.
Kritik gibt es auch von Seiten der Rettungs- und Sicherheitskräfte. Feuerwehr und Polizei beklagen sich darüber, dass die autonomen Fahrzeuge in Notfällen die Strassen blockieren. Bedenken äussern ebenso Lastwagenfahrer. In Phoenix etwa stiessen unlängst gleich zwei verschiedene Fahrzeuge von Waymo in wenigen Minuten hintereinander mit einem Truck zusammen, der abgeschleppt wurde.
Problematisch ist vor allem, dass lokale Behörden kein Mitspracherecht bei der Zulassung von Robotaxis in ihrer Gebietskörperschaft haben. Die alleinige Kompetenz dafür liegt bei der California Public Utilities Commission, die für den gesamten Bundesstaat zuständig ist. So bezeichnen Mitglieder des Aufsichtsrats von L.A. County die Zulassung des Fahrdienstes von Waymo öffentlich als «gefährlichen Entscheid».
Gelegentlich kommt es zu Protesten und sogar gewaltsamen Übergriffen. Ein Extrembeispiel ist der Vorfall im Februar, als ein leerer Wagen von Waymo in San Franciscos Chinatown attackiert wurde. Das Fahrzeug ging in Flammen auf, nachdem eine Menschenmenge es umzingelt und zunächst mit Graffiti beschmiert hatte. Dann wurden die Fensterscheiben eingeschlagen und Feuerwerkskörper ins Auto geworfen, was den Brand auslöste.
Etwas weniger dramatisch, aber nicht ganz untypisch für Kaliforniens Grossstädte ging es vor wenigen Tagen in Downtown Los Angeles zu. Ein obdachloser Mann knackte unweit des Stadthauses in ein fahrerloses Waymo-Taxi, setzte sich hinters Steuer und versuchte, selber loszufahren. Der Diebstahl verlief allerdings nicht nach Plan: Weil er den Gang nicht einlegen konnte, blieb das Auto einfach stehen.
Dennoch liess der Täter nicht locker. Ein Angestellter von Waymo forderte ihn erfolglos über das Online-Kommunikationssystem aus der Zentrale auf, das Fahrzeug zu verlassen. Schliesslich wurde die Polizei alarmiert, die den amateurhaften Autodieb festnahm. Glücklicherweise wurde niemand verletzt – und auch am Fahrzeug entstand kein Schaden.