Die Aussichten für die beiden Industrieunternehmen haben sich aufgehellt, das spiegelt sich an der Börse. Ausserdem: Holcim im Hoch und Lonza macht zwar vorwärts, bezahlt aber teuer.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Die Aktien von Holcim haben am Dienstag erstmals kurzzeitig die 100-Fr.-Marke überschritten. Seit Anfang 2023 hat sich der Kurs damit verdoppelt.
Dafür gibt es gute Gründe: Der Konzern hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt, aus der trägen, wertvernichtenden LafargeHolcim ist ein Baustoffkonzern gewachsen, der längst nicht mehr nur Zement mischt. Insbesondere das nordamerikanische Dachgeschäft und die Kapazitäten im Rezyklieren von Baustoffen in Europa wurden erweitert, kapital- und emissionsintensive Tochtergesellschaften der ehemaligen Lafarge, insbesondere in Schwellenländern, dagegen abgestossen.
Und der Wandel geht weiter: Noch im ersten Halbjahr 2025 wird das lukrative Nordamerikageschäft abgespalten und separat kotiert. Aber auch die Rest-Holcim soll eine attraktive Investition bleiben, sagte CEO Miljan Gutovic im Sommer gegenüber meinem Kollegen Giorgio Müller.
Sie kennen meine Meinung. Ich halte Holcim und damit die Aktien seit Jahren für eine attraktive Anlage. Und doch frage ich mich nach dem Kursanstieg von knapp 14% seit Anfang Jahr, ob es Zeit ist, einen Teil des Gewinns zu realisieren. Mein Kollege Manuel Boeck hat sich eingehend mit Holcim befasst, Sie werden die Analyse bald bei uns lesen können.
Es ist bisher nur ein Silberstreifen am Horizont, aber immerhin. In Deutschland deutet einiges darauf hin, dass die Wirtschaft die Talsohle durchschritten hat: Gemäss dem ZEW-Index fielen die Konjunkturerwartungen zuletzt deutlich besser aus als noch im Januar. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Industrie liegt zwar noch unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten, ist zuletzt aber gestiegen, und der Aktienmarkt – insbesondere das frühzyklische Segment – sendet ermutigende Signale, wie mein Kollege Mark Dittli in der jüngsten Ausgabe von The Big Picture beleuchtet hat.
Bereits im Dezember ist auch die Neubautätigkeit stärker ausgefallen, als erwartet worden war. Das dürfte in der Schweiz vor allem ein Unternehmen freuen: Geberit. Denn wo mehr Wohnungen gebaut werden, da braucht es mehr Toilettenschüsseln, Spülkästen und Rohrleitungen. Und Deutschland ist für Europas führenden Hersteller von Sanitärtechnik der wichtigste Markt, 2023 betrug der Umsatzanteil knapp ein Drittel.
Dass das Interesse an Geberit-Produkten in Deutschland steigt, darauf deutet auch die Auswertung der Google-Suchanfragen hin.
Klar, die Auswertung dieser Daten hat ihre Tücken; Menschen suchen aus ganz unterschiedlichen Gründen nach Begriffen im Internet. So könnte im Fall von Geberit auch die Ankündigung der Werkschliessung in Wesel bei Duisburg (Nordrhein-Westfalen) für einen Anstieg der Online-Abfragen gesorgt haben. Dagegen spricht aber, dass das grösste Suchinteresse nicht in der Region Duisburg, sondern in Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz registriert worden ist, gerade in Süddeutschland ist Geberit mit ihren Produkten sehr gut vertreten.
Doch in den vergangenen Monaten, ja Jahren, befand sich das grosse Nachbarland in einer regelrechten Baukrise. Mit dem starken Zinsanstieg Anfang 2022 hat sich Zahl der Baubewilligungen im Wohnsegment in kurzer Zeit beinahe halbiert. In diesem schwierigen Umfeld konnte Geberit sowohl Umsatz als auch Marktanteil zwar steigern. Das war aber nur dank grosser Marketingbemühungen möglich.
Und die Misere ging nicht spurlos an den Aktien vorbei. Diese beendeten das vergangene Jahr mit einem Minus von 4%. Mit Kühne + Nagel, Logitech, Nestlé und Sika schlossen im Schweizer Leitindex SMI nur vier Titel noch schlechter ab.
Noch sind die Anzeichen einer konjunkturellen Erholung zaghaft, viel Hoffnung gründet auch darin, dass nach den Bundestagswahlen vom kommenden Wochenende eine beschlussfähigere Regierung zustande kommt. Und noch Mitte Januar kommunizierte Geberit anlässlich der Publikation der vorläufigen Zahlen, dass sich der für das Unternehmen relevante Neubaumarkt im Jahr 2025 erneut leicht rückläufig entwickeln dürfte. Gleichzeitig sind damit auch die Erwartungen niedrig, es braucht nicht viel, um den Aktien dieses Qualitätsunternehmens neues Leben einzuhauchen – wie der deutliche Kursgewinn seit Jahresbeginn untermauert.
Ich bleibe dabei.
Apropos gutes Momentum. Mit viel Schwung ist auch Bucher an der Börse ins neue Jahr gestartet. Die Aktien notieren rund 17% höher als beim Tief im Dezember.
Die Titel des internationalen Branchenleaders Deere liegen ebenfalls gegen 20% im Plus. Mit der Kursavance bestätigt sich, was wir im November geschrieben haben: Bucher-Aktien und generell der Agrarsektor sind in der Regel dann attraktiv, wenn die Stimmung – noch – schlecht ist.
Mit der Tochtergesellschaft Kuhn erwirtschaftet Bucher rund 40% des Umsatzes und einen etwas geringeren Anteil des operativen Gewinns. Auch die Hydraulikkomponenten des Unternehmens werden in der Landwirtschaft eingesetzt. Sebastian Vogel, Analyst der Grossbank UBS, schätzt das Gesamtexposure gegenüber Landmaschinen deshalb auf rund 50% des Umsatzes von über 3 Mrd. Fr. Im Vergleich mit Deere sind die Schweizer damit ein sehr kleiner Player, die Amerikaner erwirtschafteten 2024 rund 51 Mrd. $.
Nun ist die Erholung absehbar: Das Business Barometer des Branchenverbands CEMA, das monatlich die Stimmung im europäischen Agrarmaschinengeschäft misst, liegt im Februar zwar weiterhin im negativen Bereich, hat sich aber merklich von –31 auf –11 erholt.
Laut den Experten von CEMA wird die Verbesserung des Geschäftsklimas von den sich aufhellenden Umsatzerwartungen getragen. Eine deutliche Verbesserung sei vor allem bei den Erwartungen für die kommenden Auftragseingänge zu beobachten.
Hinzu kommt, dass auch die Preise für Agrarrohstoffe seit Jahresbeginn nach oben zeigen. Das macht Investitionen in neue Maschinen attraktiver, auch wenn gerade in den USA die weiterhin hohen Zinsen viele Landwirte noch schmerzen dürften.
Der Landwirtschaftssektor befand sich zwei Jahre lang in einem zyklischen Abschwung. Nach dem Boom in den Jahren davor sind die Bestellungen für Maschinen weltweit eingebrochen. Bucher-Tochter Kuhn verzeichnete 2023 Aufträge in Höhe von 1,1 Mrd. Fr., ein Minus von mehr als 30% gegenüber dem Vorjahr. 2024 fiel der Auftragseingang insgesamt nochmals schwächer aus, auch wenn sich die Erholung im vierten Quartal bereits abzuzeichnen begann. Der Umsatz hinkt naturgemäss hinterher, soll dieses Jahr aber immerhin stabil bleiben. Auch Branchenleader Deere hat ein schwieriges Jahr hinter sich.
Einiges erinnere gerade an die Zeit von 2017 bis 2020, also vor der letzten Boomphase, fassen die CEMA-Experten zusammen. Damit wäre es nicht zu spät, noch auf den Zug aufzuspringen und sich die Aktien von Bucher und den gesamten Sektor genauer anzuschauen. Bei den Schweizern ist das Höchst von mehr als 500 Fr. vom Sommer 2021 noch ein gutes Stück weit entfernt.
Beim Investorentag Mitte Dezember gab der grösste Schweizer Pharmaauftragsfertiger bekannt, sich vom Geschäft mit Nahrungskapseln und Ergänzungsmitteln trennen zu wollen – und erfüllte damit langgehegte Wünsche der Investoren.
Die Börse applaudierte.
Von dieser Euphorie war gestern nichts mehr zu spüren, als Bloomberg meldete, dass Lonza mit dem Verkauf vorwärts mache. Das Unternehmen habe die US-Grossbank Bank of America sowie das Beratungsunternehmen Centerview mit den Vorbereitungen betraut, schrieb die Nachrichtenagentur unter Berufung auf informierte Personen.
Die Aktien gaben deutlich nach und notieren wieder deutlich unter 600 Fr.
Der Haken: Der Verkaufspreis wird laut dem Bericht mit «mindestens 2,5 Mrd. €» veranschlagt. Das ist deutlich weniger als die 5,5 Mrd. $, die Lonza 2016 für den teuersten Kauf der Firmengeschichte, damals noch unter dem Namen Capsugel, aufgewendet hatte.
Darin spiegelt sich das grundsätzliche Problem: Capsugel entfaltete aus Konzernsicht nie das erhoffte Potenzial, das diesen ursprünglichen Kaufpreis gerechtfertigt hätte. Das Wachstum lag in den vergangenen Jahren deutlich hinter dem des übrigen Konzerns, und der Preiskampf ist angesichts der Konkurrenz durch kleinere, vor allem indische Produzenten intensiv.
Lonza-Investoren können froh sein, wenn das Geschäft verkauft ist, auch wenn das Abenteuer teuer endet. Sie erhalten einen reinen Pharmaauftragsfertiger mit strukturell hervorragenden Aussichten.
Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market
Gabriella Hunter