Statt über seine Vorstellungen einer liberalen Wirtschaft zu sprechen, schimpfte Milei in einer Rede am Donnerstagmorgen vor allem über die Epidemie des «Wokeismus». Die Zuhörerinnen und Zuhörer blieben still und ratlos zurück.
Dies sei nun eines der Highlights des Treffens in Davos, so kündigte der WEF-Präsident Börge Brende am Donnerstagmorgen die Rede des argentinischen Präsidenten Javier Milei in Davos an. Ein Highlight? Klar ist: Dieser Auftritt wird in Davos noch zu reden geben.
Im Herbst 2023 war Javier Milei im Wahlkampf um das Amt des Präsidenten in Argentinien regelmässig mit einer Kettensäge aufgetreten. Die Kettensäge sollte symbolisieren, wie drastisch Milei als Präsident gegen Staatsausgaben und Regulierung vorgehen würde.
Sein Auftritt an diesem Donnerstag in Davos kam nun einmal mehr daher wie eine Kettensäge. Milei äusserte derart fundamentale Kritik an dem gegenwärtigen, angeblich marxistisch unterwanderten politisch-wirtschaftlichen System. Er kritisierte die Institutionen und auch das WEF selbst. Zahlreiche Zuhörerinnen und Zuhörer im Saal verzichteten auf Applaus.
«Meloni, Orban und Trump verstehen mich»
Vor einem Jahr habe er in Davos alle mit Wahrheiten über die westliche Welt überrascht, so begann der argentinische Präsident seine Rede. Er habe alleine dagestanden. Doch im vergangenen Jahr habe sich einiges verändert, er habe Verbündete gefunden im Westen, sagte Milei. «Meine geliebten Freunde Giorgia Meloni, Viktor Orban, Donald Trump – sie alle verstehen mich. Wir setzen uns gemeinsam für die Freiheit ein.»
Milei sprach zwar auch in diesem Jahr kurz über das, worauf alle gewartet hatten, über die Reduktion von Regulierungen und staatlicher Bürokratie. Doch dann setzte er zu einer radikalen Brandrede gegen die «Epidemie des Wokeismus» an. An dieser Epidemie, so Milei, sei die gesamte westliche Elite mitsamt den versammelten Wirtschaftsführern, sozialen Organisationen und allen multilateralen Institutionen inklusive des WEF schuld.
Milei schwankte zwischen der erwarteten Kritik und radikalkonservativer Ablehnung. Und er wurde immer radikaler. Alles, was über den Schutz von Leben, Freiheit und Eigentumsrechten hinausgehe, zähle zu den marxistischen Instrumenten einer politischen Klasse, die die Macht an sich reissen wolle. So schimpfte Javier Milei über radikalen Feminismus, Inklusion, Abtreibung und den «fanatischen Umweltschutz», der die Wirtschaft ausbremse.
Das wirtschaftliche System westlicher Gesellschaften sei dabei, zu kollabieren. Der Staat und die multilateralen Organisationen, das alles müsse zerstört werden, sagte Milei. Sein Schlusswort: «Freiheit, Freiheit, Freiheit – verdammt!»
Seine mitgereisten Anhänger applaudierten euphorisch, der Rest des Saals blieb still und ratlos zurück. Nach dem Ende der Rede hetzte die Moderatorin zu Milei und führte ihn von der Bühne – ohne Gespräch, das beim WEF nach solchen Reden sonst üblich ist. Milei schüttelte ein paar Hände und verschwand. Die Moderatorin schob hinterher, das Forum sei eben eine Bühne der freien Rede.