Die jüngsten Kommunikationspannen um den amerikanischen Verteidigungsminister Pete Hegseth haben weltweit Verwunderung ausgelöst. Doch die Geschichte der USA ist reich an Episoden, die für die Öffentlichkeit lustig und die Regierung peinlich sind.
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind das mächtigste Land der Welt. In der eigenen Wahrnehmung gründet diese Stellung auf einem System: Die USA sind weltweit präsent, militärisch hochgerüstet, technologisch überlegen. Doch immer wieder rutschen in amerikanischen Amtsstuben Informationen durch, die nicht durchsickern dürften. Oftmals steht am Ursprung dieser Pannen allerdings nicht ein feindlicher Spion, sondern der eigene Leichtsinn.
Das jüngste Beispiel sind die Geschehnisse um US-Verteidigungsminister Pete Hegseth. Über den verschlüsselten Messengerdienst Signal verbreitete er Details zu einer geplanten Militäraktion – unter anderem in einer Gruppe, in die versehentlich der Chefredaktor eines amerikanischen Mediums hinzugefügt wurde. Noch absurder war ein zweiter Gruppenchat. Gemäss Berichten der «New York Times» teilte Hegseth darin vertrauliche Informationen mit seiner Ehefrau, seinem Bruder und seinem Anwalt. So wie andere ein Bild vom Osterbrunch verschicken. Für Hegseth galt: Geheimhaltungsstufe Familienchat.
Eigentlich sollten Gesetze, Protokolle und Vorschriften derartige Fälle verhindern. Doch die jüngere Geschichte der USA zeigt: In der Praxis landen Angriffspläne im Familienchat, werden vertrauliche Dokumente per Mausklick entschlüsselt, hackt ein Hacker das Pentagon mit einem simplen Modem.
Mal sind diese Vorfälle peinlich, mal gefährlich – meistens aber sind sie beides.
1971: Tag der offenen Tür beim FBI
Als das FBI im März 1971 einen Einbruch in einem seiner Regionalbüros im US-Gliedstaat Pennsylvania bemerkte, ging man von einem professionellen Angriff aus. Das FBI versteht sich als Hochsicherheitsbehörde mit Spezialeinheiten, Überwachungstechnik und modernster Ausrüstung. Tatsächlich aber gelang der Coup einer Gruppe Friedensaktivisten, unter ihnen zwei Universitätsdozenten, ein Pfleger und ein Taxifahrer.
Die Gruppe hatte das Gebäude über Wochen hinweg beobachtet. Eine verschlossene Tür versperrte ihnen den Weg, ein Schloss, das nicht zu knacken war. Stunden vor dem geplanten Zugriff befestigten sie einen handgeschriebenen Zettel an der Tür. Darauf stand: «Please don’t lock this door tonight.» Als sie später zurückkehrten, soll die Tür tatsächlich unverschlossen gewesen sein. Später wurde in einem Buch bekannt: Die Gruppe war derart dankbar für die Hilfe des FBI, dass ein Mitglied vorschlug, eine Dankesnotiz an der Tür zu hinterlassen.
Im Inneren des Büros fanden sie zahlreiche vertrauliche Akten, darunter Berichte über ein bis dahin unbekanntes Programm namens «Cointelpro». Die Papiere belegten Überwachungsmassnahmen gegen Bürgerrechtsbewegungen, systematische Einschüchterung von Aktivisten und gezielte Kampagnen zur politischen Zersetzung. Die Gruppe, die sich später als «Citizens Commission to Investigate the FBI» zu erkennen gab, entwendete das Material und schickte es an verschiedene Medien und Abgeordnete.
2001: Hobby-Hacker im Pentagon
Zwischen Februar 2001 und März 2002 gelang es dem britischen IT-Administrator Gary McKinnon, sich unautorisierten Zugang zu 97 Computern von amerikanischen Militärbehörden und der Nasa zu verschaffen. Er suchte nach Beweisen für Ufos und geheime Technologien.
McKinnon nutzte einfache Methoden, um in die Netzwerke einzudringen. Er durchsuchte die Systeme nach schwach geschützten Rechnern und installierte Fernwartungssoftwares, um die Kontrolle über die Computer zu übernehmen. Dabei hinterliess er kaum Spuren und konnte über Monate hinweg unbemerkt Daten einsehen und kopieren.
Später gab McKinnon selbst in Interviews an, dass er sich in ungeschützte Systeme einloggen konnte, weil zahlreiche Rechner der US-Armee, der Navy, der Nasa und der Air Force entweder gar kein Passwort hatten – oder weil das Passwort schlicht «password» lautete.
Seine Aktivitäten führten unter anderem dazu, dass das Netzwerk des US Army Military District of Washington für mehrere Tage ausfiel. Auch das Netzwerk eines Navy-Stützpunktes in New Jersey war betroffen, was die Munitionsversorgung der Atlantikflotte beeinträchtigte. Die US-Behörden bezifferten den entstandenen Schaden auf bis zu 900 000 Dollar.
Die Tatsache, dass ein einzelner Hacker mit begrenzten Ressourcen solche Auswirkungen erzielen konnte, schockierte die US-Behörden. McKinnons Fall wurde später zu einem Symbol für die Notwendigkeit stärkerer Cybersicherheitsmassnahmen.
2005: Geheimdokumente mit Word entschlüsselt
Im Mai 2005 veröffentlichte das US-Militär einen Untersuchungsbericht zum Tod des italienischen Geheimdienstoffiziers Nicola Calipari, der bei einem US-Checkpoint im Irak erschossen worden war.
Der Bericht sollte sensitive Informationen schwärzen, doch die Schwärzungen wurden lediglich als schwarze Balken über den Text gelegt, ohne die darunterliegenden Daten zu entfernen. Ein italienischer Blogger entdeckte, dass man den geschwärzten Text einfach kopieren und in ein Textverarbeitungsprogramm einfügen konnte, wodurch die vermeintlich verborgenen Informationen sichtbar wurden.
Die offengelegten Daten enthielten unter anderem die Namen der beteiligten amerikanischen Soldaten, Details zu Truppenbewegungen und Einsatzregeln – Informationen, die nicht nur diplomatisch heikel waren, sondern auch potenziell die Sicherheit von Militärpersonal gefährdeten.
Die Verantwortlichen für den fehlerhaft geschwärzten Bericht zum Tod Nicola Caliparis blieben ohne disziplinarische Massnahmen.
2007: Per Fax zum radioaktivem Material
Im Jahr 2007 führte die staatliche Kontrollbehörde des amerikanischen Kongresses (GAO) einen Undercover-Test durch, um die Sicherheitslücken im Lizenzierungsprozess der nationalen Nuklearsicherheitskommission (NRC) aufzudecken. Die Ermittler gründeten ein fiktives Unternehmen, das lediglich über ein Postfach verfügte, und beantragten eine Lizenz zum Erwerb radioaktiver Materialien.
Ohne persönliche Überprüfung oder die Besichtigung des Firmensitzes erteilte die NRC innerhalb von 28 Tagen die Lizenz, mit Mengenangaben. Mithilfe handelsüblicher Software veränderte das GAO die Lizenz digital und korrigierte die erlaubte Menge nach oben. So konnte es deutlich grössere Mengen bestellen, ohne dass die Behörden den Vorgang überprüften.
Die bestellten Stoffe waren Americium-241 und Cäsium-137. Beide werden in der Industrie verwendet – in ausreichender Menge hätten sie auch zum Bau einer sogenannten «schmutzigen Bombe» gereicht, also einer konventionellen Sprengladung, die radioaktive Partikel verbreitet. Eine solche Explosion könnte ein Gebiet in der Grösse von ganzen Stadtquartieren kontaminieren.
Als Reaktion auf den Vorfall setzte die NRC das Lizenzierungsprogramm vorübergehend aus und verschärfte die Vorschriften. Künftig waren unter anderem Standortbesichtigungen bei neuen Antragstellern Pflicht.
2010: Lady Gaga und 700 000 Geheimdokumente
Im Jahr 2010 kopierte Bradley Manning, ein damaliger Analyst der amerikanischen Armee, rund 700 000 vertrauliche Regierungs- und Militärdokumente von einem geschützten Netzwerk und leitete sie an die Enthüllungsplattform Wikileaks weiter. Es handelte sich um eines der grössten Datenlecks in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Manning lebt heute unter dem Namen Chelsea als Frau und ist eine weltweit bekannte Whistleblowerin.
Manning speicherte die Daten auf CDs – von einem Computer, der eigentlich keine Verbindung nach aussen haben sollte. Um Verdacht zu vermeiden, beschriftete Manning die Rohlinge mit «Lady Gaga», steckte sie in ihre Uniformtasche und verliess damit regelmässig den gesicherten Raum. Während seine Kollegen davon ausgingen, dass er Musik höre, exportierte er über Monate hinweg klassifizierte Informationen. Manning wollte Missstände im Irak-Krieg und die in seinen Augen verantwortungslose Aussenpolitik der USA öffentlich machen. Er sah in der Weitergabe der Daten einen Akt politischer Aufklärung.
Das Leak umfasste unter anderem diplomatische Depeschen, Lageberichte aus dem Irak- und dem Afghanistan-Krieg sowie das berüchtigte Video «Collateral Murder», das den tödlichen Beschuss irakischer Zivilisten durch einen US-Kampfhelikopter zeigte. Der Zugriff auf derart sensitive Informationen, ohne wirksame Kontrolle oder Überwachung, offenbarte massive strukturelle Versäumnisse im internen Sicherheitsapparat des US-Militärs – und löste weltweit Debatten über Geheimhaltung und staatliche Verantwortung aus.
Manning wurde 2013 zu 35 Jahren Haft verurteilt, aber bereits 2017 von Präsident Obama begnadigt. Aktuell steht mit Verteidigungsminister Pete Hegseth sogar ein Spitzenvertreter der Regierung in der Kritik. Während das Weisse Haus demonstrativ an ihm festhält, fordern Abgeordnete beider Parteien Konsequenzen für seinen leichtfertigen Umgang mit Geheiminformationen. Eine interne Untersuchung des Pentagons läuft, über mögliche Nachfolger wird bereits spekuliert.