Nun ist klar, was die Türkei im Tausch gegen ihr Ja zur Nato-Erweiterung von den USA erhält: die seit langem gewünschten F-16-Kampfflugzeuge. Die Präsidenten Biden und Erdogan haben damit eine für beide Seiten gesichtswahrende Lösung gefunden.
Diplomatie ist die Kunst, einen Streit so zu schlichten, so dass sich am Ende alle als Gewinner fühlen können. Der Durchbruch in der seit 15 Monaten blockierten Frage des Nato-Beitritts Schwedens ist ein gutes Beispiel dafür. Seit dem Herbst 2022 legte sich die Türkei quer, weil sie als Vorbedingung grünes Licht aus den USA für den Kauf amerikanischer Kampfflugzeuge des Typs F-16 wollte. Washington dagegen blockierte dieses Rüstungsgeschäft, solange Ankara Schweden den Weg in die westliche Allianz versperrte.
Nun haben die beiden Seiten diesen gordischen Knoten gemeinsam durchtrennt: Das amerikanische Aussenministerium und die entscheidenden Kongresspolitiker stimmten dem Kampfjet-Export zu – nur wenige Stunden, nachdem die türkische Ratifikationsurkunde zum Beitritt Schwedens in Washington eingetroffen war. Die Türkei erhält damit 40 Mehrzweckkampfflugzeuge des Typs F-16V und Ausrüstung zur Modernisierung von 79 älteren F-16. Das Geschäft mit dem Hersteller Lockheed Martin hat einen Umfang von 23 Milliarden Dollar und setzt eine Bewilligung der amerikanischen Behörden voraus.
Alle Hürden beiseite geräumt
Die USA und die Türkei haben damit eine gesichtswahrende Lösung gefunden. Als das türkische Parlament am vergangenen Dienstag endlich der Aufnahme Schwedens zustimmte, schien es noch, als sei Ankara eingeknickt und habe nichts Verbindliches herausgeholt. In Wirklichkeit war dies nur der erste Schritt in einer sorgfältig choreografierten Abfolge, die hinter verschlossenen Türen ausgehandelt worden war.
Bereits einen Tag nach dem türkischen Parlamentsbeschluss wandte sich der amerikanische Präsident Biden in einem Brief an vier einflussreiche Kongresspolitiker mit der Bitte, dem Waffengeschäft zuzustimmen. Diese «Viererbande», bestehend aus den führenden Republikanern und Demokraten in den Komitees für Aussenpolitik beider Kongresskammern, besitzt ein Vetorecht gegen Rüstungsexporte dieser Art. Sie hatten klargemacht, dass sie das Geschäft nicht prüfen würden, solange die Türkei die Nato-Erweiterung blockiere.
Ein weiterer Tag später war erneut Ankara am Zug: Erdogan setzte seine Unterschrift unter die Ratifikation des schwedischen Beitritts und liess das Dokument in der Nacht auf Freitag in die USA senden. Die misstrauischen Amerikaner hatten darauf bestanden, die Unterschrift schwarz auf weiss zu sehen, bevor sie den Tauschhandel vollendeten. Dies geschah, als das State Department am Abend den Kongress formell über die Exportlizenz informierte und die «Viererbande» Zustimmung signalisierte.
Senat und Repräsentantenhaus können theoretisch noch bis zum 10. Februar Einspruch einlegen, aber nach dem Segen der führenden Aussenpolitiker beider Parteien ist dies nicht zu erwarten. Um die Türkei-kritische Griechenland-Lobby im Kongress zu besänftigen, hat die Regierung Biden am Freitagabend noch ein weiteres Waffengeschäft bewilligt, den Verkauf von 40 F-35-Kampfjets an Athen.
Nur noch Ungarn verzögert den Nato-Beitritt
Alle Beteiligten – die USA, die Türkei, Griechenland und Schweden – können von einem Erfolg sprechen. Washington hat die Nato-Erweiterung einen entscheidenden Schritt vorangebracht, da jetzt nur noch das Ja von Ungarn fehlt. Gemessen an Erdogan ist der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban jedoch ein politisches Leichtgewicht und hat anders als die Türkei auch nie eine kohärente Begründung für seinen Obstruktionskurs vorlegen können. Ursprünglich hatte Orban versprochen, die Ratifikation noch vor der Türkei zu vollziehen, was ihm nun misslungen ist. Möglicherweise wurde er wie viele Beobachter durch die plötzliche Beilegung des türkisch-amerikanischen Streits überrascht.
Erdogan wiederum kann mit dem Resultat zufrieden sein, da er die seit dem Herbst 2021 gewünschten F-16 erhält. Die USA haben ihn zwar gezwungen, pro forma den ersten Schritt zu machen und der Nato-Erweiterung zuzustimmen. Aber entscheidend ist, dass er mit seinem Widerstand seine Gegner in Washington ausmanövrieren konnte. Die «Viererbande» im Kongress hatte bereits 2018 ein faktisches Waffenembargo gegen die Türkei verhängt.
Erdogans repressive Politik, seine Nähe zum russischen Präsidenten Putin und die regelmässigen Militärinterventionen im Norden Syriens wurden als Argumente gegen eine Lieferung von Kampfjets an die Türkei genannt. Mit Schwedens Nato-Beitrittsgesuch erhielt Erdogan daher 2022 ein willkommenes Druckmittel in die Hand.
Nachwehen des Streits um die S-400
Diese Vorgeschichte zeigt, dass die Bedeutung des jetzigen Durchbruchs weit über die Nato-Norderweiterung hinaus geht. Letztlich ist es gelungen, einen bereits sieben Jahre dauernden Konflikt zu entschärfen. Im Februar 2017 hatte Ankara überraschend die Absicht bekanntgegeben, von Russland Flugabwehrsysteme des Typs S-400 zu erwerben. In den USA löste dies helle Empörung aus, da man dies als ein für einen Nato-Verbündeten inakzeptables Verhalten betrachtete.
Washington warf die Türkei aus dem Konsortium zur Herstellung des neuen Kampfflugzeugs F-35 und blockierte auch den Verkauf solcher Maschinen an Ankara. Begründet wurde dies damit, dass über die russischen S-400-Systeme geheime Informationen über diesen «Tarnkappen»-Kampfjet der fünften Generation nach Moskau abfliessen könnten.
Erdogan hatte mit dem S-400-Geschäft einen strategischen Fehler begangen, brauchte jedoch Jahre, um aus der selber gegrabenen Grube herauszufinden. Die F-16V boten ihm einen Weg dazu, da sie eine halbe Generation «jünger» sind als die F-35 und die USA daher aus rein technologischer Sicht keine Vorbehalte gegen einen Export hatten.
Geholfen hat sicher auch, dass die türkische Armee die für mehrere Milliarden Dollar erworbenen russischen Abwehranlagen plötzlich nicht mehr so wichtig fand und nie in Dienst gestellt hat. Eine weitere Hürde fiel weg, als der wohl mächtigste Gegner eines F-16-Transfers in Washington, der demokratische Senator Bob Menendez, im September wegen eines Bestechungsskandals seinen Führungsposten im Komitee für Aussenpolitik aufgeben musste.
Trotzdem fehlt es in den türkisch-amerikanischen Beziehungen nicht an Stolpersteinen. Die Sympathien Erdogans für die terroristische Hamas und der florierende türkisch-russische Handel unter Umgehung der westlichen Sanktionen sorgen in Washington für Kritik. Umso mehr zeigt die jetzige Einigung den Willen, kühle Realpolitik im beiderseitigen Interesse zu betreiben. Die Türkei bleibt wohl auch künftig ein äusserst schwieriger Partner, aber zumindest fügt sie sich nun wieder etwas besser in die Nato-Allianz ein.