Der Bau der neuen US-Regierungsflugzeuge auf Boeing-747-Basis scheint sich weiter zu verzögern. Beide Air-Force-One-Maschinen werden vermutlich erst nach dem Ende von Donald Trumps Amtszeit 2029 ausgeliefert.
Diese beiden Flugzeuge werden voraussichtlich die teuersten der Welt: die neuen Air-Force-One-Maschinen, im Fachjargon VC25B genannt. Zwei von einer insolventen Airline bestellte und bei Boeing fertiggestellte 747-8i wurden nicht abgenommen. Die amerikanische Luftwaffe hat sie schon vor Jahren gekauft. Derzeit werden sie aufwendig zu Regierungsflugzeugen umgerüstet. Für die beiden neuen Air-Force-One-Maschinen wurde noch in Donald Trumps letzter Amtszeit 2018 ein Anschaffungs- und Umbau-Fixpreis von zusammen 3,9 Milliarden Dollar vereinbart. 2026 sollte eigentlich die erste der beiden Maschinen einsatzbereit sein. Ironie der Geschichte: Kurz vor Trumps erneutem Amtsantritt als US-Präsident wurde bekannt, dass Boeing die Auslieferung auf 2029 verschiebt – also auf nach dem Ende von Trumps zweiter und letzter Amtszeit.
Es gibt immer zwei dieser Regierungsflugzeuge. Die beiden baugleichen Maschinen werden per Rufzeichen entweder Air Force One oder Air Force Two genannt, je nachdem, ob ab Ende Januar der künftige Präsident Trump oder sein Stellvertreter J. D. Vance an Bord ist. Diese als Typ VC25A bezeichneten 747-200B sind heute schon regelrechte Oldtimer, denn sie fliegen seit den frühen 1990er Jahren. Allerdings sind sie mythenumrankt, weil die Details ihrer technologischen Sonderausstattung zum Schutz des Präsidenten weitgehend unbekannt sind. Zahlreiche geheime Umbauten machen sie zum bestgeschützten Airliner der Welt.
Trotz enormer Geheimniskrämerei um die Ausrüstung der Maschinen kann als sicher angenommen werden, dass beide Flugzeuge mit einem hochmodernen Selbstschutzsystem ausgerüstet sind. Das kann sie im Falle eines Terrorangriffs mit Raketen schützen. Derartige Abwehrsysteme sind nicht nur in der Air Force One vorhanden, sie finden sich auch manchmal in grossen Business-Jets von gefährdeten Persönlichkeiten, Regierungschefs oder Politikern. So erhält auch das vom Schweizer Bundesrat angeschaffte und noch 2024 in Payerne eingetroffene nagelneue Staatsluftfahrzeug Bombardier Global 7500 dieses Selbstschutzsystem. Allerdings wird erst im Herbst 2025 nachgerüstet.
Beide Air Force One sind gegen elektromagnetische Impulse, die durch eine Atombombenexplosion entstehen könnten, und damit einen Ausfall ihrer elektronischen Fähigkeiten geschützt. Diese Boeing 747 können sogar in der Luft betankt werden. Dazu fliegt ein US-Tankerflugzeug mit einem ausfahrbaren Tankstutzen leicht oberhalb der 747. Diese bekommt so ähnlich wie ein Jagdflugzeug in der Luft vom Tankflugzeug über eine ausfahrbare Leitung das Kerosin zugeführt. Damit ist es für das Regierungsflugzeug theoretisch möglich, mehrere Tage nonstop in der Luft zu bleiben. Limitiert wird die Flugzeit allerdings nach Expertenmeinung durch den Ölverbrauch der vier Triebwerke auf maximal etwa siebzig Stunden. Bisher wurde die Air Force One lediglich zu Übungszwecken in der Luft betankt, aber nie, wenn der US-Präsident an Bord war.
Beide identischen Flugzeuge haben modernste Kommunikationssysteme an Bord. Denn in Kriegs- oder Krisenzeiten sind sie fliegende Kommandostände für den amerikanischen Präsidenten. Er hat von dort Zugriff auf alle Informationen von Militär und Geheimdiensten und kann diese im Gegenzug instruieren.
Die Air Force One hat neben ihrer militärischen Bedeutung aber auch eine ganz zivile Funktion. Denn sie dient seit dem Ende von Joe Bidens Amtszeit nun erneut Donald Trump oder seinem Vize zur möglichst entspannten Anreise bei Auslandsbesuchen und Gipfeltreffen. Für den Präsidenten und seine Ehefrau sind Schlafräume vorhanden, dazu für seine Entourage Konferenz- oder Ruheräume sowie Plätze für mitreisende Journalisten. Einer dieser Räume kann zur Krankenstation umgebaut werden. Die Bord-Crew der Air Force One umfasst 26 Personen. Insgesamt können 102 Menschen in der Maschine mitfliegen. Die Reichweite der betagten 747-200B beträgt 12 500 Kilometer. Manchmal fliegen sogar beide Regierungs-747 parallel, um notfalls eine Ersatzmaschine am Ziel bereitstehen zu haben. Zum fliegenden Präsidentenkonvoi gehören des Weiteren optional ein Tankflugzeug sowie mindestens ein Transportflugzeug, das die gepanzerte Limousine an Bord hat.
Das Ausgangsmuster für die Air Force One, die Boeing 747, war über Jahrzehnte hinweg bis 2022 in Produktion und gilt als Königin der Lüfte. Dabei war ihre Entwicklung einst ein enormes Risiko für den Flugzeugbauer. Denn als am 9. Februar 1969 auf dem Boeing-Werksflughafen Everett nahe Seattle im Gliedstaat Washington erstmals eine 747 vom Boden abhebt, bedeutet dies zwar einen weltweit umjubelten Erfolg. Trotzdem war es ein Wagnis für das Unternehmen, eine für die damalige Zeit extrem grosse Passagiermaschine zu entwickeln. Denn die Fachwelt war sich in den 1960er Jahren nicht sicher, ob die zunächst rund 350 Plätze aufweisende 747 auch wirklich von den Airlines angenommen werden würde.
Der einstige Airline-Gigant Pan Am gibt den Anstoss für ihre Entwicklung und bestellt gleich 25 Exemplare. Die Swissair ordert bereits 1967 zwei Maschinen. Am Flughafen Zürich ist deshalb am 20. März 1971 die Begeisterung riesig. Der erste kommerzielle Flug steht an diesem Tag für das jüngste Mitglied der Swissair-Flotte an. Es ist eine nagelneue Boeing 747-257B mit dem Kennzeichen HB-IGA, getauft auf den Namen «Genève». Die Maschine startet zum Premieren-Linienflug von Zürich nach New York. Wenige Tage später wird die zweite 747, die HB-IGB «Zürich», ausgeliefert. Für die Passagiere in der Schweiz bietet die 747 ein bis dahin ungekanntes Raumgefühl: zwei Gänge zwischen den drei Sitzreihen, dazu eine Wendeltreppe, die ins Oberdeck führt. Dort befindet sich das Cockpit und dahinter zunächst eine Erste-Klasse-Lounge im markanten Buckel. Die Idee dafür hat Boeing quasi bei sich selbst abgeschaut: Denn bereits Ende der 1930er Jahre gab es das Boeing-Modell 314, ein viermotoriges Flugboot. Auch bei diesem residierte die Cockpit-Crew in einer eigenen Etage oberhalb der Passagiere. Damals war die 314 ebenfalls eines der grössten Passagierflugzeuge der Welt.
Im Laufe der Jahrzehnte bekommt die 747 immer mehr Varianten für den Passagier- oder Frachttransport. Zudem ist der Vierstrahler multifunktional: So baut die amerikanische Raumfahrtbehörde eine 747 zum Huckepack-Transport ihres Spaceshuttles um. Auf Basis der kürzeren SP-Version ist eine von der Nasa und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt umgerüstete 747 mit dem Namen «Sofia» bis vor wenigen Jahren als fliegendes Teleskop für die Astronomie im Einsatz. Zwei weitere 747 werden zu gigantischen Löschflugzeugen vom Typ «Supertanker» modifiziert. Sie können fast 70 000 Liter Löschwasser pro Flug über Waldbränden abwerfen, erweisen sich aber als unwirtschaftlich. Unter dem Namen 747LCF Dreamlifter sind vier umgerüstete Jumbo als Spezialfrachtflugzeuge bei Boeing für den Transport der 787-Rümpfe und -Komponenten im Einsatz.
Im Rahmen der Modellpflege über ein halbes Jahrhundert hinweg erhält die 747 stärkere Triebwerke, eine modernere Avionik mit sogenanntem Glascockpit, mehr Zuladung und Reichweite. So fliegt die bis 2022 gebaute letzte 747-8i-Version 14 000 Kilometer weit.
Die 747 erweist sich zudem als ziemlich sicher. Vier Triebwerke machen zumindest eine oder sogar zwei ausgefallene Turbinen beherrschbar. Einmal gehen sogar alle vier aus, und der Jumbo wird zum temporären Segelflugzeug. So geschehen im Sommer 1982 mit einer Boeing 747-236 auf dem Weg nach Neuseeland über der Javasee. Plötzlich fällt wie aus dem Nichts eine Turbine aus. Der damals noch übliche Flugingenieur im Cockpit bekommt keinerlei Vorwarnung. Nur ein seltsames Leuchten an den Scheiben irritiert, das an Elmsfeuer erinnert. Dann eskaliert die Lage dramatisch. Die Triebwerke zwei, drei und vier gehen aus. Aus 11 Kilometern Höhe könnte der Jumbo nun immerhin 165 bis 175 Kilometer weit ohne Antrieb segeln. Denn die 747 hat eine sogenannte Gleitzahl von etwa 1:15. Nach fast 6000 Metern Höhenverlust läuft ein Triebwerk wieder. Dann springen weitere Turbinen an. Mit drei laufenden Motoren schleppt sich der Jumbo an den Flughafen Jakarta und landet dort sicher. Hier erfährt die Crew, dass sie unwissend durch die Aschewolke eines ausgebrochenen Vulkans geflogen ist, die alle vier Turbinen verstopft hat.
Tragische Unglücke gibt es dennoch. So etwa beim Bombenanschlag auf die Lockerbie-747 (1988) oder beim Zusammenstoss zweier 747 auf der Landebahn in Teneriffa mit mehr als 500 Toten (1977). Es gibt auch technische Probleme. Mehrere Jumbos verlieren ein komplettes Triebwerk im Flug, weil Haltebolzen der Turbinenaufhängung zunächst unbemerkt korrodiert oder nicht gründlich genug inspiziert worden sind. Ein Frachtflugzeug stürzt deshalb in Amsterdam auf ein Haus.
Beim Aus- und Umbau der neuen Air Force One, die offiziell der amerikanischen Luftwaffe unterstellt sind und von deren Piloten geflogen werden, reissen die Verzögerungen nicht ab. Vor allem die vernetzte Elektronik für die vielen elektronischen Systeme bereitet Probleme, ebenso die Kommunikationsanlagen. Auch das mittlerweile deutlich modernere und komplexere Selbstschutzsystem muss integriert werden. Ein eher kurioser Grund für einen Teil der Verzögerungen: Alle Boeing-Mitarbeiter, die an der Air Force One arbeiten, müssen neben Geheimhaltungsverpflichtungen einen besonders strengen Sicherheitscheck absolvieren. Das scheint laut Medienberichten für eine nicht unerhebliche Zahl von Arbeitern zum Problem zu werden.
Für Boeing dürften die beiden Flugzeuge bei der nun für 2029 geplanten Auslieferung jedenfalls zum wirtschaftlichen Fiasko werden: 3,9 Milliarden Dollar Fixpreis waren vertraglich festgelegt – bereits jetzt liegen die Baukosten aber wohl bei mehr als 5 Milliarden Dollar.
In der Schweiz ist die Air Force One immer ein gerngesehener Gast und begeistert vor allem Planespotter. So sind die hellblau-weiss lackierten Boeing 747 während des WEF in Davos öfter am Flughafen Zürich zu sehen. Auch Genf hat eine Tradition als Air-Force-One-Standort: Beim letzten Gipfel zwischen dem damaligen amerikanischen Präsidenten Joe Biden und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Juni 2021 war die Air Force One ebenfalls am Genfersee zu erleben. Bereits 1985 landete in Genf eine Air Force One. Das war aber noch eine Boeing 707 VC-137C. Ronald Reagan und Michail Gorbatschow trafen sich damals zum persönlichen Gespräch auf neutralem Schweizer Boden.