Wer sein Kind in einer Institution betreuen lässt, erhält Subventionen – egal, wie hoch sein Arbeitspensum ist. Das hat der Nationalrat beschlossen. Die neue Sozialleistung kostet schätzungsweise 700 Millionen Franken im Jahr.
Die Allianz von Mitte-links hat sich durchgesetzt: Die Schweiz wird eine neue Sozialleistung für Eltern einführen, die ihre Kinder in einer Krippe oder in einer Tageseinrichtung betreuen lassen. Die sogenannte Betreuungszulage soll so lange bezahlt werden, bis das Kind acht Jahre alt ist. Wenn die Eltern ihr Kind einen Tag pro Woche in die Krippe schicken, erhalten sie 100 Franken im Monat. Bei einer Vollzeit-Betreuung an fünf Tagen sind es 500 Franken monatlich.
700 Millionen Franken jährlich
Die Vorlage, die der Nationalrat am Dienstag behandelt hat, blickt auf eine mehrjährige Vorgeschichte zurück. 2023 beschloss eine eingespielte Krippenlobby im Nationalrat, die seit über zwanzig Jahren laufende befristete «Anstossfinanzierung» in eine Dauerlösung umzuwandeln und den Bund für die externe Kinderbetreuung zahlen zu lassen, und zwar im Umfang von mehr als 700 Millionen Franken jährlich. Zum Vergleich: Heute setzt der Bund etwa 25 Millionen Franken pro Jahr für die «Anstossfinanzierung» ein.
Der Ständerat lehnte diesen massiven Ausbau zulasten der Bundeskasse ab und arbeitete 2024 ein anderes Finanzierungsmodell aus: Im bestehenden Familienzulagengesetz soll ein zusätzlicher Anspruch eingeführt werden für Eltern, die ihre Kinder «institutionell» betreuen lassen. Die Kosten der neuen Sozialleistung werden vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf 700 Millionen Franken jährlich geschätzt. Die Finanzierung soll analog zu den Familienzulagen erfolgen – sprich: Es dürften in erster Linie die Arbeitgeber bzw. die Arbeitnehmer sein, welche die Wohltat über höhere Lohnbeiträge bezahlen müssen.
Der Nationalrat hat sich nun dem Finanzierungsmodell des Ständerats in den wesentlichen Punkten angeschlossen. Der eindringliche Appell der Wirtschaft von Anfang dieser Woche, keine neuen Steuern und Abgaben einzuführen und den Sozialstaat nicht weiter auszubauen, hat die Mehrheit in der grossen Kammer offenkundig nicht beeindruckt.
Linke und Mitte votierten geschlossen für die Vorlage, die SVP und die Mehrheit der FDP unterlagen. Ihr Argument, dass die Subventionierung der Kinderbetreuung keine Bundesaufgabe sei, fand keine Mehrheit.
Bedingungsloser Geldsegen
Bei der neuen Zulage handelt es sich um eine Giesskannenregelung par excellence. Alle Eltern, die ihr Kind in einer externen Institution betreuen lassen, sollen künftig Geld erhalten – egal, ob sie es brauchen oder nicht, und egal, wie viel sie arbeiten. Ein minimales Arbeitspensum wird nicht vorgeschrieben, obschon die Subventionsvorlage zur Hauptsache mit den positiven Beschäftigungseffekten auf Frauen beworben wird.
Wer also sein Kind in die Krippe schickt, weil er sich einen Yogakurs am Nachmittag gönnen möchte, wird ebenfalls von der Allgemeinheit unterstützt. Es wäre zu kompliziert, wenn man die Höhe des Arbeitspensums kontrollieren müsste, hiess es im Nationalrat. Eltern, die eine Kinderfrau anstellen und ihr Kind zu Hause betreuen lassen, weil sie beispielsweise lange Schichten im Spital arbeiten, gehen im Übrigen leer aus – gefördert wird einzig die «institutionelle» Betreuung.
Anders als der Ständerat will der Nationalrat nichts davon wissen, dass die Krippe in einer Landessprache geführt werden muss. Eine Differenz zwischen den Räten gibt es auch bei der Frage, ob Personen eine Zulage erhalten, die ihr Kind in einem EU-Land betreuen lassen – beispielsweise Grenzgänger oder Zuzüger aus der EU, deren Familie im Heimatland wohnt.
Ob und im welchem Umfang ein Kind im Ausland «institutionell» betreut wird, dürfte sich je nach Umständen nur schwer überprüfen lassen. Der Ständerat lehnt den Export der Sozialleistung in die EU ab –im Wissen, dass damit ein Konflikt mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen entstehen kann. Diese Lösung würde laut BSV rund 100 Millionen Franken günstiger kommen.
Weiter will der Nationalrat vom Bund bezahlte Programmvereinbarungen mit den Kantonen in die Vorlage aufnehmen. Damit sollen die Kantone beim Ausbau der Frühförderung unterstützt werden. 200 Millionen Franken sind für die ersten vier Jahre vorgesehen.
Das Geschäft geht nochmals zurück an den Ständerat. Die Vorlage soll als indirekter Gegenvorschlag zur linken Kita-Initiative dienen. Inwieweit die Krippenkosten für die Eltern durch die Betreuungszulage tatsächlich sinken werden, muss sich erst noch zeigen. Es wäre keine Überraschung, wenn die Krippen in der Folge ihre Tarife anheben würden und die neue Sozialleistung am Ende nicht die Eltern entlastete, sondern indirekt zu den Krippen flösse.