Seit dem Gaza-Krieg hat Israel auch bei den moderaten Araberstaaten einen schweren Stand. Nach dem iranischen Grossangriff will das Land nun die Chance nutzen und sein Verhältnis zu den Nachbarn verbessern.
Eine junge Frau steht lächelnd vor einem Kampfflugzeug, den Helm in der Hand, das Haar offen. Kurz zuvor hatte sie angeblich Dutzende iranische Drohnen abgeschossen. Das Foto würde eigentlich perfekt ins Selbstbild der israelischen Streitkräfte passen. Doch bei der jungen Pilotin handelt es sich nicht etwa um ein Mitglied der IDF, sondern um Prinzessin Salma – die Tochter des jordanischen Königs Abdullah.
Nachdem bekanntwurde, dass Jordaniens Luftwaffe in der Nacht zum Sonntag etliche iranische Drohnen auf ihrem Weg nach Israel abgeschossen hatte, wurde das Bild der blaublütigen Kampfpilotin in den sozialen Netzwerken gleich tausendfach geteilt. Eine arabische Prinzessin, die Seite an Seite mit Israel die Geschosse der Mullahs vom Himmel holt. Gäbe es ein besseres Symbol für den Wunsch vieler Israeli, angesichts des iranischen Angriffs ihr Verhältnis zu ihren Nachbarn zu verbessern?
Jordanien habe mitgeholfen, israelische Leben zu retten
Als sich herausstellte, dass das besagte Foto allerdings gar nicht vom letzten Wochenende stammte, tat dies der Begeisterung jedoch keinen Abbruch. Denn nachdem Israel angesichts des Gaza-Kriegs im Nahen Osten zuletzt zu einer Art Paria geworden war, mit dem selbst moderate Araberstaaten öffentlich nichts mehr zu tun haben wollten, sehen viele nun die Gelegenheit gekommen, das gestörte Verhältnis zu reparieren.
Jordanien habe mitgeholfen, israelische Leben zu retten, schrieb etwa der israelische Journalist und Analyst Anshel Pfeffer auf der Plattform X. Diese Chance müsse man nun nutzen, um die regionale Zusammenarbeit zu vertiefen. Und Benny Gantz, der als Minister mit im israelischen Kriegskabinett sitzt, goss den frommen Wunsch sogar in konkrete Regierungspolitik: Israel werde nun alles daransetzen, eine internationale Koalition zu bilden, sagte er. «Denn Iran ist eine Gefahr für uns alle.»
Doch dies dürfte sich als schwierig erweisen. Zwar haben die Bilder der Drohnen- und Raketenschwärme, welche das schiitische Islamisten-Regime aus Teheran quer durch den Nahen Osten in Richtung Mittelmeer schickte, bei vielen arabischen Herrschern tatsächlich Bauchschmerzen ausgelöst. Ihnen gilt Iran nämlich seit Jahren als Bedrohung – und der Angriff von Samstagnacht hat noch einmal drastisch vor Augen geführt, wozu die Machthaber in Teheran fähig sind.
Die Golfstaaten wollen keine Eskalation
Zudem haben die Israeli mit ihrer erfolgreichen Abwehraktion kräftig Werbung in eigener Sache gemacht. Besonders Riad oder Abu Dhabi dürfte das durchaus beeindruckt haben. Gerade die Saudi mussten 2019 hilflos zuschauen, wie Teheran mit ein paar wenigen Drohnen ihre gesamte Ölproduktion lahmlegte. «Iran könnte auch Saudiarabien jederzeit ins Visier nehmen», sagt der Golfexperte Sebastian Sons. «In Riad fühlt man sich deshalb regelrecht umzingelt.»
Trotzdem halten sich die moderaten Araberstaaten derzeit zurück, wenn es um Israel geht. So machten die Jordanier in Bezug auf ihren Kampfeinsatz am Wochenende sofort klar, dass sie aus nationalem Sicherheitsinteresse gehandelt hätten. Und die Saudi, welche bis zum 7. Oktober noch in aller Öffentlichkeit mit Israel flirteten, konnten sich bloss zu einer ihrer üblichen Beschwichtigungen durchringen. Man rufe alle Beteiligten dazu auf, sich zurückzuhalten, liess das Königreich verlauten, ohne dabei Iran oder Israel namentlich zu nennen.
«Die Golfstaaten haben kein Interesse an einer Eskalation», sagt Sons. «Sie konzentrieren sich stattdessen auf ihre wirtschaftliche Entwicklung. Und dazu brauchen sie Stabilität.» Deshalb setzen sie auf eine Null-Probleme-Aussenpolitik, die gute Beziehungen zu allen Seiten vorsieht. Dazu passt, dass Saudiarabien vor einem Jahr erst sein eigenes Verhältnis zu Iran wieder ins Lot gebracht hat. Die Zeiten, in denen Saudi-Vertreter nach Washington flogen, um dort offen für einen Angriff gegen Teheran zu weibeln, sind deshalb vorerst vorbei.
Der Gaza-Krieg liess die Beziehungen erkalten
Doch die Distanz liegt nicht nur im Strategischen begründet. Auch der Gaza-Krieg liess die Beziehungen erkalten. Vor allem in Jordanien, welches bereits 1994 mit Israel Frieden geschlossen hat, herrscht angesichts der schrecklichen Bilder aus dem zerstörten Küstenstreifen blanke Wut. König Abdullah gebietet dort über mehr als 3 Millionen Palästinenser, die zuletzt immer wieder gegen Israel auf die Strasse gingen. Entsprechend hart geht seine Regierung auch öffentlich mit den Israeli ins Gericht.
In Saudiarabien ist die Stimmung ebenfalls eisig. Zwar muss sich der mit eiserner Faust regierende Mohammed Bin Salman kaum vor dem Volkszorn fürchten. Zudem sind dem Kronprinzen die Palästinenser mit ihren fanatischen Islamisten-Milizen ein Graus. Als Herrscher über die Heiligen Stätten Mekka und Medina könne er die Stimmung in der Region aber nicht einfach ignorieren, sagt Sons. Inzwischen knüpft Riad eine mögliche Normalisierung mit Israel deshalb an eine Zweistaatenlösung.
Solange der Krieg in Gaza weitergeht, werden die moderaten Araberstaaten deshalb kaum in aller Öffentlichkeit auf Israel zugehen – auch wenn sie heimlich wahrscheinlich froh darüber sind, dass sich die Iraner bei ihrem Grossangriff vom letzten Wochenende zumindest militärisch eine blutige Nase holten. Stattdessen versuchen die Golfstaaten als Vermittler zu wirken. Aber auch das gestalte sich mit Israels derzeitiger Regierung schwierig, sagt Sons. «Am Golf fragen sich deshalb viele, ob man mit Netanyahu überhaupt reden kann.»