Jan Josef Liefers spielt einen heteronormativen Marketingspiesser, der sich in die weltanschaulichen Nesseln setzt. Dem Regisseur Simon Verhoeven gelingt ein schlauer Klamauk.
Ist es nicht schön, dass man sich in diesen schweren, von Kriegen und Kulturkämpfen beschwerten Zeiten auf ein gemeinsames Feindbild einigen kann? Generationenübergreifend ist der sogenannte alte weisse Mann die Sollbruchstelle im sozialen und politischen Geschehen.
Das sehen die Jungen so, und weil die disqualifizierten Mehrheitsboomer ihrerseits gelernt haben, das Schuldgefühl, alt und weiss zu sein, intellektuell zu bewirtschaften, hagelt es Sachbücher und Artikel zum Thema von Männern über 50. Im Sound der Zerknirschung erklären sie, die «old white cis dudes», ihren Werdegang an die Spitze der Gesellschaft als annähernd unfreiwilliges Szenario. Was können die in den sechziger Jahren Geborenen dafür, dass sie in Zeiten von Kohl und Merkel, von Frieden und Exportrekorden so lässig durchs Leben gekommen sind?
Nun pflegen die neubürgerlich postmaterialistischen Milieus ein ideologisches Wischiwaschi, rufen einerseits soziale Gerechtigkeit und verstecken andererseits ihre Kinder vor Migranten in teuren Privatschulen. Das Revoltebedürfnis der Cargo-Bike-Fahrer hört an der Biomarkttheke auf. Ihr mentales Outfit sieht modische, mit pseudokritischem Jargon aufgerüschte Posen vor, keine ernstzunehmende politische Haltung.
Wenn Klamauk, dann richtig
Insofern hat der Regisseur Simon Verhoeven das richtige Genre für seine Inspektion des alten weissen Mannes gewählt: die Klamotte. Nur im Stil des Klamauks kommt man diesem von habituellen Verrenkungen geschleiften Thema noch bei. Und wenn Klamauk, dann richtig. Kein politisch irgendwie aufgeladenes und durch die Medien gescheuchtes Thema der letzten zwei, drei Jahre, das nicht in diesem Film abgehandelt würde: Gendersprache, Rassismus-Misere, Trans-Debatte, Kapitalismus-Schelte – am Beispiel des Marketingspiessers Heinz Hellmich, gespielt von Jan Josef Liefers, werden die neuralgischen Stellen des Diskurses abgehandelt.
Hellmich setzt sich überall in die weltanschaulichen Nesseln: Seine Werbekampagnen sind zu weiss und zu heteronormativ, seine Teenagerkinder finden ihn «cringe» (peinlich), seine Frau bandelt mit dem digitaltechnologisch verstrahlten Firmencoach an. Elyas M’Barek spielt diesen als KI-Apologeten, der Hellmichs Firma mit sprechender Software und anderen Gimmicks aus dem Geist der technischen Optimierung drangsaliert.
«Alter weisser Mann» ist ein Familienfilm, und gegen Ende sitzen dann auch alle an einem Tisch. Mit einem vom Firmenchef Dr. Steinhofer (exzellent als corporate Schleimbeutel: Michael Maertens) eingefädelten Dinner soll sich Hellmich für Höheres bewähren. Aber das Ganze läuft aus dem Ruder.
Der Grossvater (Friedrich von Thun) ist da, eine politisch inkorrekte Wuchtbrumme, die kein Blatt vor den reformfeindlichen Mund nimmt. Mo (Leon Ndiaye), der afrikanischstämmige Freund der Tochter, ein wokes Mastermind mit erstaunlich wertkonservativer Grundhaltung. Eine asiatisch-stämmige Jungmanagerin (Yun Huang), für die man extra vietnamesisch gekocht hat, was am Ende doch wie positiver Rassismus wirkt. Eine trotz Body-Shaming sehr lustbetonte Deutschtürkin (Meltem Kaptan), die den Firmencoach-Beau anflirtet und sonst gemeinsam mit der eingeladenen Paartherapeutin (Denise M’Baye), einer Person of Colour, allen mal erklärt, dass nationale Identität nichts mit der Hautfarbe zu tun hat.
Verhoeven inszeniert das alles als Menschheits- und Milieuversöhnung. Am Ende wehrt sich ausgerechnet Hellmich, der alte weisse Mann, gegen den von alten weissen Männern etablierten Konsens. Applaus von allen Seiten, der Gesinnunsgzwist ist generationenübergreifend beigelegt.
Smarte Gespräche
Die das letzte Drittel des Films bestreitende Dinnerszene reicht aus, um «Alter weisser Mann» eine exzellente Komödie zu nennen. Das liegt an den schnellen und smarten Gesprächen und an der Darstellerriege. Momo Beier, Juri Winkler und Sarah Mahita spielen ihre Parts als Gen-Z-Vertreter mit toller postideologischer Schnoddrigkeit. Friedrich von Thun gibt den grantelnden Greis zwischen Unangepasstheit und sozialem Feingefühl auch für den gesellschaftspolitischen Gegner.
Meltem Kaptan und Yun Huang als Angestellte beziehungsweise Managerin sind plausible Verkörperungen einer weiblichen Professionalität, die auch dann noch cool bleibt, wenn den Männern der Common Sense verlorengeht. Jan Josef Liefers’ Spiel wirkt dagegen auf den ersten Blick so hölzern, als sei er darstellerisch in der Heinz-Rühmann-Ära zurückgeblieben. Letztlich aber ergibt diese Sperrigkeit Sinn: Der alte weisse Mann ist eben aus der Zeit gefallen – entsprechend unbeholfen muss sein Gestus sein.
Verhoeven hat subtile Hinweise auf die Widersprüchlichkeit, die die Wokismus-Debatte immer mehr zum Spiegelgefecht einer Klasse mit sich selbst werden lässt, eingestreut. Wenn die Familie für den multiethnisch diversen Besuch extra ein Aretha-Franklin-Foto «von oben» ins Wohnzimmer holt, dann ist das ein Fingerzeig in jene Richtung, aus der auch alte weisse Männer einst ihre kritischen Impulse bezogen haben.
Wer Aretha Franklin verehrt, weiss, dass in Genderkonstellationen «Respect» gefragt ist, und das nicht erst seit den nuller Jahren. Und ganz am Schluss tanzt die Familie ausgelassen zu David Bowies Song «Let’s Dance», zum genderfluiden Thin White Duke. Ein weisser Mann, der Geschlechterrollen demontierte, lange bevor der Begriff «divers» erfunden war.