Dem früheren Renova-Finanzchef Igor Akhmerov wurde Betrug beim Bau von Solarparks vorgeworfen. Ein Mailänder Gericht stellt das Verfahren ein. Nun äussert sich der Freigesprochene zum Fall.
Es begann verheissungsvoll. 2006 gründete der russische Finanzexperte Igor Akhmerov die Energiefirma Avelar. Akhmerov war ein Vertrauter des Oligarchen Viktor Vekselberg und hatte zuvor als Finanzchef von dessen Investmentgesellschaft Renova amtiert. Mit Vekselbergs Millionen stieg Avelar ins Geschäft mit erneuerbaren Energien und Erdgas ein, insbesondere in Italien.
Doch 2014 kam es zu einem bösen Ende. Die italienischen Behörden machten Avelar, Akhmerov und weiteren Personen aus dem Umfeld der Firma massive Vorwürfe. Sie hätten sich beim Bau von grossen Solarparks Subventionen erschlichen und den italienischen Staat so um Millionen betrogen. Akhmerov betonte von Anfang an seine Unschuld. Im Januar 2021 wurde er zwar freigesprochen, im November 2021 wurde dieses Urteil von einem anderen Gericht allerdings kassiert.
Neues Urteil in Mailand
Diese Woche gab es nun wieder gute Nachrichten für Akhmerov. Ein Mailänder Gericht hat ein weiteres Urteil gefällt – und ihn erneut freigesprochen.
Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Zu den Betroffenen in der Affäre gehört das norwegische Energieunternehmen EAM Solar. Es hatte Avelar Solarparks abgekauft – kurz bevor die Vorwürfe gegen das Unternehmen bekanntwurden. EAM Solar will sich nicht zum neuen Urteil äussern, wie es auf Anfrage heisst. Laut einer Mitteilung will das Unternehmen eine Berufung beim obersten italienischen Kassationsgerichtshof prüfen.
Für den früheren Avelar-Chef Igor Akhmerov spielt das keine grosse Rolle mehr, wie er der «NZZ am Sonntag» sagt. «Ich bin formell frei von strafrechtlichen Vorwürfen. Daran wird auch eine allfällige Berufung durch EAM nichts ändern.»
In der Geschäftswelt bedeute dieser Freispruch eine Menge, sagt Akhmerov weiter. Das Gerichtsverfahren sei für ihn «absolut verheerend» gewesen. Als die Vorwürfe gegen ihn 2014 bekanntgeworden seien, habe er an einem einzigen Tag seinen Arbeitsplatz und seinen Ruf verloren. «Von diesem Zeitpunkt an musste ich mein Leben neu aufbauen.» Akhmerov hat seither auf der ganzen Welt in verschiedenen Unternehmen gearbeitet, die mit erneuerbaren Energien und Emissionsgutschriften zu tun haben.
Das italienische Justizsystem ist für seine Langsamkeit und die zuweilen erratischen Urteile seiner Gerichte berüchtigt. Akhmerov sagt, der Prozess habe zwar viel länger gedauert, als er erwartet habe. Insgesamt habe die Justiz aber funktioniert. Er will nun die Urteilsbegründung abwarten und sich danach überlegen, ob er Schadenersatzforderungen stellen soll.
Familie in der Schweiz
Die Schweizer Medien berichteten immer wieder über den Fall. Vor Publikwerden der Vorwürfe waren Akhmerov und seine Familie schweizweit bekannt geworden. Sie traten 2012 prominent in einem «Dok»-Film des Schweizer Fernsehens über Russen in der Schweiz auf. Während des Prozesses wurde immer wieder über eine Villa in Männedorf berichtet, die Akhmerov gehört und die offenbar zeitweise zum Verkauf stand. Laut Akhmerov lebt seine Familie noch immer in Männedorf, «und wir sind immer noch Eigentümer des dortigen Grundstücks».
Für Viktor Vekselbergs Beteiligungsgesellschaft Renova nahm die Geschichte ein schlechtes Ende. Ein Sprecher des Unternehmens erklärte Anfang 2021, man habe mit dem Investment bei Avelar einen «riesigen Verlust» von bis zu 350 Millionen Euro erlitten. Akhmerov sagt, er sei persönlich und beruflich nicht mehr mit Viktor Vekselberg verbunden.