Wochenlang liess Donald Trump die jemenitischen Krieger bombardieren – nun hat er mit ihnen einen Waffenstillstand ausgehandelt. Die Huthi feiern ihn als Erfolg. Doch ist dieser Konflikt wirklich zu Ende?
Der Flughafen von Sanaa galt als Nordjemens Tor zur Welt. Kranke und Verwundete wurden von hier ausgeflogen, auch die wenigen Flugzeuge der Uno kamen hier an. Nun ist der Landeplatz ein Trümmerfeld. Nachdem Israels Luftwaffe am Dienstag als Vergeltung für einen Angriff auf den Tel Aviver Flughafen etliche Bomben abgeworfen hatte, gingen grosse Teile der Anlage sowie mehrere Flugzeuge in Flammen auf. Der Flughafen ist offenbar nicht mehr funktionsfähig.
Den Huthi, den derzeitigen Herrschern über Jemens Hauptstadt, scheint das vordergründig egal zu sein. Man werde den Kampf gegen die Zionisten natürlich fortführen, verkündete ein Sprecher der einstigen Stammesmiliz, die vor rund zehn Jahren im Norden des von einem Bürgerkrieg zerrütteten Jemen die Macht an sich gerissen hatte – und gab sich siegesgewiss. Offenbar mit gutem Grund: Nur Stunden zuvor hatte der amerikanische Präsident Donald Trump verkündet, dass die Amerikaner ihre Angriffe gegen die Jemeniten einstellen würden.
So hatten die Huthi nicht nur gegen Israel gekämpft – das sie immer wieder mit Raketen und Drohnen beschiessen –, sondern auch gegen die Weltmacht USA. Wegen der Huthi-Attacken auf Schiffe im Roten Meer, die den Welthandel beeinträchtigten, flogen die Amerikaner wochenlang schwere Angriffe auf Stellungen der Miliz. Nun allerdings hat Washington mit den Jemeniten ein Separatabkommen geschlossen. Die Huthi hätten «kapituliert» und versprochen, ihre Angriffe auf amerikanische Schiffe einzustellen, sagte Trump.
«Sie sind es gewohnt, zu leiden»
In Sanaa hingegen sieht man das anders: «Das ist ein grosser Sieg, der Amerikas Unterstützung für die Entität namens Israel beendet», schrieb der Huthi-Vertreter Mohammed Ali al-Huthi am Dienstag auf X. Netanyahu sollte jetzt besser zurücktreten. Die grossspurigen Worte aus Jemen haben offenbar sogar auf Donald Trump Eindruck gemacht. Die Huthi hätten Widerstandswillen bewiesen, sagte er am Mittwoch anerkennend. «Sie haben einer harten Bestrafung widerstanden.»
Aber sind die Huthi tatsächlich so stark? Die Amerikaner hätten den ehemaligen Bergkriegern zuletzt arg zugesetzt, sagt der amerikanische Militärexperte Michael Knights vom Washington Institute: «Sie haben grosse Mengen an Flugabwehrsystemen verloren, aber auch Raketen, Treibstoffdepots und Anlagen zur Herstellung von Drohnen. Sie werden Zeit brauchen, um all diese Dinge zu ersetzen.» Vor allem an Treibstoff mangele es – weil die Huthi ihre Häfen am Roten Meer kaum mehr benutzen könnten.
Dennoch haben die Jemeniten keineswegs aufgegeben. Im Gegenteil: Sie kündigten an, ihre Angriffe auf Israel trotz der Waffenruhe mit Washington fortsetzen zu wollen. Dass ihr von Kriegen und Hunger zerrüttetes Land dabei immer weiter kaputtzugehen droht, scheint sie kaum zu stören. «Die Huthi sind harte, nordjemenitische Stammeskrieger mit einer tiefen ideologischen Überzeugung», sagt Knights. «Sie sind es gewohnt, zu leiden.»
Die Huthi sind Irans letzter Verbündeter
Bereits unter Jemens Diktator Abdullah Saleh fochten die zaiditischen Schiiten aus dem rauen Norden des Landes einst schwere Kämpfe gegen die damalige Zentralregierung aus. Nach Salehs Sturz infolge des Arabischen Frühlings eroberten sie 2015 die Hauptstadt Sanaa und hielten einem von Saudiarabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützten Gegenangriff stand. Schon damals überzog Riads Luftwaffe Nordjemen mit einer Bombenkampagne, ohne dass die Huthi einknickten.
Unterstützt wurden die Islamisten von Iran, welches in Südarabien einen Stellvertreterkrieg gegen die verhassten Saudi führte. Teheran und Sanaa seien aber auch ideologische Verbündete, sagt Knights – obwohl sie unterschiedlichen Richtungen des schiitischen Islam angehören. «Ihre Beziehung gleicht derjenigen zwischen einem Mentor und seinem Schüler. Die Huthi wollen, dass die islamische Revolution aus Iran erfolgreich ist. Sie sind ein Symptom dieser Revolution.»
Doch Irans Interessen haben sich gewandelt. Seit mehreren Wochen verhandelt die Teheraner Führung mit den Amerikanern über einen neuen Atomdeal. In letzter Zeit hatte die Islamische Republik eine Reihe schwerer Rückschläge einstecken müssen, als Israel im letzten Herbst erst die libanesische Schiitenmiliz Hizbullah dezimierte. Kurz darauf stürzte das mit Iran befreundete Asad-Regime in Syrien. Die Huthi sind, abgesehen von den Schiitenmilizen im Irak, Teherans letzte Verbündete in der Region.
Die Israeli könnten in Zukunft effizienter werden
Iran dürfte nun mässigend auf die Huthi eingewirkt haben, vermutet Knights. Teheran ist aber nicht der einzige Akteur in der Region, der ein Interesse an einem Ende der Feindseligkeiten am Roten Meer hat. Auch Saudiarabien, das die Huthi bis vor kurzem noch bekämpfte, will inzwischen Ruhe. «Die Saudi wollen, dass die Huthi ein Partner in einem möglichen Friedensprozess in Jemen werden», sagt Knights. In letzter Zeit hatte Riad immer wieder versucht, mit den aufsässigen Nordjemeniten zu einer Übereinkunft zu finden.
Ohne Unterstützung aus den Golfmonarchien ist es für die verbliebenen, arg zersplitterten Anti-Huthi-Kräfte in Jemen, die sich um die international anerkannte, aber machtlose Regierung des Chaos-Landes in der Hafenstadt Aden scharen, beinahe unmöglich, die Miliz zu besiegen. Nachdem die Huthi die Luftangriffe der Amerikaner überstanden haben, sitzen sie womöglich sogar noch fester im Sattel als zuvor. Gut möglich, dass sie ihre Angriffe im Roten Meer dereinst wieder aufnehmen – denn sie haben gesehen, welche Wirkung sie damit erzielen können.
Für die Israeli wiederum ist das Ausscheiden der Amerikaner ein herber Schlag – und verkompliziert den Kampf in Südarabien. Im Gegensatz zu Washington verfügt Jerusalem über keine Flugzeugträger im Roten Meer. Dennoch glaubt Knights, dass Israels Angriffe Wirkung erzielen können: «Die Israeli werden mit der Zeit immer mehr Informationen sammeln und effizienter werden», sagt er. «Schon jetzt sieht man, dass sie ihre Angriffe diversifizieren und Ziele jenseits der Küste unter Beschuss nehmen.» Die nächste Runde in diesem Konflikt dürfe nicht lange auf sich warten lassen.