Der Geschäftsmann aus St. Moritz hat mit Vistajet eine der grössten Firmen in der Privatfliegerei aufgebaut. Doch immer wieder muss er sich gegen Zweifel an seiner Gruppe verteidigen.
Ein Kind von Vistajet-Kunden sollte man sein: Die Privatflugzeug-Firma weiss, wie sie kleine Passagiere bei Laune hält. Der Nachwuchs kann mit einer Betreuungsperson die Geschichte von Alice im Wunderland durchspielen – Verkleidung und Teekränzchen über den Wolken inklusive. Abenteuer für Jugendliche als Geheimagent, Filmstar oder Fotomodell sind ebenfalls im Programm.
Glamourös ist bei Vistajet noch etwas anderes: die Person des Gründers Thomas Flohr. Der Berufswunsch Pilot bei der Lufthansa ist ihm zwar verwehrt geblieben. Doch heute kontrolliert der Sohn eines Lehrers ein Unternehmen mit über 240 Flugzeugen.
Mit seiner Villa in St. Moritz und seiner Jacht kann Flohr locker mit dem Lebensstil der Vistajet-Kundschaft mithalten. Daneben fährt der James-Bond-Fan Autorennen.
Hohe Verschuldung
Doch derzeit hat der 64-Jährige gerade anderes zu tun: Er muss Bedenken zu seiner Firma zerstreuen. Wieder einmal. Vistajet ist in die Schlagzeilen geraten, weil das Unternehmen mit Sitz in Dubai angeblich hoch verschuldet und knapp bei Kasse ist.
Die Firma habe 4,5 Milliarden Dollar Schulden und Cash-Reserven von gerade noch 62 Millionen Dollar, schrieb die «Financial Times» («FT») kürzlich. Diese Werte bezogen sich auf die Situation per Ende September 2024.
Damit konfrontiert, heisst es seitens Vistajet nur, diese Zahlen seien den Investoren und Anleihegläubigern seit dem 24. November bekannt und die Firma geniesse das Vertrauen der Geldgeber. Neben Flohr, der rund 84 Prozent am Unternehmen hält, ist seit 2017 auch das Private-Equity-Haus Rhône beteiligt.
Wie die Zahlen für das gesamte Jahr 2024 aussehen – dann ist auch das traditionell starke vierte Quartal dabei –, wird sich erst im Jahresbericht zeigen. Die Rating-Agentur Fitch erwartet einen Umsatz von 2,8 Milliarden Dollar. Flohr hat kurz nach dem Erscheinen des «FT»-Artikels dem Sender CNBC versichert, dass die Liquidität zum Jahresende höher gewesen sei und Vistajet kein neues Kapital brauche.
Die Chance nach dem Dotcom-Crash
Obwohl schon seit der Jugend ein Flugzeug-Fan, ist Flohr erst in einem zweiten Karriereschritt in die Luftfahrt eingestiegen. Bei seiner Arbeit für das amerikanische Leasingunternehmen Comdisco war er oft in Privatflugzeugen unterwegs, aber unzufrieden mit Service und Ausstattung. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase zu Beginn des neuen Jahrtausends waren die Kaufpreise für Flugzeuge am Boden. Da sah der studierte Betriebswirt eine Marktlücke.
Schon kurz nachdem er seinen ersten Privatjet gekauft hatte, fühlte er sich bestätigt. Die Maschine mit neu ausgestatteter Kabine war bald ausgebucht, so dass Flohr bald ein zweites Flugzeug erwarb. Dank Übernahmen wurde Vistajet zu einem der grössten Akteure der Branche.
Privatjet-Firmen wie Vistajet sind eine Option für eine Kundschaft, für die sich der Besitz eines eigenen Flugzeugs nicht rechnet, die aber dennoch stets den gewohnten Service und Komfort will.
Vistajet bietet eine Art Abo-Modell an, das über eine mehrjährige Periode eine fixe Gebühr pro Flugstunde und die Verfügbarkeit eines Flugzeugs garantiert – dies, ohne dass der Kunde wie etwa bei dem Konkurrenten Netjets einen Anteil an einem Flugzeug kaufen muss.
Zuweilen sorgt das Wachstum von Vistajet für Nebengeräusche. Im Jahr 2022 schrieben die Wirtschaftsprüfer von EY laut der «FT» im Jahresbericht, es gebe «signifikante Zweifel», ob die Gruppe den laufenden Betrieb aufrechterhalten könne. Doch das Geschäft lief weiter. Heute prüft PwC die Bücher. 2023 stand im Finanzbericht kein Warnhinweis mehr drin.
Stirnrunzeln wegen Provisionen
Auch mit der Konkurrenz gibt es Probleme. 2024 reichte Vistajet eine Klage gegen Air X ein. Die viel kleinere Konkurrentin soll versucht haben, Vistajet mit einer Schmierenkampagne zu schaden und die Kreditwürdigkeit der Firma in Zweifel zu ziehen.
Die hohe Verschuldung des Unternehmens hängt mit dem Kauf der Jets zusammen. Dass Flohr selber für die Beschaffung der Bombardier-Flugzeuge von Vistajet Provisionen in Millionenhöhe erhielt, hat für Stirnrunzeln gesorgt.
Noch nicht ausgestanden ist für Flohr eine juristische Angelegenheit in London. Ein Ex-Geschäftspartner wirft ihm Betrug vor. Die Geschichte geht auf die Zeit zurück, als Flohr vor über zwanzig Jahren Firmenteile aus der Konkursmasse seines ehemaligen Arbeitgebers Comdisco erworben hat. Flohr weist die Vorwürfe zurück. Doch bisher sind seine Versuche gescheitert, die Eröffnung eines Verfahrens zu verhindern.
Welche Pläne Flohr langfristig mit Vista hegt, ist nicht bekannt. Jüngste Aussagen in den Medien deuten darauf hin, dass er dem Einstieg eines neuen Investors gegenüber grundsätzlich offen wäre. Er hat aber ebenso gesagt, dass er die Mehrheit an der Firma behalten möchte.
Ein Börsengang scheint derzeit kein Thema mehr zu sein. Doch solange Vista sich nicht dem Publikum öffnet, werden auch die Informationen zur finanziellen Situation nur spärlich nach aussen dringen – und Raum für Spekulationen über das Unternehmen und seinen Besitzer lassen.
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