Die SVP hat an ihrer jährlichen Kadertagung im Bad Horn den Chef der Armee zum unfreiwilligen Zeugen der Anklage in eigener Sache gemacht. Nicht etwa aus Sorge um die Wehrhaftigkeit der Armee, sondern aus politischem Kalkül.
Thomas Süssli, der Chef der Armee, war da. Markus Mäder, der neue Staatssekretär für Sicherheit, war da, und Jean-Philippe Gaudin, der ehemalige Chef des Nachrichtendienstes, war da: Das jährliche Kadertreffen der SVP in Bad Horn war ganz dem Thema Sicherheit gewidmet.
Dass hohe Beamte und Militärs gleich im Dutzend an Parteiveranstaltungen aufkreuzen, ist in der Schweiz normal. Die kleine Demokratie lebt vom persönlichen Austausch. Man sagt dann beim gemeinsamen Abendessen vielleicht auch einmal etwas, was man öffentlich nicht sagen würde.
Doch die SVP hatte bei der Planung ihrer Tagung keinen informellen Austausch im Sinn. Sie wollte auch kein politisches Zeichen setzen; sie wollte eine kleine Bombe platzen lassen. Denn schon kurz nach dem Ende der Veranstaltung am Samstag verschickte sie eine Medienmitteilung mit dem Titel: «Für eine sichere, neutrale und freie Schweiz: Abtreten, Frau Amherd!»
Der Staat, las man, habe für die innere und äussere Sicherheit zu sorgen. Und weiter mit Pathos: «Das ist sein heiliger Auftrag: Die Schweizerinnen und Schweizer sollen sich frei und sicher im eigenen Land fühlen.»
Doch die Sicherheit sei in der Schweiz nicht mehr gewährleistet: Die Armee sei schlecht geführt. Im VBS herrsche ein Chaos, die Armeefinanzierung sei unklar, Rüstungsprojekte seien verschlampt worden, die Armeebestände ausgedünnt, und statt die bewaffnete Neutralität zu verteidigen, nähere sich die Schweiz der Nato an. Fazit: «Wer die Verteidigungsfähigkeit der Schweizer Armee aushöhlt wie Frau Amherd, ist als VBS-Chefin nicht mehr tragbar.»
Es folgte ein wildes Potpourri samt EU- und Zuwanderungskritik, aber die Stossrichtung war klar: Die SVP bereitete den Boden für die von Christoph Blocher persönlich angestossene Neutralitätspolitik und machte – eine gloriose Frechheit – namhaftes Armee- und VBS-Kader zu Zeugen der Anklage in eigener Sache.
Sie lässt Gaudin, der von Amherd unzimperlich aus dem Amt gedrängt worden war, klagen, dass er bei den heutigen Verantwortlichen die Antizipation künftiger Entwicklungen und Gefahren vermisse. Dann zitiert sie Thomas Süssli mit dem Satz: «Die Armee muss wieder glaubwürdig sein, die Schweiz verteidigen zu können. Das ist heute nicht der Fall.»
Süssli wollte wahrscheinlich für eine glaubwürdige Wiederaufrüstung plädieren, aber in der Medienmitteilung der SVP liest sich der Satz wie ein Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit. Die SVP schaffte es nicht nur, im Beisein des Chefs der Armee den Rücktritt der Schweizer Verteidigungsministerin zu fordern; sie zitiert ihn auch noch mit einer Aussage, die man als Bekräftigung der Vorwürfe an Amherd interpretieren könnte.
Das Motiv der SVP ist durchsichtig. Dass die Armee, um es mit Süssli zu sagen, «nicht mehr glaubwürdig ist», hat vor allem auch politische Gründe: Die SVP, die eine ganze Reihe von VBS-Vorstehern stellte und seit 1999 die grösste Fraktion in der Bundesversammlung bildet, ist mitschuldig an der Misere.
Der Bundesrat – nicht nur Amherd – hat jüngst vermehrt die internationale Zusammenarbeit gesucht und die Kooperation mit der Nato verstärkt. Amherd setzte das neue Staatssekretariat für Sicherheit durch, das laut SVP vor allem den Zweck hat, sich «mit internationalen Gremien und Militärbündnissen wie der Nato» zu engagieren.
Für die SVP grenzt das an Landesverrat. Deshalb hat sie die Neutralitätsinitiative lanciert, und deshalb führt sie ranghohe Armee- und VBS-Kader öffentlich vor. Der SVP geht es höchstens am Rande um die Finanz- und Rüstungsprobleme, mit denen die Armee zu kämpfen hat. Es geht ihr um deren Diskreditierung aus politischem Kalkül.