Vor knapp achtzig Jahren wollten die USA Dänemark Grönland für 100 Millionen Dollar in Gold abkaufen – die «sauberste» Lösung, wie sie sagten. Die Zeiten und Methoden waren andere als heute, aber Trump folgt ähnlichen strategischen Gedanken.
Der frühere und künftige amerikanische Präsident Donald Trump hat viel Staub aufgewirbelt mit der Idee, Grönland den Vereinigten Staaten einzuverleiben. «Für den Zweck der nationalen Sicherheit und der Freiheit in der ganzen Welt» sei es eine absolute Notwendigkeit, dass Grönland in das Eigentum der USA übergehe, schrieb Trump kurz vor Weihnachten pathetisch. Diese Haltung bekräftigte er diese Woche, mit drohenden Worten an die Adresse Dänemarks, zu dessen Staatsgebiet die zwei Millionen Quadratkilometer grosse arktische Insel gehört.
Trump scheint geradezu besessen von diesem Gedanken; bereits in seiner ersten Amtszeit hatte er Dänemark damit konfrontiert. Den Floh ins Ohr gesetzt hatte ihm damals ein guter Freund, der Kosmetikunternehmer Roland Lauder, wie später eine Trump-Biografie ans Licht brachte. Doch neu war diese Idee schon damals nicht. Die USA schlugen Dänemark einen Transfer der Insel bereits im Dezember 1946 vor, ganz offiziell. Das Königreich ging nicht darauf ein.
Sogar die Wortwahl klang damals auf amerikanischer Seite ähnlich wie heute: «Geld ist reichlich vorhanden, für Dänemark ist Grönland komplett wertlos, und für die Sicherheit der Vereinigten Staaten ist die Kontrolle über Grönland unerlässlich», hiess es in einem internen Memorandum des amerikanischen Aussenministeriums.
Trump wandelt damit auf den Spuren eines früheren Präsidenten, mit dem er die ersten vier Buchstaben seines Namens teilt – Harry Truman. Dieser war allerdings ein Demokrat und ein Politiker ganz anderen Zuschnitts. Auch sonst springen manche Unterschiede ins Auge: Trumans Regierung machte ihren Vorschlag im Geheimen, bei einem Treffen der Aussenminister der beiden Länder in New York. Das Angebot belief sich auf 100 Millionen Dollar in Gold, was heute etwa 1,6 Milliarden Dollar entspricht. Die Episode wurde erst enthüllt, als die dänische Zeitung «Jyllands-Posten» 45 Jahre später auf historische Dokumente stiess und darüber berichtete.
Dänisches Nein, damals wie heute
Im Unterschied zu heute insistierten die USA damals nicht, als Kopenhagen ablehnte. Ebenso verzichtete die Regierung Truman auf Drohungen, anders als Trump, der am Dienstag militärische Zwangsmittel nicht ausschliessen wollte und «sehr hohe Zölle» als mögliches Druckmittel erwähnte. Der Republikaner bezweifelte zudem unverblümt, dass die Insel völkerrechtlich zu Dänemark gehört. Er untergräbt damit ein Grundprinzip der Weltordnung, das Recht auf territoriale Unverletzlichkeit eines Staates.
Aber mit seinem Blick auf strategische Eigeninteressen steht Trump durchaus in einer amerikanischen Tradition. Territorien samt Einwohnern wie Kartoffeln zu kaufen oder zu verkaufen, mag heute als unschicklich gelten, war aber 1946 kein absurder Gedanke – wohl auch für die Dänen nicht. Denn das Königreich selber hatte mit den USA wenige Jahrzehnte vorher genau einen solchen Handel abgeschlossen. Aus Überdruss über seine verlustreiche Kolonie Dänisch-Westindien verkaufte Dänemark 1917 die heutigen Virgin Islands an Washington, für 25 Millionen Dollar in Goldmünzen – und ohne die karibischen Einwohner zu fragen.
Die USA wiederum verdankten einen wesentlichen Teil ihres Wachstums im 19. Jahrhundert dem Abkauf von Territorien europäischer Monarchien. Am bekanntesten ist, wie im sogenannten Louisiana Purchase grosse Teile des Mittleren Westens von Frankreich an die USA übergingen sowie Florida von Spanien und Alaska vom Zarenreich erworben wurden.
Wichtige Basis im Kalten Krieg
Das Kaufangebot für Grönland erfolgte 1946 vor einem dramatischen Hintergrund. Nachdem die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg noch eine Verbündete gewesen war, wuchs in den USA nun die Angst vor einem Schlagabtausch mit der kommunistischen Grossmacht. Im aufziehenden Kalten Krieg versuchte Washington wichtige Felder auf dem Schachbrett der Geopolitik unter Kontrolle zu bringen. Grönland bot sich als Stützpunkt für strategische Bomber an, um via Arktis einen Gegenschlag gegen die Truppen Stalins führen zu können.
Die Regierung Truman liess schliesslich von der Kaufidee ab, da sie ihr Ziel auch auf anderem Weg erreichte. 1951 erhielt sie von Dänemark das Recht, den Luftwaffenstützpunkt Thule Air Base im Nordwesten Grönlands zu bauen. Die unter anderem für die Früherkennung feindlicher Raketenstarts genutzte Basis existiert bis heute und trägt seit vergangenem Jahr den Namen Pituffik Space Base. Zudem wurde Dänemark Mitglied des Nordatlantikpakts und damit Teil der Verteidigungsstruktur mit Blick auf Moskau.
Auch Trump könnte dereinst erkennen, dass Stützpunktrechte für die USA ausreichen und Streitereien um territoriale Fragen unnötig sind. Möglicherweise ist die «Methode Trump» geradezu darauf angelegt, die Dänen aufzurütteln und ihre Kooperation zu erhalten.
Angesichts der neuen Konfrontation mit Moskau haben die USA allen Grund, dieser strategischen Schlüsselzone Aufmerksamkeit zu schenken. Im Kalten Krieg sprach man von der Giuk-Lücke (Greenland, Iceland, United Kingdom Gap) und meinte damit das Nadelöhr zwischen Grönland, Island und Grossbritannien. Durch diese Passage kann die russische Nordflotte in den Nordatlantik vorstossen, zudem verlaufen dort verletzliche Datenkabel. Die europäischen Verbündeten sind allein nicht in der Lage, die verdächtigen russischen Marineaktivitäten in dieser Zone zu überwachen. Aber auch als Standort für ein amerikanisches Raketenabwehrsystem könnte Grönland dereinst von Nutzen sein.