Grönland artikuliert sein Streben nach Eigenständigkeit nun auch über den Fussball. Die Mitgliedschaft in einem Kontinentalverband würde helfen – doch Donald Trump will das verhindern.
«Grönland will Amerika beitreten», so könnte man das grosse Ziel des begehrten Territoriums im Nordatlantik zusammenfassen. Die Schlagzeile würde dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump bestimmt gefallen. Der hatte zu Jahresbeginn irritierenderweise behauptet, dass die Menschen in Grönland ein Teil der Vereinigten Staaten sein wollten und dass die Einverleibung des autonomen Gebiets, das zum Königreich Dänemark zählt, sicherheitspolitisch für die USA «eine absolute Notwendigkeit» sei. Trumps Aussagen lösten in Grönland Entrüstung aus, der Premierminister Mute Egede stellte klar: Grönland sei für die grönländischen Menschen, man wolle weder amerikanisch noch dänisch sein.
Grönland will Amerika also keinesfalls politisch zugehören. Aber im Fussball möchte es künftig unbedingt dem nord- und zentralamerikanischen sowie karibischen Kontinentalverband (Concacaf) angehören.
Zuerst wollte Grönland ein Uefa-Mitglied werden
Seit langer Zeit bemüht sich der im Jahr 1971 gegründete grönländische Fussballverband, Kalaallit Arsaattartut Kattuffiat (KAK), um die Anerkennung einer eigenständigen Nationalmannschaft. Die Überlegung dahinter dürfte sein, das Unabhängigkeitsstreben der ehemaligen dänischen Kolonie auch über den Fussball zum Ausdruck zu bringen.
Denn die rein fussballerischen Aspekte sind nahezu vernachlässigbar: Grönland zählt nur 57 000 Einwohner und hat wegen der klimatischen Bedingungen weder ein Stadion noch einen Rasenplatz. Man habe ein Gefühl der Nationalität im Herzen, wolle souverän sein und beweisen, dass man in Grönland nicht nur Iglus baue, sagte der KAK-Präsident Kenneth Kleist dazu. Vor dem Hintergrund von Trumps territorialen Phantasien haben die eigenen Fussball-Ambitionen vor allem dahingehend an Bedeutung gewonnen, als diese den Grönländern helfen könnten, Trumps USA so durchschlagend wie möglich von sich fernzuhalten.
Aufgrund seiner Popularität auf der ganzen Welt kann der Fussball für Staaten, Territorien und Abhängigkeiten jeglicher Art wichtig und interessant sein. Über ihn lassen sich einerseits nach innen Zusammengehörigkeit und Stolz demonstrieren und andererseits nach aussen Sichtbarkeit und Eigenständigkeit erlangen. Damit geht letztlich stets eine gewisse Form von Legitimität und Schutz einher. Beides erhofft sich nun wohl auch Grönland.
Die Bemühungen des grönländischen Fussballverbands, einem Kontinentalverband anzugehören, intensivierten sich einst unter dem aus Dänemark stammenden Coach Morten Rutkjaer, der 2020 als Coach des Männer-Teams eingestellt worden war. Zunächst schien die Absicht zu sein, vom europäischen Fussballverband (Uefa) aufgenommen zu werden. Denn faktisch gehört Grönland zu Europa. Doch die Kriterien der Uefa schreiben vor, ein Fussballverband müsse seinen Sitz in einem Land haben, das «von der Mehrheit der Mitglieder der Vereinten Nationen (Uno) als unabhängiger Staat anerkannt» sei. Das ist bei Grönland – trotz Selbstverwaltung seit 1979 – nicht der Fall.
Weil in den Statuten des Concacaf ein solcher Passus allerdings fehlt, reichte Grönland am 13. Mai 2024 einen formellen Antrag ein, um als Concacaf-Mitglied anerkannt zu werden. Als der Kontinentalverband dann Gesprächsbereitschaft signalisierte, habe man sich wie die Weltmeister gefühlt, sagte der KAK-Auswahlcoach Rutkjaer dem Magazin «The Athletic». Die Concacaf-Vertreter vereinbarten mit den KAK-Verantwortlichen für Ende Februar ein Sondierungsgespräch in Miami. Doch dann wurde das Treffen in den USA plötzlich storniert; nun soll es in der nächsten Woche in London stattfinden.
Grönlands Fussball wird zum geopolitischen Spielball
Die Verschiebung des Gesprächs verdeutliche die politischen Probleme zwischen Grönland und den USA, sagte der KAK-Vorsitzende Kleist im Gespräch mit «The Athletic». Aus seiner Sicht sei es daher der sinnvollste Schritt, das Sondierungsgespräch an einem neutralen Ort durchzuführen. Wie angespannt die Lage zurzeit ist, zeigte sich, als die USA in dieser Woche einen umfangreichen Besuch von Regierungsvertretern in Grönland plante und diesen nach erheblicher Kritik absagen musste. Alle geplanten Aktivitäten wurden letztlich gestrichen – ausser die Kurzvisite einer US-Militärbasis durch den Vizepräsidenten J. D. Vance und dessen Frau.
Grönlands Fussball ist zu einem aufgeblasenen geopolitischen Spielball geworden. Eine Aufnahme in die Concacaf würde Grönlands Eigenständigkeit erhöhen und zugleich die Machtstrategien von Trump durchkreuzen. Bisher hat sich die Concacaf nicht zu den Chancen Grönlands geäussert.
Im internationalen Fussball scheint es zuletzt allerdings komplizierter geworden zu sein, als Neumitglied von einem Verband berücksichtigt zu werden. Denn mit der Aufnahme sind oftmals politische Querelen verbunden. Der Weltfussballverband (Fifa) zählt zurzeit 211 Mitgliedsverbände; neu aufgenommen wurden zuletzt im Jahr 2016 Kosovo, einstmals eine Teilregion von Serbien, und das frühere britische Überseegebiet Gibraltar.
Um von der Fifa anerkannt zu werden, muss man seit mindestens zwei Jahren einem Kontinentalverband angehören und – wie es auch die Uefa fordert – von der Uno akzeptiert sein. Eine Concacaf-Aufnahme würde Grönland als dann 42. Verbandsmitglied eine Teilnahme an den Wettbewerben in Nord- und Mittelamerika sowie der Karibik ermöglichen. Vielleicht wird Grönland schon bald die USA herausfordern – in einem Pflichtspiel auf dem Fussballplatz.